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E-Book

Reise Know-How KulturSchock Afghanistan

Alltagskultur, Traditionen, Verhaltensregeln, ...

AutorSusanne Thiel
VerlagReise Know-How Verlag Peter Rump
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl276 Seiten
ISBN9783831749157
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Dieses Buch blickt hinter das von Krieg und Gewalt bestimmte Bild Afghanistans. Wie ein buntes Mosaik zeigt sich das von kultureller und ethnischer Vielfalt geprägte Leben der Menschen. Afghanen sind traditionell und fühlen sich ihrer Folklore verpflichtet, versuchen andererseits aber auch, ein neues Land mit einem modernen Staat aufzubauen. Sie gelten als kriegerisch und hüten ihre Ehre wie ein Heiligtum, heißen Fremde aber mit einer umwerfenden Gastfreundschaft willkommen. Sie sind schwermütig und singen traurige Lieder, lieben aber gleichzeitig heitere Geschichten. Unterhaltsam und leicht verständlich räumt die Autorin kulturelle Stolpersteine aus dem Weg und vermittelt fundiertes Hintergrundwissen zu Geschichte, Gesellschaft, Alltagsleben und Traditionen. Wer auf Tuchfühlung mit Afghanen gehen will, erhält eine Vielzahl an praktischen Verhaltenstipps. So ist das Zusammenleben von Frauen und Männern von Distanz und vielfältigen Regeln geprägt. Auf der anderen Seite erfahren die Leser aber auch, über welche Themen man sich bestens austauschen kann, was von Besuchern und persönlichen Gästen erwartet wird und warum viele Afghanen Deutschland bewundern.

Susanne Thiel ist seit den 1990er-Jahren im Rahmen der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig. Sie hat viele Jahre in Pakistan und Afghanistan gelebt und gearbeitet. Die Auseinandersetzung mit islamischen Gesellschaften und Kulturen, die sie im Arbeitskontext, aber auch auf zahlreichen Reisen und durch persönliche Kontakte kennen und schätzen gelernt hat, gehört zu ihren Spezialgebieten. Als Trainerin für die Regionen Asien, Nordafrika und den Vorderen Orient bereitet sie auf interkulturelle Begegnung und Kommunikation vor. Gleichzeitig arbeitet sie als freie Beraterin für Entwicklungsvorhaben und ist Autorin von Fachpublikationen.

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Leseprobe

Vergangenheit und Gegenwart


Drehscheibe der Kulturen


Afghanistan, das uns heute als karges Hochgebirgsland mit knappen Ressourcen und einer langen Kette von gewaltsamen Auseinandersetzungen erscheint, hat eine überaus lebhafte und abwechslungsreiche Geschichte zu bieten. In den unterschiedlichen historischen Darstellungen wird es oft als „Wiege vieler Reiche des Altertums“, „Kreuzweg der Kulturen“ und „Drehscheibe der Völker“ bezeichnet. Afghanistans einzigartige Kultur entstand tatsächlich in einem Schmelztiegel vieler Völker und Religionen zwischen Hindukusch, Seidenstraße und Wüstenregionen. In den Jahrtausenden seiner Geschichte wurden das Land und seine Bevölkerung von Zarathustra, dem Buddhismus, den Griechen und schließlich islamischen Einflüssen geprägt. Große Reiche, die weite Teile Persiens und Indiens umfassten, hatten ihr Zentrum in Afghanistan. Gerade auch aufgrund seiner geostrategischen Lage zwischen Mittel-, West- und Südasien hat Afghanistan immer wieder Besucher mit weniger friedlichen Absichten angelockt. Sie fielen gewaltsam in das Land ein, zerstörten Hinterlassenschaften ihrer Vorgänger und drückten der Gesellschaft – bevor sie weiterzogen – ihren eigenen religiösen, kulturellen und sprachlichen Stempel auf.

Der geografische Raum, in dem sich Afghanistan befindet, wurde im Laufe der Geschichte mit drei verschiedenen Namen benannt. Aryana hieß das Land seit Ankunft der Arier in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. u. Z., in der Herrschaftszeit der persischen Sassaniden ab dem dritten Jahrhundert nach christlicher Zeitrechnung wurde es „Land des Ostens“, Khorasan, genannt. Diese Region umfasste das heutige Afghanistan, Ostiran und die südlichen mittelasiatischen Länder. Erst im 18. Jahrhundert wurde das Gebiet unter dem Namen Afghanistan bekannt.

Die paläolithischen Bewohner Afghanistans lebten vor 100.000 Jahren auf Flussterrassen, in Höhlen und unter Felsvorsprüngen. Bei Ausgrabungen westlich von Ghazni wurden steinzeitliche Werkzeuge wie Äxte, Klingen und Schaber gefunden, die sich so weit zurückdatieren lassen. Teile Afghanistans wurden von den Neandertalern bewohnt, aber auch Formen des modernen Homo sapiens kamen schon vor. In der Gegend der alten Stadt Balkh, in der Nähe des heutigen Mazar-e Sharif, wurde eine große Anzahl von prähistorischen Steinwerkzeugen gefunden. Das frühe Kunstschaffen wird in einer außerordentlichen Steinschnitzerei aus Aq Kupruk in Nordafghanistan sichtbar: Auf einem kleinen unscheinbaren Stein ist eindeutig das Antlitz eines Menschen zu erkennen. Erstaunlich ist das Alter des Fundes: Er ist auf 20.000 v. u. Z. zurückzudatieren.

Mit dem Ende der letzten Eiszeit um 8000 v. u. Z. begann das Neolithikum und der Mensch erlernte die Pflanzenzucht, die Domestizierung von Tieren und erlangte somit die Kontrolle über seine Nahrungsmittelversorgung. Diese Errungenschaften kamen einer Revolution gleich. 7000 v. u. Z. begannen die Menschen von Aq Kupruk Täler zu besiedeln, in denen günstigere Pflanzbedingungen herrschten. Die Landwirtschaft entwickelte sich, Dörfer und Städte entstanden. Said Qala, in der Nähe Kandahars gelegen, konnte schon in der Bronzezeit um 5000 v. u. Z. mehrräumige Gebäude aus Lehmziegeln vorweisen.

Die Ausgrabungsstätten Deh Morasi, Mundigak und Said Qala sind voller Beweise für frühe religiöse Entwicklungen in Afghanistan. Sie zeugen auch von den Anfängen der Stadtkultur und den frühen wirtschaftlichen Netzwerken im 3. Jahrtausend vor Christus. Deh Morasi, 27 Kilometer südwestlich von dem heutigen Kandahar gelegen, war der erste prähistorische Fundort, der in Afghanistan erforscht wurde. Mundigak, 51 km nördlich von Deh Morasi, kann bereits als Stadt bezeichnet werden; Deh Morasi und Said Quala waren eher halbnomadische Dörfer. In allen drei Orten finden sich große Gebäude, die wahrscheinlich sakralen Zwecken dienten. In Deh Morasi wurden sogar Überreste eines altarähnlichen Gebildes ausgegraben – aus luftgetrockneten Ziegeln erbaut, enthält der Schrein Objekte, die auf religiöse Rituale schließen lassen. Neben Ziegenhörnern, Kupfersiegeln und Alabaster-Bechern wurden auch Tonfiguren gefunden, welche die Muttergottheit darstellen sollen. Die Muttergottheit ist von üppiger Gestalt; sie übt Macht über Leben und Fruchtbarkeit, aber auch über die Dunkelheit und den unbekannten, Furcht einflößenden Teil der Welt aus. Deh Morasi wurde 1500 v. u. Z. aufgegeben, vielleicht weil sich der Lauf des Flusses allmählich veränderte. Mundigaks Ende kam nur 500 Jahre später – nachdem es 2000 Jahre bestanden hatte.

Der Handel erstreckte sich über weite Regionen: Die Ornamente auf den Waren und naturalistische Darstellungen weisen stilistische Ähnlichkeiten mit den vorherrschenden Richtungen in Mesopotamien, Iran, dem Indus-Tal und Zentral-Asien auf. Die Minen Badakhshans, die zum Teil noch immer in Betrieb sind, lieferten Lapislazuli, einen blauen Halbedelstein und eines der gefragtesten Handelsgüter Afghanistans.

Eine Zeit großer Veränderungen brach an, als indoarische Nomadenstämme in das südasiatische Gebiet einfielen. Der Rigveda (Aufzeichnungen der vedischen Arier) zufolge, spielte sich dieses Ereignis etwa um 1500 v. u. Z. ab. Das Ursprungsgebiet der Arier ist unbekannt; die Afghanen, welche immer wieder Bezüge zu ihren „arischen Vorfahren“ herstellen, siedeln sie gern im nordafghanischen Baktrien an. Die Wahrheit wird unter dem Schleier der vergangenen Jahrtausende verborgen bleiben.

Zarathustra, ein bedeutender religiöser und politischer Führer, lebte zwischen 1000 und 600 v. u. Z. in dieser Gegend. In der Avesta sind seine Doktrinen niedergeschrieben und der Leser erfährt über die Unterweisungen des Gottes Ahura Mazda, dessen Gebote Zarathustra mit „guten Gedanken, guten Worten und guten Taten“ beschrieb. Diese Lehre wurde zur Grundlage der späteren Staatsreligion der Perser. Ein wichtiges Element der Religion ist der Feuerkult. Trankopfer wurden dem Feuergott und den Göttinnen des Wassers dargebracht und damit den beiden kostbarsten lebenserhaltenden Kräften gehuldigt. Charakteristisch und viel beschrieben sind ihre traditionellen „Türme des Schweigens“, auf denen die Toten der Gemeinde aufgebahrt wurden, um die Erde nicht mit dem verfaulenden Fleisch zu verunreinigen. Die Leichen wurden sich selbst und den Aasvögeln überlassen. Zarathustra gilt als erster Monotheist in dem Sinn, dass er einen Gott über die anderen, von seinen iranischen Vorgängern verehrten Götter erhob.

In dieser Zeit wandten sich die nomadischen Arier der Landwirtschaft zu und die fruchtbaren Ebenen Baktriens erblühten in Wohlstand. Die Region, in der Teile des heutigen Afghanistans liegen, wurde Aryana genannt.

Unter Cyrus dem Großen (550–529 v. u. Z.) und Darius I. (522–486 v. u. Z.) wurde das Gebiet Teil des großen Reiches der Achämeniden, die ihren Einfluss vom Ursprung in Südpersien bis zum Mittelmeer und zum Himalaja ausdehnten. Darius I. hatte berühmte Orte wie Susa und Persepolis erbauen lassen. Handelsrouten wurden durch das Land gelegt und Statthalter bestimmt, die Abgaben und Gehorsam leisten mussten. Die achämenidische Kontrolle der afghanischen Region wurde durch Alexander den Großen, König von Makedonien, beendet. Von 330 v. u. Z. bis 328 v. u. Z. zog Alexander mit seinen Heerscharen durch Afghanistan und errichtete einen Basis-Standpunkt in Bactra. Die Anwohner leisteten Widerstand gegen die vorrückenden Truppen, einige Häuptlinge aber ergaben sich. Der letzte Achämeniden-Herrscher Darius III. wurde von baktrischen Verbündeten Alexanders ermordet. Der Zug der Makedonier durch das Land war von unzähligen Kämpfen gegen aufständische Gebietsfürsten und unberechenbare Bergvölker begleitet. Trotz der Unruhe im eigenen Lager, viele seiner Soldaten waren kriegs- und wandermüde geworden und wollten zurück in ihre Heimat, zwang Alexander die Truppen weiter nach Osten – Indien war sein großes Ziel. Er führte schätzungsweise zwischen 27.000 und 30.000 Männer über den Khyber-Pass nach Osten. 326 v. u. Z. gelang es seinen Truppen endlich, die Heimkehr zu erzwingen. Alexander gründete mehrere Städte namens Alexandria auf afghanischem Gebiet, einige Orte nehmen auch für sich diese Ehre in Anspruch – archäologische Beweise lassen sich in vielen Fällen aber nicht erbringen. Auch Balkh kann in diesem Sinne nicht eindeutig als das historische Bactra identifiziert werden. Drei Jahre nachdem Alexander aus Indien zurückgekehrt war, starb er 323 v. u. Z. in Babylon. Der große Feldherr und...

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