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Du bist geliebter, als du ahnst

Zur Beziehungsgewissheit

AutorHans-Joachim Eckstein
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2018
ReiheGrundlagen des Glaubens 3
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783775159234
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Es ist wohl der bekannteste Psalm der Bibel: 'Der Herr ist mein Hirte...' Was manchmal abgegriffen klingt, stellt der Bestsellerautor Max Lucado in ein neues Licht. Mit seiner warmherzigen Auslegung macht er den Text persönlich greifbar. Er lädt dazu ein, Lasten abzulegen, Ängste über Bord zu werfen und sich in die liebevollen und fürsorglichen Hände des Hirten fallen zu lassen. Ein Buch, das dazu ermutigt, zur Ruhe zu kommen und den Zuspruch des Hirten für sich anzunehmen.

Prof. Dr. Hans-Joachim Eckstein (Jg. 1950) aus Tübingen ist Professor für Neues Testament. Vor 2001 lehrte er an der Universität Heidelberg, bis 2016 als Ordinarius an der der Universität Tübingen. Vielen ist er durch seine eindrücklichen Vorträge und Predigten sowie durch seine zahlreichen Veröffentlichungen und Gemeindelieder bekannt. Seine Bücher, die zu einem befreienden und lebensbejahenden Glauben einladen, sprechen durch ihren persönlichen und sprachlich gewinnenden Stil an. Ob in Universitäts- oder Gemeindeveranstaltungen, ob in Sachbüchern oder in lyrischer und meditativer Literatur, Hans-Joachim Eckstein gelingt immer wieder der Brückenschlag zwi-schen Glauben und Denken, zwischen Universität und Kirche, zwischen Landeskirchen, Frei-kirchen und Gemeinschaften. Gerade mit seinen lyrischen und aphoristischen Texten spricht er zugleich auch viele Menschen an, die sich dem Glauben gegenüber bisher eher distanziert empfanden. Für seine pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten erhielt er vom Land Baden-Württemberg den Landeslehrpreis. Für seine besondere Basis- und Gemeindenähe in Lehre, Publikationen und Beratung sowie für sein Brückenbauen zwischen wissenschaftlicher Theologie und Gemeindeglauben erhielt er den Sexauer Gemeindepreis für Theologie. Für 'heraus-ragende Verdienste in Kirche und Theologie' erhielt er mit der Brenz-Medaille in Silber die höchste Auszeichnung der Evang. Landeskirche in Württemberg. www.ecksteinproduction.com

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GOTT ALS VATER


DAS ZENTRALE CHRISTLICHE GOTTESVERSTÄNDNIS?36


Unter den zahlreichen neutestamentlichen Texten, in denen von Gott als »Vater« die Rede ist, kommt Epheser 3,14-19 zweifellos eine herausragende Rolle zu: »Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.«

DAS VATERBILD ALS PROBLEM


Gott wird als Vater verstanden – hier sogar: als der »rechte Vater«, das heißt als der Vater, von dem her alle Vaterschaft benannt wird und in dem alle Vaterschaft ihren Maßstab hat. Unter den verschiedenen Gottesbezeichnungen gehört die Anrede Gottes mit »Vater« und das Verständnis Gottes als Vater zu den Vorstellungen, die in den letzten Jahrzehnten im weiteren Umfeld der Kirche und der Gemeinden besonderen Anstoß erregt haben. Im Kontext der feministischen Theologie versuchten viele diese »Engführung« aufzusprengen, und so mögen wir schon Gottesdienste erlebt haben, bei denen Gott bewusst nicht mehr als »Vater«, sondern stattdessen bzw. zusätzlich ausdrücklich als »Mutter« – als Mutter der Natur, der Erde, des Lebens oder allen Seins angesprochen wurde. Dies kann gelegentlich dann sogar das »Vaterunser« oder geprägte Segenswünsche mit der dreifaltigen Erwähnung von Vater, Sohn und Heiligem Geist einschließen.

Ganz gewiss trifft es zu, dass die biblische Rede von Gott als Vater in eine Gesellschaft hinein erging, die selbst patriarchalisch organisiert war und lebte. Sowohl das Volk Israel wie auch die Umwelt der Urgemeinde und des Neuen Testaments waren durch das Patriarchat – die »Vater-Herrschaft« – bestimmt; sie hatten also eine Gesellschaftsordnung, in der der Mann die oberste Entscheidungs- und Verfügungsgewalt über alle Familienmitglieder und in den gesellschaftlich bestimmenden Strukturen hatte.

Noch entscheidender für die Problematisierung der Bezeichnung Gottes als »Vater« mögen die Gründe sein, die wir eher dem psychologisch-seelsorgerlichen als dem historischen Bereich zuordnen. In der Seelsorge sind wir immer wieder mit Menschen im Gespräch, für die die Anrede Gottes mit »Vater« traumatische Erinnerungen wecken können, weil sie in ihrer eigenen leiblichen Vaterbeziehung oder in der Begegnung mit väterlichen Persönlichkeiten ihrer Kindheit Schreckliches erlebt haben. Das Vater-Bild weckt dann nicht Gedanken an Verlässlichkeit und Treue, Zuneigung und Wärme, sondern eher Angst und Beklemmung, Misstrauen und Selbstzweifel. Eine Frau, die als Mädchen von ihrem Vater oder einer anderen männlichen Autoritätsperson schweres Unrecht erlebt hat, mag sehr wohl eine traumatische Blockade empfinden, sich Gott im positiven Sinne als Vater vorzustellen. Und wer als Junge seinen leiblichen Vater vor allem abwertend, ungerecht und gewaltsam erlebt hat, wird sich lange schwertun, Gott vertrauensvoll als Vater anzusprechen.

Nun sind gewiss weder die gesellschaftlichen Kontexte, in die hinein das Evangelium historisch gesprochen worden ist, noch die eigene biografische Situation, die durch erfahrenes Leid bestimmt sein kann, für sich genommen schon lebensfördernd und von bleibender Gültigkeit. Sie können sich vielmehr auch als lebensabträglich und somit erlösungs- und veränderungsbedürftig erweisen. Dies gilt selbstverständlich auch für das Patriarchat und die Rolle oder das Bild des menschlichen Vaters.

Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, wenn wir aufgrund gesellschaftlicher Fehlentwicklungen oder persönlicher Leiderfahrungen bestimmte Lebensbereiche einfach tabuisieren und den Vaterbegriff, das Vaterbild und all das, wofür Vaterschaft im besten Sinne stehen kann, nur pauschal verurteilen und ausblenden wollten. Gewiss wird man persönlich Betroffenen die lebensfördernden und beziehungsstärkenden Aspekte der Gottesvorstellung des Evangeliums zunächst mit anderen Beispielen, Bildern und Umschreibungen nahebringen wollen als ausgerechnet mit einer negativ besetzten Vaterbezeichnung. Auf Dauer aber und für die Sprache der Gemeinde und der Gläubigen insgesamt kann die Lösung – wie in fast allen Lebensbereichen – kaum in der radikalen Verdrängung und Tabuisierung des als bedrohlich Erlebten liegen. Einerseits gewinnt das angstvoll Abgewehrte nur noch an Bedrohung, wenn es im Dunkeln gehalten wird, und andererseits geht mit der Ausblendung eines ganzen Lebensbereiches zugleich all das verloren, was an Hilfreichem und Lebensförderndem in ihm liegen könnte. Grauenvolle Vaterbilder werden nicht durch Verdrängung entmachtet, sondern durch die erlösende Erfahrung von verlässlicher, aufwertender und fürsorglicher Zuwendung.

DIE GRENZE ALLER GOTTESBILDER


Vor allem neuen Entdecken von Vaterschaft und Vaterbildern ist aber auf ein generelles Problem jeder Rede von Gott einzugehen. Nicht erst aufgrund moderner Kritik und Aufklärung, sondern infolge des biblischen Zeugnisses seit den alttestamentlichen Propheten ist nachdrücklich festzuhalten, dass zwischen den eigenen Vorstellungen von Gott und Gott selbst prinzipiell zu unterscheiden ist. Zwischen den Bildern und Begriffen, die wir als Menschen mit Gott verbinden, und der Person des ewigen und transzendenten Gottes besteht eine grundlegende Verschiedenheit.

Wir können als Menschen eine personale Beziehung gewiss gar nicht anders als in Analogie zu anderen menschlichen personalen Beziehungen denken; dabei dürfen wir aber niemals Gottes grundsätzliches Anderssein vergessen. Sosehr wir Gottes Liebe nicht rein abstrakt aussagen können, sondern auf Analogien und Vergleiche aus der zwischenmenschlichen Erfahrung angewiesen sind, sosehr gilt: Gott ist nicht Mensch; und als Menschen können wir Gott von uns aus nie umfänglich verstehen und angemessen zum Ausdruck bringen. Unsere Gottesbilder und Gottesbegriffe sind grundsätzlich zu unterscheiden von Gott selbst. Gott steht über allen unseren Vorstellungen von ihm und geht niemals in ihnen auf.

Damit sind wir bei aller Seelsorge und Verkündigung, in allem theologischen Denken und persönlichen Glauben vor eine enorme Aufgabe gestellt: Wie sollen wir das Unbeschreibliche beschreiben und das Unbegreifliche auf den Begriff bringen? Wie können wir das Unsichtbare vor Augen stellen, und womit sollen wir das Unvergleichliche vergleichen? Angesichts dieser Herausforderung müssen wir sicherlich eingestehen, dass wir oft viel zu naiv und vielleicht auch viel zu profan von Gott geredet haben. Haben wir nicht häufig in unserem Denken und Reden den grundsätzlichen Unterschied zwischen unserer Vorstellung von Gott und Gott selbst vernachlässigt und unsere eigenen Gottesbilder mit Gott identifiziert? Meinten wir nicht gelegentlich, Gott bereits genau zu kennen und über ihn »im Bilde« zu sein? Es ist bekanntlich schon für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen verhängnisvoll, wenn wir meinen, unsere Gegenüber genau zu kennen und sie auf unser Bild und unsere Vorstellung von ihnen festlegen zu können. Hier aber reden wir nicht nur von dem Geheimnis einer menschlichen Person, sondern von dem Geheimnis der Person des ewigen Gottes, der als Schöpfer und Erlöser von allen Geschöpfen ganz grundsätzlich zu unterscheiden ist. So erweist es sich als notwendig, dass wir unsere eigene Gottesvorstellung immer wieder aufs Neue prüfen und korrigieren lassen, dass wir nach Gott selbst jenseits unserer Bilder und Vorstellungen fragen.

Gerade bei unserem Bekenntnis zu »Gott als Vater« ergibt sich diese Herausforderung also sowohl aus grundsätzlichen wie auch aus konkret inhaltlichen Gründen. Denn sogar unsere sogenannten »christlichen« Anschauungen über Gott sind häufig viel stärker durch negative menschliche Erfahrungen und Traditionen bestimmt als durch Christus selbst. Weil wir zutiefst geprägt sind durch die Beziehungen und Begegnungen unserer Kindheit, trägt auch unser Bild von Gott als Vater allzu leicht die Züge unserer menschlichen Väter. Falls uns durch deren Zuwendung vor allem Geborgenheit, Zuversicht und Selbstwertgefühl vermittelt worden sind, kann uns das Erleben dieser menschlichen Zuneigung durchaus dazu verhelfen, dass wir die zentralen Inhalte des Glaubens besser verstehen und leichter nachvollziehen können. Unsere konkrete Erfahrung menschlicher Liebe, die zwar unvollkommen, aber »sichtbar« ist, wird dabei zum Bild und Gleichnis für die Liebe Gottes, die zwar »unsichtbar«, aber vollkommen ist.

Wenn wir hingegen unsere Väter vorrangig als bedrohend, einschränkend und ablehnend erlebt haben, wird die unwillkürliche und unbewusste Verknüpfung unserer Vorstellungen und Empfindungen verheerende Folgen haben. Idealerweise können wir unsere menschlichen Beziehungen vom Glauben her neu gestalten und negative Erfahrungen mit menschlichen Autoritäten im Bewusstsein der Zuwendung Gottes allmählich bewältigen. Wenn wir aber bei leidvollen Erfahrungen nicht zwischen dem Vater Jesu Christi und den menschlichen Vätern klar zu unterscheiden lernen, werden wir aufgrund unserer Prägung alle Aussagen über Gott unserem eigenen Gottesbild entsprechend umdeuten und verdrehen.

Dann aber führt für uns kein Weg daran vorbei, uns ganz bewusst mit den verinnerlichten Botschaften und Forderungen...

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