1 Einleitung
Mit der demografischen Entwicklung werden Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung beschrieben, die u. a. durch die Sterblichkeit, die Geburtenrate sowie die Zu- und Abwanderung beeinflusst werden. In vielen westlichen Industrienationen aber auch in asiatischen Staaten wie China, Japan oder Südkorea haben die demografischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten zu einer Überalterung der Gesellschaft geführt. Damit einhergehend verändert sich auch die Struktur der Erwerbsbevölkerung: Sie altert und dies in den nächsten Jahren verstärkt, da die Babyboomer-Generation in die späte Erwerbsphase eintritt und es gleichzeitig zu wenig jungen Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt gibt ( Infobox 1).
Entsprechend zählt der demografischen Wandel neben der Digitalisierung, Flexibilisierung und Globalisierung der Arbeit zu den Megatrends, denen sich Wirtschaft, Politik und Gesellschaft stellen müssen (Zukunftsinstitut, 2015). Denn der demografische Wandel lässt sich nicht kurz- oder mittelfristig aufhalten oder umkehren wie dies beispielsweise bei konjunkturellen Schwankungen durch staatlich regulierende Eingriffe möglich ist. Vielmehr handelt es sich bei der Überalterung von Gesellschaft und Erwerbsbevölkerung um relativ stabile und damit auch vorhersehbare Entwicklungen.
Der demografische Wandel stellt viele Unternehmen bereits jetzt vor große Herausforderungen, die sich in den nächsten Jahren verschärfen werden: Unausgewogene Altersstrukturen, ein Mangel an qualifizierten Fachkräften, nicht besetzte Lehrstellen, eine Zunahme der Rekrutierungskosten, erhöhte Fluktuationsraten als Folge knapper Arbeitsmärkte sowie der Verlust von Know-how und Erfahrungswissen von älteren Beschäftigten, die in sehr großer Anzahl in den Ruhestand gehen (werden).
Von diesen Entwicklungen ist das Personalmanagement in vielen Unternehmen in großem Maße betroffen. So findet sich in der internationalen Studie der Boston Consulting Group (2014/15, S. 5) das Thema Demografiemanagement unter denjenigen Themen, denen eine sehr hohe Bedeutung beigemessen wird. Gleichzeitig werden jedoch die Fähigkeiten des Unternehmens bzw. des Personalmanagements, diese Herausforderung zu bewältigen als eher gering eingeschätzt. Aber auch in der Priorisierung anderer Personalthemen zeigen sich die Herausforderungen des demografischen Wandels. Hierzu gehört beispielsweise der bereits seit einigen Jahren sehr hohe Stellenwert des Talentmanagements sowie die Priorisierung von Maßnahmen rund um das Thema Rekrutierung einschließlich dem Employer Brand sowie der Erschließung von Potenzialen des Arbeitsmarkts 65plus. Diese Gewichtung verweist auf einen der wesentlichen Treiber, das Thema Demografiemanagement in den Unternehmen auf den Radar zu nehmen: den Fachkräftemangel in vielen Branchen und Berufen. Das Personalmanagement ist hier gefordert, die Personalressourcen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht sicherzustellen, welche nötig sind, um die Geschäftsziele zu erreichen oder den Leistungsauftrag einer öffentlichen Verwaltung erfüllen zu können. Darüber hinaus erwachsen auch aus der demografischen Entwicklung der Kundenmärkte neue Herausforderungen für das Personalmanagement, beispielsweise im Rahmen der Qualifizierung des Personals für eine zunehmend älter werdende Kundschaft.
Allerdings wäre es verkürzt, das Thema des demografischen Wandels auf den Fachkräftemangel sowie die älteren Beschäftigten zu reduzieren. Zum einen stehen sehr viele Beschäftigte aus der Babyboomer-Generation, die in weniger qualifizierten Jobs tätig sind, in absehbarer Zeit vor dem Renteneintritt und dies häufig vorzeitig beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen. Andererseits sind aus Perspektive der Rekrutierung und Mitarbeitendenbindungen alle Generationen sowohl Frauen als auch Männer, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu berücksichtigen, um den Personalbedarf auch künftig decken zu können.
Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, das Personalmanagement in einem Unternehmen demografiegerecht zu gestalten. Konkret bedeutet dies, vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen im Unternehmen sowie auf den für das Unternehmen relevanten Arbeits- und Kundenmärkten personalstrategische Ziele abzuleiten sowie entsprechende Instrumente und Maßnahmen zu entwickeln und zu implementieren, um den quantitativen und qualitativen Personalbedarf zur Erreichung der Geschäftsziele auch künftig sicherstellen zu können.
Welche Schwerpunkte im Rahmen einer demografiegerechten Gestaltung des Personalmanagements gesetzt werden, hängt maßgeblich von den Unternehmenszielen, der Branche und Größe eines Unternehmens ab. Je nach Ausgangslage eines Unternehmens können sehr unterschiedliche Prozessfunktionen des Personalmanagements betroffen sein: Vom Personalmarketing und der Rekrutierung, über das Retentionmanagement, das Talentmanagement und die Nachfolgeplanung, über die Personalentwicklung bis hin zum Personalaustritt und dem Wissensmanagement.
Leider muss konstatiert werden, dass dem Demografiemanagement immer noch zu wenig Aufmerksamkeit in vielen Unternehmen gewidmet wird (vgl. Schirmer, 2016; Swoboda & Zölch, 2015) und dies obwohl die Zahlen zur demografischen Entwicklung eine andere Sprache sprechen.
Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage ist der vorliegende Band entstanden. Er zielt darauf ab, der interessierten Leserin, dem interessierten Leser einen fundierten Überblick sowohl über aktuelle Forschungsergebnisse als auch über die praktischen Ansätze eines demografiegerechten Personalmanagements zu geben. Hierbei leiten uns unsere vielfältigen Erfahrungen in anwendungsorientierten Forschungsprojekten und im Rahmen von Beratungsmandaten sowie folgende grundlegenden Gedanken zu einer demografiegerechten Gestaltung des Personalmanagements (vgl. Mücke & Zölch, 2015, S. 21 ff.).
Auch wenn den älteren Mitarbeitenden – schon alleine aufgrund ihrer zunehmenden Anzahl – ein großer Stellenwert zukommt, ist der demografischen Wandel nicht nur das Thema dieser Altersgruppe, sondern aller Altersgruppen bzw. Generationen im Unternehmen. Adressiert das Personalmanagement nur eine bestimmte Altersgruppe kann dies als ausgrenzend und stigmatisierend erlebt werden. Ein demografiegerechtes Personalmanagement berücksichtigt daher alle Altersgruppen, Lebensphasen oder Generationen im Unternehmen.
Es geht nicht nur um das Alter als absolute Zahl oder um die Zughörigkeit zu einer Altersgruppe oder Generation, sondern um den Prozess des Älterwerdens. Das Personalmanagement demografiegerecht zu gestalten, bedeutet daher auch den Prozess des Älterwerdens im Unternehmen zu betrachten. Denn die Prozessperspektive ermöglicht Ansatzpunkte für präventive Maßnahmen beispielsweise im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements oder einer lebenszyklusorientierten Personalentwicklung zu finden. Ein demografieorientiertes Personalmanagement möchte eine mögliche Altersproblematik durch proaktives Handeln vermeiden.
Das Alter ist für sich alleine genommen ein wenig aussagekräftiges Merkmal. Oftmals sind die Unterschiede innerhalb einer Altersgruppe sogar größer als die zwischen unterschiedlichen Altersgruppen. Weitere Merkmale wie das Qualifikationsniveau, Lebenssituation oder die Langjährigkeit mit der eine Tätigkeit ausgeübt wird, entscheiden wesentlich darüber, wie gesund und leistungsfähig eine Person beim Älterwerden bleibt. Das Personalmanagement demografiegerecht zu gestalten, bedeutet daher individuelle Lösungen für die einzelnen Mitarbeitenden zu finden und vorhandene Maßnahmen entsprechend anzupassen. Hierbei sind vor allem die Führungskräfte gefordert, die es zu sensibilisieren gilt.
Das Personalmanagement demografieorientiert zu gestalten bedeutet zudem, Diversität zu fördern. Es ist davon auszugehen, dass der Fachkräftemangel neben einer Förderung der Erwerbsbeteiligung Älterer nach wie vor auch durch verstärkte Migration sowie durch eine erhöhte Erwerbstätigkeit der Frauen ausgeglichen werden muss. Dies bedeutet Mitarbeitende mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund zu integrieren, Arbeitsbedingungen anzubieten, die es Frauen und Männern ermöglicht Familie und Erwerbsleben zu vereinbaren sowie vielfältiger zusammengesetzte Teams zu führen.
Und letztlich ist es wichtig, den demografischen Wandel auch als Chance für ein Unternehmen und das Personalmanagement zu sehen und es nicht rein problem- und defizitorientiert zu betrachten. Er ist nicht nur Damoklesschwert, sondern auch Treiber von Innovationen. Er kann neue Marktchancen eröffnen, dem Personalmanagement...