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E-Book

Der Schatzsucher

Auf der Jagd nach Kunst und Kuriositäten

AutorFabian Kahl
VerlagEden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783959101653
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Kunst- und Antikhändler Fabian Kahl gehört zur Stammbesetzung der Trödelshow »Bares für Rares«. Seit 2013 sitzt er regelmäßig am Händlertisch der ZDF-Erfolgssendung. Der selbst ernannte »Antikjäger« hat sich schon in jungen Jahren für Antikes und Kunst begeistert und seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. In diesem Buch erzählt er nicht nur von seinem persönlichen Werdegang und ungewöhnlichen Entdeckungen bei der »Schatzsuche« auf Flohmärkten, Messen und in Nachlässen, sondern gibt wertvolle Tipps und Tricks für die Bewertung und den An- und Verkauf von Raritäten und kuriosen Einzelstücken. Ein Buch nicht nur für Fans von »Bares für Rares«, sondern für Flohmarktgänger, Antikbegeisterte und Leser, die sich mit dem Blick des Fachmanns auf Schatzsuche begeben möchten.

Fabian Kahl, geboren 1991 in Thüringen, stammt aus einer Antiquitätenhändlerfamilie. Bereits mit 17 Jahren eröffnete er sein eigenes Antiquitätengeschäft in Berlin, mit 20 führte er eine Kunstgalerie in Leipzig. Seit der ersten Staffel im Jahr 2013 ist er regelmäßig als Händler in der ZDF-Sendung »Bares für Rares« zu sehen. Fabian Kahl lebt in Leipzig.

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Leseprobe

KAPITEL 1


Ratternde Zahnräder


Ich bin immer gern bei meinen Großeltern zu Gast gewesen. Ihre Wohnung war schlicht eingerichtet. Gelblich beige Helleraumöbel aus den Siebzigern bestimmten das Raumbild. Kristallvasen auf dem Mobiliar und im Fenster warfen bunt schimmernde Prismen an die Wand und sorgten zusammen mit einer Reihe von Bildern im Perlmutteffekt, die Stadtansichten bekannter deutscher Touristenorte zeigten, und einer leicht vergilbten, nach Raumfahrt anmutenden, runden Deckenlampe, welche in den Zeiten des Space-Age das absolute Must-have darstellte, für DDR-nostalgischen Charme. Die Vorhänge waren aus transluzidem Stoff gefertigt, der mit tropfenartig herunterhängenden Schlieren in Weiß, Beige und Braun gemustert war. Die Farbkomposition muss in den Siebzigerjahren der Eyecatcher gewesen sein, denn ich finde sie heute noch auf meinen Ankauftouren quer durch Deutschland in so einigen Wohnzimmern. Dazu passend war natürlich, wenn auch in abgeschwächter Form, die Tapete gewählt, was dem Raum jedoch wiederum eine gewisse anheimelnde Homogenität verlieh.

Das Schlafzimmer sah dem Wohnzimmer sehr ähnlich, und die Küche könnte als ein Paradebeispiel der Kriegsgeneration herhalten. Fein säuberlich nach Größe sortierte Emailletöpfe stapelten sich im vielfarbigen Spanplatten-Küchenmobiliar und auf dem gusseisernen Ofen in der Ecke neben der Tür. Der Raum war sehr schmal und für eine Küche eigentlich zu klein. Im Sommer, wenn es draußen brütend heiß war, feuerte Oma dennoch den uralten Herd an, stand mit hochgekrempelten Ärmeln in der Küche, gerade so, als würde sie die Wärme als Einzige nicht tangieren, und kochte für die ganze Familie ein bezauberndes Sonntagsmahl. Meine Großeltern väterlicherseits waren einfache, aber sehr gebildete und vielseitig interessierte Leute. So verwundert es nicht, dass beide im Lehrberuf tätig waren. Sie sparten ihr Vermögen, gaben lieber, als zu nehmen, und schmissen nichts leichtsinnig weg. Alles wurde bis zum Ende geehrt, verwahrt und benutzt. Ging etwas kaputt, reparierte man es. Und nur im größten Notfall wurde eine Neuanschaffung getätigt. Sie waren sozusagen die Ur-Hipster der heute so beliebten Vintage- und Upcycling-Kultur.

Ich kann das nur befürworten. Heutzutage gehen wir mit so viel Unachtsamkeit durch unser Leben. Wir ehren die Dinge, die uns umgeben, nicht mehr in dem Maße, wie es Generationen vor uns getan haben. Alles fliegt schnell und funkensprühend an uns vorbei, zugespamt mit Werbung in grell leuchtender Optik, welche einem ihre vermeintlich wichtigen Botschaften mit spitzen Nägeln in den Kopf zu hämmern versucht. Durch stetig bimmelnde, mit Virtualität und Ablenkung lockende Smartphones und Tablets oberflächlich geworden, nehmen wir unsere Umwelt nur noch wahr, wenn sie uns am Laufen mit gesenktem Blick auf das Handy hindert oder mit gellendem Sirenengeheul an uns vorbeidonnert. Ruhe und Gelassenheit fehlen uns dadurch. Ich merke das deutlich an mir selbst, da ich in beruflicher Hinsicht oft und gern auf diese technischen Neuerungen zugreife und mit den Annehmlichkeiten und der daraus resultierenden Schnelligkeit und Effizienz durchaus zufrieden bin. Das Paradoxon könnte kaum größer sein. Mit schnelllebigen Mitteln in einer schnelllebigen Zeit betreibe ich einen hektischen Handel mit langsam etablierten, wohldurchdachten und zeitaufwendig hergestellten Dingen vergangener Jahrhunderte.

Doch gerade das ist es, was den Reiz an antiken Dingen ausmacht. Eine Louis-Philippe-Chaiselongue ist nicht nur einfach ein lebloses Möbel, gerade noch dekorativ genug, um in unserer modernisierten Welt einen, wenn auch ungewissen, Platz zu erhalten – nein. Es ist ein Stück gelebter, weit zurückliegender, menschlicher Gedanke. Ein über hundert Jahre alter Ahn vergangenen Zeitgeists. Geschichtsträchtig und erhaben, voll Schönheit und altertümlicher Patina. Und auch oder eher gerade diese Objekte sind es, die einen Wohnraum erst zum Leben erwecken. Ich selbst lebe die Vielfalt in meiner Wohnung. Ich bin weder ein Fan von leblosem Hochglanzpolitur-Mobiliar vom schwedischen Möbelhaus noch von verstaubten Barockbuden, welche ihre abgestandene Raffinesse in die Welt husten. Das richtige Maß zwischen diesen scheinbar konträren Welten zu finden, das ist wahre Ästhetik, durch die ein Wohnraum zu Poesie wird.

Aber zurück zu meinen Großeltern und somit zu den Anfängen meiner Begeisterung für Antikes. In dem kleinen Haus, welches meine Großeltern bewirtschafteten, gab es nicht allzu viele Zimmer. Die wichtigsten habe ich oben bereits beschrieben. Bis auf eines. Das kleine Zimmer rechts neben der Eingangstür. Es war das ehemalige Kinderzimmer meines Vaters. Die Vorhänge waren hier aus unerklärlichen Gründen immer zugezogen und hüllten diesen Raum in geheimnisvolle Schwärze. Nur ein leises Ticken von drinnen her war zu vernehmen. Wie oft lief ich als Kind schnurstracks durch diesen schmalen Raum, um bloß schnell die verhüllenden Tücher vor dem Fenster aufzuziehen und das Tageslicht ins Innere hineinströmen zu sehen. Auch hier prägten Helleraumöbel das Raumbild. Eine Klappcouch rechts, ein kleiner Schreibtisch zu meiner Linken und an der Stirnseite eine mit dekorativen Römergläsern und Kristallvasen ausgestattete Fünfzigerjahre-Schiebeglasvitrine, in welcher Oma Matchboxautos aufbewahrte, mit denen mein Bruder und ich oft spielten. Nun hörte man auch das Ticken laut und deutlich. Über dem Bett hing, aus braunem Holz geschnitzt und mit Ziffern und Zeigern aus Bein verziert, eine Schwarzwälder Kuckucksuhr. Auf dem spitz zulaufenden und mit geschnitzten Weinblättern dekorierten Dachsims saß ein ebenfalls geschnitzter, frech mit den Flügeln schlagender Kuckuck. Das Pendel zierte ein Weinblatt, und die schweren Gewichte waren aus in Form von Pinienzapfen gegossenem Eisen gefertigt. Im Übrigen dürfen Letztere nicht vertauscht werden, da sie unterschiedlich gewichtet sind und eine mechanische Uhr dann nicht richtig läuft. Ich stand oft begeistert vor dieser Uhr. Sie war das wertvollste Stück meiner Großeltern und wurde seit jeher mit Bewunderung und Ehrfurcht betrachtet.

Damals waren solcherlei Dinge sehr gefragt und entsprechend teuer. Heutzutage steht es darum leider etwas anders, aber für mich strahlt diese Uhr, damals wie heute, meine persönliche Verbundenheit zum Antikhandel aus. Oft stand ich als Kind davor und zählte die Minuten und Sekunden bis zur vollen Stunde, erwartungsvoll auf die Klappe unterm Dachsims schauend und auf jede Regung der Zahnräder im Inneren lauschend, bis sich endlich unter dumpfen Geratter die Klappe öffnete und sich der geschnitzte und bemalte Kuckuck mit lautem Ruf hervorschob. »Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck!«, rief er in den Raum hinein, zog sich sogleich so schnell, wie er erschienen war, in seine schmale Behausung zurück, die Klappe schloss sich, und zurück blieben das monotone Ticken und Rattern der Zahnräder und ein begeisterter kleiner Junge, der von diesem Schauspiel nicht genug bekommen konnte. Mein Interesse an den Dingen der Vergangenheit war geweckt.

Expertentipp: Uhren


Ganz grundlegend ist zu sagen, dass es fünf größere Kategorien im Bereich Uhren gibt: Standuhren, Wanduhren, Tisch- und Kaminuhren, Taschenuhren sowie Armbanduhren.

Als erstes sollte man in jedem Falle die Funktionstüchtigkeit der Uhr prüfen. Hierfür muss sie aufgezogen werden, wofür in den meisten Bereichen der Uhrenhistorie ein Schlüssel erforderlich ist. Bei Armband- und Taschenuhren gibt es in vielen Fällen die Möglichkeit, diese mit einer eingebauten Aufzugskrone in Gang zu setzen. Diese Erfindung wurde von der weltweit bekanntesten und hochwertigsten Firma für Uhren, Patek Philippe, eingeführt und veränderte das Tragen von Uhren vollkommen. Die Armbanduhr, wie wir sie heute kennen, wurde dadurch erst möglich gemacht. Wenn eine Uhr »läuft«, so heißt es jedoch nicht, dass sie auch ganggenau ist. Dies zu prüfen sollte man einem Uhrmacher überlassen. Wichtig ist für den Kauf vor allem, dass sie generell funktioniert und sich aufziehen lässt. Bei Standuhren sowie auch für Tisch- und Kaminuhren ist ein Pendel erforderlich.

Zu einer Standuhr gehören außerdem noch Gewichte. Je nach Art des Werkes variiert die Anzahl. Die meisten Standuhren besitzen zwei Gewichte für den grundsätzlichen Gang des Werkes und die tonale Anzeige von Viertel-, halben oder vollen Stunden. Kommt ein drittes Gewicht hinzu, so hat die Uhr einen Glockenschlag. Der wohl berühmteste ist der Westminster-Schlag, also in der Art des in London befindlichen Big Ben. Es gibt noch viele weitere Komplikationen jeglicher Art bei Uhren, wie die Datumsanzeige, die Mondphasenanzeige, Glockenspiele oder weitere bewegliche Spielereien und musikalische Raffinessen. Je mehr Komplikationen ein Uhrwerk hat, desto hochwertiger ist die Uhr einzuschätzen.

Bei Kaminuhren, welche vornehmlich aus der Gründerzeit stammen, ist die Wahl des Materials ein entscheidender Punkt der Wertermittlung. Am aufwendigsten sind die feuervergoldeten Kaminuhren aus Bronze aus dem späten 18., anfänglichen 19. Jahrhundert. Diese Uhren sind leicht an ihrer Fadenaufhängung zu erkennen. Das Pendel wird mittels eines Fadens an der Pendelaufhängung gehalten und bewegt. Die Fadenaufhängung galt als zu ungenau und wurde schnell verworfen. Kaminuhren, die eine andere Halterung besitzen, sind nach 1870 produziert worden. Man fertigte in Frankreich, Belgien und Holland solche Uhren in großer Stückzahl. Es sind Massenprodukte, die am heutigen Kunstmarkt leider häufig zu finden sind. Aber auch hier gilt: Je interessanter und innovativer der Entwurf, desto mehr Geld kann man am Ende erzielen. Gesucht wird, was ausgefallen und selten...

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