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Echsenhaut

Missbrauch, Mobbing, Alkohol und der befreiende Weg zu meinem inneren Frieden

AutorGabriele Maria Simondes
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783752801699
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
In dieser Autobiografie beschreibt die Autorin, wie der sexuelle und der emotionale Missbrauch in ihrer Kindheit ihr gesamtes späteres Leben beeinflussten. Detailliert schildert sie die psychischen Folgen ihrer Kindheitsprobleme und zeigt auf, wie ihre mangelhafte psychische Ausrüstung sie in ihrem späteren Leben immer wieder vor neue Probleme stellte. Sie erzählt von ihrem Weg in die Alkoholsucht und veranschaulicht, wie sie aus dem Teufelskreis Sucht wieder aussteigen konnte. Dabei geht es auch um die Themen Opferverhalten, erlernte Hilflosigkeit, Angst vor Nähe, Stalking, Schönheitsoperation, Psychotherapie, therapeutisches Malen, Selbsthilfegruppen und Spiritualität. Die Autorin schildert ihren persönlichen Weg zu einem Leben in innerem Frieden und in seelischer Fülle.

Die Autorin schreibt seit einigen Jahren Kurzprosa unter dem Pseudonym Gabriele Maria Simondes. Nach einer kaufmännischen Lehre und Abitur auf dem zweiten Bildungsweg schloss sie ihr Studium an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Konstanz mit Diplom ab.

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Leseprobe

Seelenmechanismen:
Die guten ins Bewusstseinstöpfchen,
die argen in das Wartezöpfchen.
Verdrängung und Synthese


Ich liege im Gras. Die Sonne ist weg, alles ist plötzlich nur noch grau und vibrierend vor Panik, die weiß, was jetzt wieder kommt. In mir zieht sich alles zusammen. Wie ein Gewitter erschüttert es schon im Vorhinein meinen kleinen Körper.

Der Tollwütige wie aufgepeitscht, als würde er einen Kriegstanz vollführen, emsige Aufgeregtheit bestimmt seine Begeisterung.

Ich muss würgen, fast erbrechen. Liege schon auf dem Rücken, festgehalten von eisernen Klauen. Graue Schwere in meinen Gliedern – wie tot. Ich schreie vor panischer Angst. Nein – nein. Nein!!! Es hilft nichts.

Mein ist Kopf ist schon zur Seite gedreht, hilflose Totenschwere senkt sich in meine Glieder. Panik lässt mein Herz pochen fast bis zum zerspringen meines Körpers.

Würgen im Hals und würgen im Bauch, als dieser stechende Schmerz in meinen Körper zuckt. Es ist ein Schmerz, als müsse meine Wirbelsäule jeden Moment explodieren und mein Kopf damit. Meine Hüften brechen gleich ab, so heftig drückt das. Ich möchte in den Himmel schreien und bin gleichzeitig tonlos.

Erbrochenes sprudelt aus meinem Mund, ich muss würgen, husten. Ich muss doch atmen!

Aber Gnade gibt es nicht. Rein! Rein! Rein! Der Seelenfresser befehligt sein Heer.

Und die Pein nimmt kein Ende. So etwas wie Scham hat keinen Platz mehr. Ich will nur leben. Bitte bring mich nicht um!

Rein! Rein! Rein! Als gäbe es kein anderes Credo auf diesem Globus. Alles pocht, sind Schmerzen, schlägt von innen durch meinen gesamten Körper an die Haut. Tausende von Ameisen scheinen durch meinen Körper zu laufen. Jede Bewegung schickt Funken wie Feuernadeln bis in die Spitzen meiner kleinen Finger. Es sticht über meinen Kopf hinaus bis in den Himmel. Heiße Tränen laufen über mein Gesicht. Ich schreie. Und schaue zur Seite.

Als er fertig ist und sich die Hose zuknöpfend davon macht, hängt ihm ein verzerrter Mundwinkel nach unten. Für mich gibt es nur angewiderte Seitenblicke. Was da an Schuldbewusstsein aufkeimen mag, wird schnell beiseite gewischt. „Ich bin der Gerechte!“

Mein Hals will sich umstülpen und nach draußen erbrechen. Mein Bauch würgt und würgt. Ich liege allein in der Wiese, Erbrochenes sprudelt immer wieder aus meinem Mund.

Ich habe die Augen zu und liege nur noch. Mein Körper ist still geworden. Ich will ihn nicht mehr spüren müssen. Nicht mehr diese Pein. Es ist grau und kalt. Niemand ist da. Kein Papi, keine Mami, keine Tante, kein Geschwisterchen. Nicht ein einziges Paar warmer Arme, das mich festhält und tröstet. Dieser endlosen kalten Weite endlich Wärme entgegensetzt.

Ich will es nicht mehr spüren müssen.

Wäre ich doch tot. Doch diese Gnade wird mir nicht zuteil. Nur ärgerlich schimpfende Worte einer Mutter, die aufgebracht ist, weil ich auf ihr Rufen hin nicht schnell genug gekommen bin. Ich muss würgen.

Ich will es nicht mehr spüren müssen.

* * *

Panik und Grauen prägten mein kindliches Seelenleben viele Jahre lang. Jahre, in denen ich längst keine bewussten Erinnerungen mehr hatte an diese Gewalttaten. Wie gesagt, keine bewussten.

Schmerzen, die wie Blitze durch meinen kleinen Körper zucken, bis zum Gefühl des gleich explodieren Müssens. Sie erfüllten mein Hier und Jetzt mit Verzweiflung und Grauen. Eineinhalb Minuten, drei Minuten oder so lange, wie es halt dauert, bis ein Kinderficker seine perverse Gier abgespritzt hat in einen Menschen, der x Mal kleiner ist als er selbst. So lange hat sich mein Gesicht auf verschiedenste Weisen verzogen, haben sich meine Muskeln, meine Sehnen, meine Gelenke und meine Haut gedehnt vor Schreien, vor Schmerzen und vor Entsetzen. Nicht nur einmal.

In dieser Zeit meiner Kindheit, in der ich andere Menschen schöner und besser fand als mich selbst, in dieser Zeit, als ich mein eigenes Gesicht als verkrumpelt und als verbraucht empfand, in dieser Zeit waren die bewussten Erinnerungen an die Gewalttaten längst in den Tiefen meiner Seele gebunkert und vergraben.

* * *

In meinen Alpträumen, die laut Therapeut auf Vergewaltigungen schließen ließen, kamen wiederholt auch Windeln vor. In einem der Träume taten mir meine Beine extrem weh. Es war, als wären sie gebrochen worden. In diesem Traum trage ich eine Nabelbinde. Irgendwann – in einem anderen Zusammenhang, denn über den Missbrauch war ja nicht mit ihr zu sprechen – hat meine Mutter mir erzählt, dass ich im Alter von zwei Wochen angefangen hatte, schwere Probleme zu zeigen und die Nahrung zu verweigern. Spätere Gespräche mit anderen Verwandten über meine Kindheit waren mühselig und nicht immer einfach.

Ich war bereits über dreißig, als ich im Rahmen einer Psychotherapie, die ich wegen der Angstzustände machte, von meinem damaligen Therapeuten darauf hingewiesen wurde, dass meine Symptomatik den Verdacht auf sexuellen Missbrauch in der Kindheit nahelegt. Das war der Beginn des Bewusstwerdungs-Prozesses, in dessen Verlauf die in meinen Seelentiefen vergrabenen Erinnerungen Stück für Stück ans Tageslicht kamen. Zu dieser Zeit hatte ich keinerlei bewusste Erinnerungen an das Geschehen. Der Gedanke, dass dieses Thema auch mich selbst betreffen könnte, war für mich neu.

Es ist wohl so, dass meine Psyche diese Ereignisse von meinem Bewusstsein fern gehalten hat, um mir trotz der massiven Belastungen ein fruchtbares Aufwachsen und Entwickeln zu ermöglichen. Ein Leben lang wollte meine Seele aber die dunklen Lasten auch nicht mitschleppen. Diese Lasten entwickelten ein Eigenleben, bewirkten Ängste, Vermeidungsverhalten, Schreckhaftigkeit und Weiteres, das ursächlich mit der Gewalterfahrung zusammenhängt. Diese Stapel in der Tiefe der Seele wollten Teil für Teil hochgenommen, angeschaut und „sachgerecht entsorgt“ werden.

Die Betroffenen in Erfahrungsberichten, die ich zu diesem Thema gelesen und gehört habe, waren auch häufig bereits über dreißig, als sich das Thema seinen Weg in deren Bewusstsein bahnte. Daher denke ich mir, dass die Seele erst dann stark genug und bereit ist, Einen mit diesen Belastungen zu konfrontieren, wenn sich die Ablösung vom Elternhaus vollzogen und sich eine halbwegs tragfähige emotionale Unabhängigkeit manifestiert hat. Die Seele verliert – fühlt sie sich erst sicher genug – dann keine Zeit mehr, sondern spült die Inhalte zügig nach oben.

Mir selbst darüber klar zu werden, was in meiner Kindheit geschehen sein muss, mich Angstträumen, wieder aufkeimenden schmerzbeladenen Erinnerungen zu stellen, war eine Sache. Eine andere ist die Tabuisierung dieses Themenbereiches. Glücklicherweise ist diese Tabuisierung inzwischen etwas geringer geworden, so dass ich wenigstens als Erwachsene Hilfe bekommen konnte.

Es war nicht einfach, mit dem Bewusstsein dieser Schrecknisse dazustehen und mich außerstande zu fühlen, die Ursachen meiner mannigfaltigen Probleme zu kommunizieren, geschweige denn, so etwas wie Vergeltung zu bekommen.

Da und dort erwähnte ich den Missbrauch ja doch, irgendwie ohne Herzblut, um mich zu schützen vor Reaktionen wie „das bildest Du Dir nur ein“, die ich leider nicht selten erleben musste.

Dass ich letztlich keine Beweise für den Missbrauch anführen konnte, belastete mich. Tritt mir einer sachte auf den Fuß, bekomme ich mehr Trost und Würdigung, als wenn man mir im Kindesalter die Seele aus dem Leib fickt.

In meiner Jugend sagte mal ein Gynäkologe bezüglich meiner Beschwerden etwas über die Narben an meinem Unterleib. Als ich ihn fragte, was für Narben das denn seien, ist er zurück gerudert und hat abgewinkt, „ach nur vom Jungfernhäutchen“.

Diverse Jahre später fragte ich eine Gynäkologin nach den Narben an meinem Unterleib. Die Ärztin untersuchte mich darauf hin in ganz normalem Alltagsgebaren. Nach der Untersuchung fing sie aber hektisch an: „Was wollen Sie, wir alle haben Narben, überall am Körper“. Sie tippte mit ihrer Hand da und dort hin auf ihren Armen, um das „überall“ zu demonstrieren. Und das war es dann auch. Mir genaueres über den Zustand meiner Unterleibsorgane mitzuteilen, dazu war sie nicht bereit, auch nach wiederholten Nachfragen nicht.

Therapeutische Unterstützung, ja. Chance, den Schrecken als Tatsache darzulegen, nein. So in etwa kann ich meine Erfahrungen zusammenfassen.

Allerdings wurden die Unterleibs-Themen in den Therapien ignoriert. Wenn ich jetzt im Alter fast 60 Jahren, Single, ledig und kinderlos geblieben, zurückblicke auf meine diversen Beziehungsversuche, sehe ich, dass es nie geklappt hat. Aus welchen Gründen auch immer. „Hingelangt“ wurde aber schon.

Ich hätte bereits in jungen Jahren therapeutische Unterstützung gebraucht im Umgang mit meinem eigenen „da unten“. Ich hätte sensibilisiert werden müssen dafür, dass das bei mir möglicherweise nicht wie von selbst funktioniert. Dass ich an solche Situationen besonders umsichtig herangehen...

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