DIE STERNE FOTOGRAFIEREN
Wer die Nacht unter einem sternenübersäten Himmel verbringt, hegt oft auch den Wunsch, das Erlebnis in Bildern festzuhalten. Tatsächlich zeigen Fotografien vom Sternenhimmel wesentlich mehr Sterne, als wir mit bloßem Auge wahrnehmen können, denn unser Gehirn muss eine Art „Livebild“ vom Sternenhimmel produzieren.
Die „Belichtungszeit“ des Auges beträgt im wahrsten Sinne des Wortes nur einen Augenblick. Eine Kamera hingegen kann Langzeitbelichtungen aufnehmen, die das Licht der Sterne mehrere Sekunden lang sammeln. Wenn man einige Grundregeln beachtet, können auf diese Weise eindrucksvolle Bilder entstehen.
TEURE TECHNIK?
Wichtigste Voraussetzung dafür ist eine Kamera, bei der sich die Belichtungszeit manuell einstellen lässt. Mittlerweile bieten auch einige Smartphones und Kompaktkameras die Möglichkeit, Belichtungszeiten von mehreren Sekunden vorzugeben. System- und Spiegelreflexkameras verfügen so gut wie immer über die Möglichkeit, die Belichtungszeit manuell auszuwählen.
Damit die Langzeitbelichtung nicht verwackelt, empfiehlt sich der Einsatz eines Stativs. Wenn dies ein normales Astronomiebuch wäre, würde an dieser Stelle empfohlen, ein möglichst solides Stativ anzuschaffen, das auch bei Windstärke 6 noch wackelfreie Bilder mit punktförmigen Sternen garantiert. Zum Glück ist dies aber kein normales Astronomiebuch, sondern ein Reiseführer: Die schönsten Standorte für die Himmelsbeobachtung und die schönsten Motive für die Fotografie finden sich meist abseits befahrbarer Straßen. Und wer schleppt auf einer Wanderung schon gerne mehrere Kilo Fotoausrüstung mit sich rum? Der Autor dieses Buches hat viele Hundert Astrofotos mit einem kleinen 80-€-Alustativ aufgenommen. Und wenn es wirklich mal stürmt, finden sich fast überall Steine, mit denen sich auch ein leichtes Stativ fest am Boden verankern lässt. Für Kompaktkameras und Smartphones reicht manchmal sogar ein kleines Gorilla-Stativ mit biegsamen Beinen.
Ein kritischer Ausrüstungsgegenstand ist das Objektiv. Der Sternenhimmel beeindruckt vor allem durch seine Weite und dementsprechend entstehen viele der astronomischen Landschaftsfotografien mit Weitwinkelobjektiven. Um möglichst viel Sternenlicht zu sammeln, sollte das Objektiv aber nicht nur weitwinklig, sondern auch lichtstark sein. Die Lichtstärke eines Objektivs wird durch die Blendenzahl angegeben – je kleiner, desto besser: Ein Objektiv mit einer Blendenzahl von 2,0 kann vier Mal so viel Licht sammeln wie ein Objektiv mit einer Blendenzahl von 4,0.
Dummerweise sind lichtstarke Weitwinkelobjektive schwer zu konstruieren und damit relativ teuer. Und wer ein solches Objektiv anschafft, ist von der Qualität der Sternabbildung oft enttäuscht: Hellere Sterne werden am Rande des Bildes stark verzerrt. Im Zweifelsfall sollte man daher lieber auf Lichtstärke verzichten und sich mit einer Blende von 2,8 oder 3,5 zufrieden geben. Denn was bringt einem ein schweres und teures Objektiv mit Blende 1,4, wenn man in der Praxis immer auf 2,8 abblenden muss, um ein vernünftiges Bild zu erhalten? Nutzer von Smartphones und Kompaktkameras kommen erst gar nicht in die Verlegenheit, teure Objektive anzuschaffen, da sie ohnehin auf die vorhandene Optik angewiesen sind.
Bei Windstille spiegeln sich die Sterne auf der Wasseroberfläche an der Küste Ölands.
DIE RICHTIGEN EINSTELLUNGEN
Neben dem Blendenwert sind ISO-Zahl und Belichtungszeit für die Steuerung der Belichtung verantwortlich. Je höher die ISO-Zahl, desto heller das Bild und desto mehr Sterne sind zu sehen. Allerdings ist ein mit hohem ISO-Wert aufgenommenes Bild auch relativ verrauscht bzw. grobkörnig. Je nach Qualität der Kamera empfiehlt sich für die Astrofotografie eine Empfindlichkeit zwischen 1600 und 6400 ISO – Tendenz steigend.
Bei der Wahl der Belichtungszeit sind die Dinge etwas komplizierter. Eigentlich möchte man so lange belichten wie möglich, um möglichst viel Sternenlicht auf den Sensor zu bannen. Da sich die Sterne aber am Himmel bewegen, verwischen sie bei längeren Belichtungszeiten zu Strichen. Wie lange man belichten kann, ohne dass Strichspuren entstehen, ist von verschiedenen Faktoren abhängig: von der verwendeten Brennweite, von der Himmelsrichtung und von der Größe, in der man das fertige Bild betrachten möchte. Als Faustformel gilt: Mit Weitwinkelobjektiven kann man etwa 20 Sekunden lang belichten, ohne dass Strichspuren entstehen. Bei Fischaugenobjektiven sind bis zu 30 Sekunden möglich, bei Normalbrennweiten nur zehn Sekunden.
Die Farben der Montañas Coloradas in Chile leuchten im Licht des untergehenden Mondes.
Bevor wir nun endlich auf den Auslöser drücken können, müssen wir aber noch scharf stellen – das ist gar nicht so einfach. Der Autofokus ist am dunklen Himmel überfordert und versagt seinen Dienst, also ist manuelles Fokussieren angesagt. Dazu reicht es aber nicht, die entsprechende Markierung einfach auf Unendlich zu stellen. Temperaturschwankungen und Fertigungstoleranzen führen dazu, dass der Schärfepunkt des Objektivs nicht immer dort liegt, wo er auf der Skala eingezeichnet ist. Um zuverlässig scharf zu stellen, sollte man die Liveview-Funktion aktivieren und die Kamera auf einen hellen Stern ausrichten. Zoomt man nun am Monitor an den Stern heran, lässt er sich mit einer leichten Drehung am Schärfering in Sekundenschnelle fokussieren. Mit einem Stück Klebeband fixiert, kann sich der Ring im Laufe der Nacht nicht mehr verstellen.
BILDGESTALTUNG
Um zu eindrucksvollen Ergebnissen zu gelangen, helfen ein paar gestalterische Tricks:
1. Hellen Vordergrund wählen: Selbst bei 6400 ISO und 20 Sekunden Belichtungszeit bleibt die Landschaft im Vordergrund meist dunkel. Am besten eignen sich Schneelandschaften für die astronomische Landschaftsfotografie. Wer gerade Sommerurlaub macht, findet vielleicht einen Strand mit hellem Sand. Oder ein stilles Gewässer, in dem sich die Sterne spiegeln?
2. Mondlicht nutzen: Die schönsten Lichtstimmungen ergeben sich bei Mondaufgang oder -untergang. Doch Vorsicht: Ist der Mond zu voll oder steht er zu hoch, verschwinden immer mehr Sterne vom Himmel und die Aufnahme sieht aus wie am Tage gemacht.
3. Drittel-Regel beachten: Das Bild wirkt am ästhetischsten, wenn man es in Drittel unterteilt. Bei astronomischen Landschaftsfotos legt man den Horizont in der Regel auf das untere Drittel. Befindet sich im Vordergrund ein besonderes Motiv, zum Beispiel eine Person oder ein Baum, so sollte sich dieses Motiv nicht genau in der Mitte befinden, sondern das linke oder rechte Drittel markieren.
4. Tiefe erzeugen: Da die Sterne weit entfernt sind, mangelt es vielen Astrofotos an Tiefe. Ein geeignetes Vordergrundmotiv kann dies ausgleichen, etwa ein Weg, der sich in der Unendlichkeit verliert, oder zwei Bäume, die hintereinander stehen. Der weiter entfernte Baum erscheint kleiner als der nahe Baum und hilft, einen Eindruck von Räumlichkeit zu vermitteln.
5. Niedrige Farbtemperatur einstellen: Belässt man den Weißabgleich auf Tageslicht, bekommen astronomische Landschaftsfotos oft einen unschönen Rotstich. Natürlicher wirken Bilder bei einer niedrigen Farbtemperatur von beispielsweise 4000 Kelvin. Verfügt die Kamera nicht über einen manuelle Einstellung der Farbtemperatur, lohnt es sich eventuell, den Weißabgleich auf Kunstlicht zu stellen.
6. Regeln verletzen: Maximal 20 Sekunden Belichtungszeit? So ein Unsinn! Lieber mehrere Minuten lang bei nur 200 oder 400 ISO belichten und die Sterne Spuren an den Himmel malen lassen. Heller Vordergrund? Bekommt man eh nicht hin – viel schöner wirken die Silhouetten von Bäumen, Personen und Felsformationen vorm Sternenhimmel! Drittel-Regel? Überbewertet! Am besten kommt der Sternenhimmel zur Geltung, wenn die Landschaft nur einen schmalen Streifen am unteren Bildrand füllt.
Abstrakte Kunst: In einer Langzeitbelichtung verwischen die Sterne zu Strichen.
FOTOGRAFIE UND WIRKLICHKEIT
Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den bunten und gut gesättigten Fotografien von Nachtlandschaften, die sich gelegentlich in sozialen Netzwerken verbreiten: Wirkt eine Nachtlandschaft wie bei Tage aufgenommen oder zeigen sich am Himmel feinste Strukturen von Wasserstoffnebeln, so hat der Fotograf vermutlich ein wenig getrickst. Fotografiert man den Himmel mit Hilfe einer astronomischen Nachführung und setzt am Computer die separat belichtete Landschaft in das Bild ein, so kann man minuten- oder gar stundenlang belichten, ohne dass sich die Erdrotation störend bemerkbar macht. Kunst kennt keine Regeln und gegen den Einsatz ausgefeilter Technik ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Problematisch ist allerdings, wenn der Fotograf dem Betrachter suggeriert, dass Nachtlandschaften tatsächlich so oder so ähnlich aussehen wie auf stundenlang belichteten und anschließend montierten Bildern. Wer sich also wundert, weshalb seine astrofotografischen Versuche nur relativ geringe Kontraste zeigen, sollte bedenken: Die Milchstraße ist von Natur aus ein kontrastarmes Objekt – auch wenn einem so manch aufwendig bearbeitetes Foto etwas anderes vorgaukeln möchte.
Bei den Bildern in diesem Buch handelt es sich ausnahmslos um konventionelle Fotografien, bei denen Himmel und Landschaft gleichzeitig aufgenommen wurden. Die meisten dieser Bilder zeigen bereits deutlich mehr Sterne als mit...