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Vom Schweden, der die Welt einfing und in seinem Rucksack nach Hause brachte

Reisen in die Ferne und zu sich selbst

AutorPer J. Andersson
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl301 Seiten
ISBN9783406721656
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
In seinem neuen Buch berichtet der Bestsellerautor Per J. Andersson von seiner großen Leidenschaft, dem Reisen. Dabei erzählt er bezaubernde Geschichten, entführt in fremde Welten und zeigt, warum das Reisen ein Bedürfnis ist, das in jedem von uns schlummert. Eine gefährliche Lektüre für Menschen mit festem Wohnsitz - und eine wunderbare Inspiration für alle, die es in die Welt hinauszieht. Reisen bildet und es öffnet die Augen. Man entdeckt neue Geräusche, Gerüche und Gebräuche und erblickt die Welt aus ungewohnten Perspektiven. Wer reist, ist nicht borniert und engstirnig. Wer weiß, wie es in anderen Weltgegenden aussieht, hat keine Angst vor dem Fremden. Per J. Andersson reist abseits der ausgetretenen Pfade. Er wandert durch Berge, schlendert durch Basare und Slums, fährt mit dem Bus durch Indien und trampt durch Europa - immer auf der Suche nach spannenden Begegnungen, neuen Eindrücken und dem, was unserem Leben Sinn verleiht. Sein Buch ist ein grundsympathischer Reiseverführer, der Mut macht aufzubrechen, um in der Ferne zu sich selbst zu finden.

Per J. Andersson ist ein schwedischer Journalist und Schriftsteller. Er ist Mitbegründer von Schwedens bekanntestem Reisemagazin. 2015 erschien sein Bestseller Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden, das sich bisher insgesamt mehr als 350.000 Mal verkauft hat.

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Leseprobe

Vorwort


Bis vor dreizehntausend Jahren waren wir Nomaden. Die Wanderlust steckt uns in den Genen. Sich über den Horizont hinaus bewegen zu wollen, ist ein ererbter Trieb, eine kollektive Ur-Erinnerung. Reisen zu wollen, ist universell.

Unser Bedürfnis nach Abwechslung ist groß. In der alten schwedischen Bauerngesellschaft zog man im Frühsommer hinaus in die spartanisch eingerichtete «Sommerküche» auf der anderen Seite des Hofgrundstücks. Die Veränderung war nicht sehr groß, und manchmal betrug der Abstand vielleicht nur fünfzig Meter, aber es genügte, um das Gefühl eines einfacheren und freieren Daseins zu erleben. Bei den jährlichen Reisen der Bauernfamilie zu Herbstmarkt und Kirchweih ging es auch nicht nur um praktische Bedürfnisse und Pflichten, sondern einfach darum, einmal etwas anderes zu sehen.

Wenn wir aber die Welt schon nicht mit eigenen Augen sehen können, dann muss die Welt zu uns kommen. Die ersten Bücher, die der Mensch geschrieben hat, waren Reisebeschreibungen, die dazu dienen sollten, die Sehnsucht derer zu lindern, die nicht reisen konnten, weil sie an Familie, Heim und Acker gebunden waren, oder weil sie zu alt, krank oder körperlich eingeschränkt waren. Die ältesten Texte der Literaturgeschichte – das Gilgamesch-Epos, die Odyssee, Abrahams Wanderungen im Alten Testament und die Abenteuer der Brüder Pandava in der Mahabharata – handeln sämtlich von ausgedehnten Reisen.

Laut der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen UNWTO unternehmen die Bewohner der Welt jedes Jahr ungefähr eine Million Auslandsreisen. Rechnet man die Urlaubsreisen innerhalb des eigenen Landes noch dazu, dann steigt diese Zahl um ein Vielfaches. In den letzten Jahren sind oft die Nachteile des Reisens betrachtet worden. Die Beeinträchtigung der Umwelt durch das Fliegen werden wir nicht leugnen können, doch das muss unsere Reiselust nicht bremsen. Können wir nicht weniger fliegen und öfter den Zug oder die Fähre wählen – oder vielleicht sogar Wanderschuhe oder Fahrrad?

Das Reisen in Regionen jenseits unseres Horizontes schützt uns davor, das eigene Volk zu überhöhen. Man lernt, dass die Welt gar nicht so seltsam ist, wie sie einem vorkam, als man noch zu Hause in seinem Kämmerlein saß und über sie nachgrübelte. Vorurteile entstehen aus Mangel an Information und Kommunikation, ganz gleich, ob es dabei um den Nachbarn nebenan geht oder um die Ureinwohner Australiens. Je mehr Kontakt wir zu dem Unbekannten haben, desto weniger müssen wir phantasieren, und das hält die Dämonen auf Abstand, die der wichtigste Brennstoff für Rassismus sind.

Es ist leicht, ein Misanthrop zu werden, wenn unser einziger Kontakt zur Welt aus den Nachrichten besteht, die uns die Medien ins Wohnzimmer bringen. Es ist doch überall nur Elend, und die Menschen sind dumm, denken wir, warum sollen wir uns darum scheren? Da ist es am besten, man bleibt zu Hause in seinen sicheren vier Wänden. Doch wer reist, der erkennt, dass alles gar nicht so schlimm ist, wie es uns die Schlagzeilen in den Tageszeitungen weismachen wollen, und dass es selbst an den problematischsten Orten Glück und Schönheit gibt. Das Reisen lehrt uns, dass nicht nur der Platz auf Erden, auf dem wir selbst uns niedergelassen haben, als normal und sicher betrachtet werden kann. Vielleicht ist das Reisen die wirkungsvollste Methode, das eigene Bild von der Welt zu erweitern, denn die Nachrichten in den Medien greifen schließlich immer zu kurz und sind oft losgelöst vom historischen Kontext; deshalb beschreiben sie nur selten, wie es an den Tagen aussieht, wenn keine Naturkatastrophe passiert oder wenn die Parlamentswahlen vorüber sind oder die Waffen verstummen.

Eine wichtige Erkenntnis dabei ist, dass wir nicht nach Kambodscha, in die Mongolei oder irgendein anderes fernes Land reisen müssen, um eine andere Kultur zu erleben. Auch in Dänemark, Polen, Deutschland, Spanien und weiteren Ländern auf unserem Kontinent können wir Reiseerfahrungen machen, die uns neue Erkenntnisse über das Leben schenken. Doch dafür braucht man Kontakt zur Wirklichkeit. Und Zeit.

Ist denn alles Reisen schön? Längst nicht. Viele von uns werden schließlich gezwungen, wegzugehen, um Armut, Krieg und Unterdrückung zu entfliehen. Andere wiederum reisen, um Freunden und Nachbarn zu imponieren, als würden sie einen Wettkampf im Erleben bestreiten. Und dann gibt es diejenigen, die aus finanziellen, sozialen oder politischen Gründen überhaupt keine Möglichkeit haben, zu reisen.

Darüber hinaus gibt es noch alle diese nationalen Grenzen mit Pass- und Visumregeln, von denen die Völker getrennt werden. Wir dürfen nie vergessen, dass wir zu einer privilegierten Gruppe gehören: Wer in Schweden lebt, kann ohne Visum in einhundertsechsundsiebzig Länder der Erde reisen, wer Deutscher ist, sogar in noch mehr. Es wird kaum erstaunen, dass Menschen mit afghanischem, pakistanischem, irakischem, somalischem und syrischem Pass die meisten Schwierigkeiten haben, sich frei in der Welt zu bewegen.

Nicht alle Urlaubsreisen führen zu neuen Erkenntnissen und gesteigertem Engagement. Ein All-inclusive-Urlaub am Mittelmeer kann unter Umständen sehr schön und notwendig sein, doch hat man, wenn man nach Hause kommt, wohl kaum das Gefühl, im Ausland gewesen zu sein, weil die Begegnungen mit anderen Menschen, abgesehen von Kellnern und Reinigungspersonal im Hotel, nur sporadisch waren – wenn es sie überhaupt gab. Wenn wir nur in abgeschlossene Touristenreservate reisen, wo die einzige einheimische Bevölkerung, die wir treffen, Hotelangestellte und Verkäufer sind, Menschen, bei denen wir lediglich etwas bestellen, mit denen wir um Preise verhandeln oder von denen wir uns Service erwarten, dann kann eine solche Reise unter Umständen unsere Vorurteile sogar noch verstärken.

Die Touristenreklame behauptet, uns in einen Geisteszustand jenseits des Alltags versetzen zu können. Sie lockt uns mit einer Flucht aus Trivialitäten, grauem Dasein und Leiden. Manchmal verspricht sie sogar einen schöneren Partner und nettere und zufriedenere Kinder. Auch wenn wir das nicht glauben, wenn wir sogar wissen, dass die Beziehungsprobleme nicht verschwinden und die Kinder nicht aufhören werden, miteinander zu streiten, nur weil wir wegfahren, hoffen wir dennoch, dass auf der nächsten Reise die sorglose Traumwelt der Werbung für uns in Erfüllung gehen wird. Wir erwarten, dass die Wirklichkeit verdrängt und die Probleme unsichtbar gemacht werden.

Das Reisen ist nämlich eine Art und Weise, jenseits vom Zwang der Arbeit und vom Kampf ums Überleben nach einem Sinn des Lebens zu suchen. In nur wenigen anderen menschlichen Aktivitäten ist der Ehrgeiz, den Zustand zu erreichen, den Aristoteles eudaimonia nannte, das wahre Wohlergehen und Wohlbefinden, so groß, wie wenn wir reisen.

Das Problem ist nur, dass der Traum vom Paradies, um den es im kommerziell verpackten Tourismus oft geht, in den allermeisten Fällen auch ein Traum bleibt. Was die Touristenreklame mit schön gestalteten Hotelfoyers und großen Pools verspricht, ist ein fast außerirdisches Erlebnis, frei von menschlichen Beschwerden. Nun gut. Aber schon bei unserer Ankunft an dem Ort, der in der Werbung so verführerisch abgebildet wurde, werden wir enttäuscht. Das Buffet im Restaurant kommt einem vielleicht schon am zweiten Abend eintönig vor. Die heruntergewehten Palmblätter und halb verrotteten Kokosnüsse stehen zwar für tropische Schönheit, aber sie sehen auch gammelig aus, wie sie da unordentlich über den Sandstrand verstreut liegen. Die Wärme, von der wir an einem dunklen und kalten Wintertag geträumt haben, führt dazu, dass wir uns jetzt verschwitzt, kurzatmig und beengt fühlen, und das Plastikband – Identifikationszeichen des All-inclusive-Touristen – scheuert am Handgelenk. Und auch wenn man im Traum vom Paradies gelandet ist, klingt doch der Tonfall innerhalb der Reisegesellschaft unverändert scharf.

Doch auch dort gibt es das Glück. Aber dafür muss man den Liegestuhl verlassen, sich vom Hotel wegbegeben und in die Wirklichkeit eines anderen Menschen eintauchen. Am besten wäre es, wenn die Reise nicht frei von Überraschungen bleibt. Paradoxerweise kann der Weg zum Glück kürzer sein, wenn man Enttäuschungen erlebt und genötigt wird, die Prioritäten zu verändern und zu improvisieren.

Nehmen Sie einfach irgendeinen Bus oder mieten Sie ein Auto und fahren Sie in die Berge, aufs Land hinaus oder in die nächste richtige Stadt, genehmigen Sie sich einen türkischen Kaffee oder eine Scheibe Wassermelone mit den alten Männern oder Frauen im Schatten unter der Platane. Eine Begegnung mit einem Menschen hilft, einen politischen Konflikt anders einzuordnen, ein Restaurantbesuch inspiriert zu einem neuen Kocherlebnis, ...

Blick ins Buch

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