2 Herz-Kreislauf-System
2.1 Übersicht
2.1.1 Blutkreislauf und Lymphgefäße
Der Blutumlauf vollzieht sich in einem geschlossenen Röhrensystem aus Blutgefäßen, in das als zentrale Pumpe das Herz eingebaut ist. Das Herz ist zweigeteilt in eine rechte und eine linke Herzhälfte. Jede Hälfte besteht aus Vorhof, Atrium, und Kammer, Ventriculus. Unabhängig vom Sauerstoffgehalt des Blutes werden als Schlagadern, Arterien, alle Gefäße bezeichnet, die vom Herzen wegführen, und als Blutadern, Venen, alle Gefäße, die zum Herzen hinführen. Die Organisation des menschlichen Blutkreislaufs hat einen hohen Differenzierungsgrad erreicht. Postnatal unterscheidet man den kleinen Kreislauf bzw. Lungenkreislauf und den großen Kreislauf bzw. Körperkreislauf. Im großen Kreislauf führen Arterien sauerstoffreiches und Venen sauerstoffarmes Blut. Funktionell sind Lungen- und Körperkreislauf hintereinandergeschaltet. Der postnatale Blutkreislauf des Menschen wird schematisiert als Achtertour dargestellt, in deren Kreuzung als Saug- und Druckpumpe das Herz liegt (A). Die treibende Kraft für den Blutumlauf ist der arterielle Blutdruck (Formel: arterieller Blutdruck = Herzminutenvolumen × peripherer Gefäßwiderstand).
2.1.1.1 Lungenkreislauf
Das sauerstoffarme Blut aus dem Körperkreislauf gelangt aus dem rechten Vorhof (A1) in die rechte Kammer (A2) des Herzens und von dort in den kleinen Kreislauf. Dieser beginnt mit dem Truncus pulmonalis (A3), der sich in eine rechte und linke Lungenarterie, Aa. pulmonales dextra (A4) et sinistra (A5), teilt. Innerhalb der Lungen (A6) teilen sich diese Gefäße parallel zur Aufzweigung der Luftwege bis zu den Kapillaren auf, die die Endabschnitte der Atemwege, die Alveolen, umgeben. Dort wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und Kohlendioxid in die Luftwege abgegeben. Das oxygenierte Blut fließt über die Vv. pulmonales (A7) aus den Lungen in den linken Vorhof (A8).
2.1.1.2 Körperkreislauf
Das in der Lunge oxygenierte Blut gelangt aus dem linken Vorhof (A8) des Herzens in die linke Kammer (A9). Von hier aus wird es über die Aorta (A10) in den Körperkreislauf gepumpt, in dem es für Organe und Körperregionen zahlreiche Teilkreisläufe (A11–A14) gibt. Von der Aorta zweigen große Arterien zu den einzelnen Teilkreisläufen ab, wo sie sich mehrfach aufteilen und durch Verzweigung letztlich in Arteriolen übergehen. Diese münden in ein Netz aus Haargefäßen, Kapillaren. Hier findet der Austausch von Gasen und Stoffwechselprodukten statt. Im Kapillarnetz geht der arterielle Schenkel des Körperkreislaufes in den venösen Schenkel über, in dem das desoxygenierte Blut zunächst in Venulen geleitet wird, die sich herzwärts zu immer größeren Venen vereinigen. Das Venenblut der Beine und der unteren Rumpfhälfte wird der unteren Hohlvene, V. cava inferior (A15), dasjenige aus Kopf, Armen und oberer Rumpfhälfte der oberen Hohlvene, V. cava superior (A16), zugeführt. V. cava superior und V. cava inferior münden in den rechten Vorhof (A1).
Eine Sonderstellung im Körperkreislauf nimmt der Pfortaderkreislauf ein. Das venöse Blut aus den unpaaren Bauchorganen (Magen, Darm, Pankreas und Milz) gelangt nicht direkt in die V. cava inferior. Es enthält die im Darm resorbierten Substanzen und wird über die Pfortader, Vena portae (A17), in ein weiteres Kapillarbett geleitet, das innerhalb der Leber liegt. Nach Verstoffwechselung durch die Leber wird das Blut in den Vv. hepaticae (A18) gesammelt und in die V. cava inferior geleitet.
2.1.1.3 Lymphgefäßsystem
Im Nebenschluss des venösen Schenkels liegt im großen ▶ Kreislauf das Lymphgefäßsystem (grün). Es ist im Gegensatz zum Blutgefäßsystem ein blind beginnendes Abflusssystem, das Flüssigkeit aus dem extrazellulären Raum in der Peripherie über Lymphkapillaren (A19) aufnimmt, über größere Lymphgefäße und die Hauptlymphstämme, Ductus thoracicus (A20) und Ductus lymphaticus dexter, letztendlich der V. cava superior zuleitet. In die Lymphgefäße sind biologische Filter, Lymphknoten (A21), ▶ eingeschaltet, s. auch ▶ Lymphknoten Thorax und Abdomen und ▶ Lymphknoten.
Sauerstoffreiches Blut wird im klinischen Sprachgebrauch häufig als arteriell, sauerstoffarmes als venös bezeichnet.
A22 Cisterna chyli.
Abb. 2.1 Blutkreislauf und Lymphgefäße
2.1.2 Fetaler Kreislauf (A)
Im vorgeburtlichen Leben erhält der Fetus (ungeborene Frucht von der 9. Woche nach der Befruchtung bis zur Geburt) Sauerstoff und Nahrungsstoffe aus dem mütterlichen Blut, in das er seinerseits Kohlendioxid und Stoffwechselabbauprodukte abgibt. Verbindendes Stoffaustauschorgan zwischen Mutter und Fetus ist der Mutterkuchen, Plazenta (A1). Das sauerstoff- und nährstoffreiche Blut erreicht den Fetus aus der Plazenta über die Nabelvene, V. umbilicalis (A2), die zunächst in der Nabelschnur gelegen ist. Am Nabel, Umbilicus (A3), tritt die V. umbilicalis in die fetale Bauchhöhle ein und zieht zur viszeralen Fläche der Leber (A4), wo sie mit dem linken Ast der V. portae (A5) in Verbindung steht. Ein Teil des Blutes aus der V. umbilicalis gelangt daher in den Pfortaderkreislauf. Der größte Teil wird jedoch über einen Kurzschlussweg, Ductus venosus (A6), an der Leber vorbeigeführt und in die V. cava inferior (A7) geleitet. Das Blut aus dem Ductus venosus vermischt sich dabei mit dem sauerstoffarmen Blut aus der V. cava inferior und den Lebervenen (A8). Es bleibt wegen der relativ geringen Beimischung an sauerstoffarmem Blut noch gut oxygeniert und gelangt über die V. cava inferior in den rechten Vorhof (A9). Hier wird das Blut durch eine Klappe, Valvula venae cavae inferioris, in Richtung auf das Foramen ovale (A10) gelenkt, das in der Scheidewand zwischen rechtem und linkem Vorhof liegt und diese miteinander verbindet. Der größte Teil des Blutes gelangt somit in den linken Vorhof (A11), von dort in die linke Kammer (A12) und erreicht über die Äste des Arcus aortae (A13) Herz, Kopf und obere Extremitäten. Das aus Kopf und Armen des Fetus über die V. cava superior (A14) in den rechten Vorhof fließende sauerstoffarme Blut kreuzt den aus der V. cava inferior kommenden Blutstrom, gelangt in die rechte Kammer (A15) und von dort in den Truncus pulmonalis (A16). Nur ein kleiner Teil dieses Blutes gelangt über die Pulmonalarterien (A17) in die noch nicht belüfteten Lungen und von dort über die Pulmonalvenen (A18) zum linken Vorhof (A11). Der größte Teil des Blutes aus dem Truncus pulmonalis wird über einen Kurzschluss, der die Aufgabelung des Truncus pulmonalis oder die A. pulmonalis sinistra mit der Aorta verbindet, Ductus arteriosus (A19), direkt in die Aorta geleitet. Die nach der Einmündung des Ductus arteriosus abgehenden Aortenäste erhalten somit sauerstoffärmeres Blut als die vor der Einmündung gelegenen Äste für Kopf und obere Extremitäten. Eine beträchtliche Menge des Blutes aus der fetalen Aorta gelangt über die paarigen Aa. umbilicales (A20) zurück zur Plazenta.
2.1.3 Perinatale Kreislaufumstellung (B)
Mit der Geburt vollzieht sich die Umstellung des fetalen Kreislaufs zum postnatalen Kreislauf. Unter der Geburt werden mit dem ersten Schrei des Neugeborenen die Lungen entfaltet und belüftet, so dass der Widerstand im Lungenkreislauf abnimmt und eine zunehmende Menge Blut aus dem Truncus pulmonalis in die Lungenarterien fließt. Das Blut wird in den Lungen oxygeniert und über die Lungenvenen in den linken Vorhof geleitet. Der Rückstrom des Blutes aus den Lungen erhöht den Druck im linken Vorhof und führt zu einem mechanischen Verschluss des Foramen ovale, der durch das Aneinanderlegen der kulissenartigen Begrenzungen dieser Öffnung erfolgt. Aus dem Foramen ovale wird die meist...