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Der Landrat im Spannungsverhältnis zwischen der Leitung der Aufsichtsbehörde und seiner möglichen Wiederwahl

AutorHeinrich Philippe Waldmann
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl132 Seiten
ISBN9783752864601
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
In dieser Bachelorarbeit wendet sich der Verfasser den baden-württembergischen Landräten zu. Sie und das jeweils von ihnen geführte Landratsamt sind auch mit der Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden betraut. Einen großen Einfluss auf die Landkreisverwaltung und deren Leiter hat unter anderem durch die mittelbare Wahl des Landrats auch der Kreistag. Durchschnittlich ist in Baden-Württemberg jeder dritte Kreisrat ein Bürgermeister. Der Landrat stellt sich folglich zum Teil den Kreisräten zur Wahl, die von der unter seiner Verantwortung stehenden Aufsichtsbehörde kontrolliert werden. Insbesondere bei einem seine Wiederwahl anstrebenden Landrat besteht die Gefahr eines Interessenkonflikts: Die Aufsichtstätigkeit könnte seinen Rückhalt bei den Bürgermeister gefährden und ihn zu einer nachsichtigeren Amtsführung bewegen. Bei seiner Arbeit untersucht der Verfasser nach Nennung rechtlicher Grundlagen die Existenz von Interessenkonflikten des Landrats. Er stellt das von der Verfassung ermöglichte Instrument der Unvereinbarkeit von Bürgermeisteramt mit Kreisratsmandat sowie die in Deutschland mehrheitlich praktizierte Volkswahl der Landräte vor. Nach einem Blick auf andere Kommunalverfassungen werden einige Reformvorschläge auf ihre Eignung für die Verhinderung der aufgeworfenen Interessenkonflikte untersucht. Nach einer Beschreibung des aktuellen politischen Zustandes und einem Ausblick auf zur Debatte stehende zukünftige Entwicklungen präsentiert der Verfasser das Ergebnis seiner persönlichen Abwägung und die von ihm favorisierten Reformvorschläge.

Heinrich Philippe Waldmann absolvierte von 2013 bis 2016 sein Studium "Bachelor of Arts - Public Management" an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl.

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Leseprobe

2. INTERESSENKONFLIKTE DES
LANDRATS UND DER KREISRÄTE


3.1 Gesetzlich geregelte Fälle


3.1.1 Ineligibilität


Nicht in den Kreistag wählbar ist gem. § 23 Abs. 2 LKrO, wer nach § 10 Abs. 4 LKrO durch einen deutschen Richterspruch oder eine bestellte Betreuung vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen ist oder wem ein deutsches Gericht nach § 45 Abs. 1 und 2 StGB die Wählbarkeit oder die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, aberkannt hat.49 Bürgermeister und auch Bedienstete des Landkreises sind in den Kreistag wählbar, da sie nicht zu diesem Personenkreis zählen.

3.1.2 Inkompatibilität


Der § 24 LKrO enthält Hinderungsgründe, die eine Unvereinbarkeit der bisherigen Tätigkeit mit dem Kreistagsmandat bestimmen. Ein Kreisrat kann somit nicht sein, wer zugleich ein Bediensteter des Landkreises, eines mit diesem verbundenen Nachbarschafts- oder Zweckverbandes oder einer vom Landkreis verwalteten öffentlich-rechtlichen Stiftung ist. Dies betrifft auch Bedienstete in leitender Position eines vom Landkreis mehrheitlich beherrschten Unternehmens, Bedienstete der für den Landkreis zuständigen Rechtsaufsicht und leitende Beamte und Arbeitnehmer der Gemeindeprüfungsanstalt. Wer von der Inkompatibilitätsregelung betroffen ist, kann für den Kreistag kandidieren, sein Mandat aber erst nach Ausräumung des Hinderungsgrundes (i.d.R. durch eine Umsetzung oder durch Verlassen des Arbeitgebers bzw. des Dienstherren) annehmen.50

Bürgermeister sind in Baden-Württemberg von dieser Hinderungsvorschrift nicht betroffen.

3.1.3 Befangenheit


Die Befangenheitsvorschriften des § 14 LKrO wurden „im Interesse der Unparteilichkeit und Sauberkeit der Landkreisverwaltung erlassen“.51 Sie sollen Interessenkollisionen und somit „Vetternwirtschaft“ und weitere, für den Landkreis nachteilige Entscheidungen vermeiden und sind nach Ansicht des Verfassers ein elementares Element für die Akzeptanz von Entscheidungen kommunaler Gremien. Bei Vorliegen der aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen dürfen Kreisräte, sachkundige Einwohner, der Landrat (über § 37 Abs. 5) sowie der Erste Landesbeamte (über § 42 Abs. 5 LKrO) an der Diskussion des Kreistags bzw. des Ausschusses weder teilnehmen noch abstimmen.52

Befangen sind die genannten Personen insbesondere, wenn ihnen, ihren engen Verwandten oder von ihnen vertretenen Personen aufgrund der zu treffenden Entscheidung ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil entstehen kann. Eine zwischen der Entscheidung des Kreistags und ihrer Auswirkung auf die betroffene Person liegende, objektiv ungewisse Stufe führt allerdings zu einer Mittelbarkeit des Vor- oder Nachteils. Da die Bürgermeister aufgrund von § 42 Abs. 1 Satz 2 GemO Vertreter ihrer Gemeinde sind, fallen sie als Kreisräte grundsätzlich unter den Befangenheitstatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 4 LKrO.

Als hauptamtliche Beamte auf Zeit verbindet sie mit ihrer Gemeinde aufgrund ihrer Besoldung außerdem eine ausgeprägte wirtschaftliche Abhängigkeit,53 sodass nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 LKrO ebenfalls von Befangenheit auszugehen wäre.

Bei rein fiskalischen Angelegenheiten wie beispielsweise einem Grundstücksverkauf an den Landkreis ist dies auch der Fall.54 Allerdings verhindert der Gesetzgeber ein Mitwirkungsverbot bei einigen konkreten Konstellationen durch die in Absatz 3 genannten Ausnahmetatbestände:

§ 14 Abs. 3 Satz 1 LKrO verneint eine Befangenheit, wenn die Entscheidung die „gemeinsamen Interessen einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe berührt“. Faiß sieht hier schon die Thematik der Kreisumlage angesprochen. In diesem Falle liege das „kollektive Interesse“ vor, bei der Festlegung des Kreisumlagesatzes durch den Kreistag seien Bürgermeister oder Gemeindebedienstete nicht befangen.55 Trumpp/Prokop kommen zum selben Ergebnis, sehen im konkreten Fall der Kreisumlage aber den § 14 Abs. 3 Satz 3 HS 2 LKrO als einschlägig. Danach kommt bei „Verpflichtungen der kreisangehörigen Gemeinden […], die sich aus der Zugehörigkeit zum Landkreis ergeben und nach gleichen Grundsätzen […] festgesetzt werden“, der eigentlich gegebene Befangenheitstatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 4 LKrO nicht zur Anwendung.56 Mit Rücksicht auf den Grundsatz des lex specialis derogat legi generali57 schließt sich der Verfasser Trumpp/Prokop an.

Bei einer die Gemeinde betreffenden, nicht rein fiskalischen Entscheidung im Zuge der Aufgabenwahrnehmung des Landkreises (beispielsweise dem Verlauf einer Kreisstraße, vgl. § 43 Abs. 2 StrG oder der Errichtung einer Abfallbeseitigungsanlage, vgl. § 6 Abs. 1 LAbfG) steht einer Mitwirkung von Bürgermeistern im Kreistag nichts entgegen.58

3.2 Konstellationen ohne eine
gesetzliche Regelung


3.2.1 Die Macht von Bürgermeistern im
Kreistag


3.2.1.1 Anteil von Bürgermeistern in den Kreistagen

Seit der am 25.05.2014 parallel zu der Europawahl stattfindenden Kommunalwahl59 sind 670 von insgesamt 2.228 Kreisräten kommunale Wahlbeamte. Dies entspricht einem Anteil von 30,1%. Knapp 57 % aller baden-württembergischen (Ober-) Bürgermeister sind Kreisräte. 558 (25,04%) unterstehen als Bürgermeister kreisangehöriger Gemeinden der Rechtsaufsicht des Landratsamtes. Die CDU stellt mehr als die Hälfte aller Bürgermeister in den baden-württembergischen Kreistagen, vonseiten der Freien Wähler60 kommen weitere 37,61% hinzu.61

Eigene Auswertungen ergaben, dass 36 % der Fraktionsvorsitzenden in den baden-württembergischen Kreistagen Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Beigeordnete sind. In der CDU liegt diese Quote bei 54%, innerhalb der Freien Wählern sogar bei 74%. Vonseiten der SPD sind knapp 29% der Fraktionsvorsitzenden Bürgermeister, bei den Grünen haben sich lediglich 3 Bürgermeister in diese Position wählen lassen.62 Gegenüber der zehn Jahre zurückliegenden Untersuchung von Zerr63 ergibt sich ein wesentlicher Unterschied bei der CDU: Seither hat sich in dieser Fraktion die Anzahl der Bürgermeister, die gleichzeitig den Fraktionsvorsitz innehaben, von 29 auf aktuell – immer noch beachtliche – 19 reduziert.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die in Baden-Württemberg stärksten Fraktionen der Kreistage, die CDU und die Freien Wähler, einen überproportionalen Anteil an kommunalen Wahlbeamten aufweisen. Auch werden insbesondere dort Bürgermeister als Fraktionsvorsitzende gewählt.

3.2.1.2 Einflussmöglichkeiten

Doch wie stark können die kommunalen Wahlbeamten Einfluss auf Entscheidungen des Landrats und des Kreistags nehmen? Stehen die Kreistage faktisch unter ihrer Kontrolle, wie der Verein Mehr Demokratie warnt?64 Den Grad ihres Einflusses genau zu ermitteln oder gar seine Anwendungen zu protokollieren, dürfte kaum realisierbar sein.65 Die Nennung und Einordnung von Beispielfällen kann allerdings aufzeigen, in welchen Fällen eine problematische Einflussnahme praktiziert worden ist. Um Erfahrungen aus der Praxis verarbeiten zu können, führte der Verfasser Interviews mit einem Landrat a. D., einem Bürgermeister a. D., einem Bürgermeister und zwei Kreisräten.

Außerdem wurden die Dissertationen von Zerr und Fuchs herangezogen, die sich ebenfalls vollständig oder exkursweise den Bürgermeistern im Kreistag widmen.

Kritiker der Mitgliedschaft von Bürgermeistern in Kreistagen sprechen regelmäßig von „Bürgermeisterfraktionen“.66 Gemeint ist damit ein Zusammenwirken von Bürgermeistern über die Fraktionsgrenzen hinweg. Die Möglichkeiten wären angesichts der soeben aufgezeigten Zusammensetzungen der Kreistage durchaus beachtlich, wenn auch Bürgermeister in keinem Kreis die absolute Mehrheit stellen. Die Existenz einer „Bürgermeisterfraktion“ wird nicht immer zu beweisen sein, oft bleiben subjektive und unterschiedlich interpretierbare Eindrücke. So verwundert es nicht, dass der Verfasser bei seinen Gesprächen auf unterschiedliche Ansichten stieß: Ein Kreisrat sah die Bürgermeister als die „auf der informellen Seite […] stärkste Fraktion im Kreistag“, ein anderer erkannte dagegen keine Anzeichen für das Wirken einer „Bürgermeisterfraktion“ und beurteilte das Verhältnis zu den anderen Kreisräten als sehr kollegial. Zerr konnte in seiner empirischen Studie keine „Bürgermeisterfraktion“ im Allgemeinen nachweisen, durchaus allerdings bei für alle Gemeinden bedeutsamen Entscheidungen wie „Aufgaben- oder Ressourcenverlagerungen“.67

Einen Bürgermeister in der Position des Fraktionsvorsitzenden kann dieser Einfluss nochmals stärken. Da die Fraktionsvorsitzenden (der „Ältestenrat“)...

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