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Gercken, Ph.W.: Reisen durch ... die rheinischen Provinzen 1779-1785

III. Theil

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl268 Seiten
ISBN9783752874402
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Ende der 1770er Jahre bereist der Privatgelehrte Philipp Wilhelm Gercken West- und Süddeutschland und beschreibt dem fachkundigen Publikum architektonische und bibliophile Sehenswürdigkeiten, im vorliegenden dritten Teil von den Städten am Rhein.

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Leseprobe

Der Rheingou.


Dieser kleine District, der, von Walff [=Walluf] an, bis an die Krümme des Rheins bey Aßmannshausen nur 4 Stunden ohngefehr lang, und nicht viel über 2 starke Stunden breit oder tief ist, und wegen seiner anmuthigen Lage und fürtreflichen Weins sehr berühmt ist, hat noch niemand gereizet, ihn genau zu beschreiben, daher ich davon einen Versuch machen will, zumal ich ihn im Jahr 1779 in der Weinlese zu Fuß 8 Tage lang durchwandert, und alles genau bemerket habe. Zu Riedesheim [=Rüdesheim] und an etlichen andern Orten bin ich aber mehr wie einmal gewesen. <80> Der eigentliche Weinbau darin fängt an dem Ufer des Rheins an, und zieht sich allgemach bis auf eine halbe Stunde, auch an etlichen Orten etwas weiter, in die Höhe, weiter hinan wird das Terrain schlechter, und der ganz nahe liegende Wald15 auf der starken Anhöhe verbietet den weitern Weinbau, mithin ist der Strich, so längst dem Rhein herunter bis Aßmannshausen geht, und aus lauter Weinbau besteht, im Durchschnitt nicht über eine halbe Stunde breit – ja bey Riedesheim und Aßmannshausen erstreckt er sich nur so weit, wie die Berge am Rhein liegen, und der, so bey dem Ort an der Seite des Bergs wächst, ist schlecht –, und etwa 4 Stunden lang.

Nieder Walff ist der erste Ort, wo der Rheingou anfängt. Die Nassau Usingische Grenze geht dichte heran. Hier unterscheidet sich gleich derselbe durch einen hohen Wall und tiefen Graben, der gleich von dem Rheinufer anfängt, und sich als ein starker Landgraben um den Rheingou bis in den Wald hinein zieht, so zur Beschützung des Landes in vorigen Zeiten gedienet hat. Ganz nahe bey Walff, ohngefähr 200 Schritt vom Rhein, hat dieser Landgraben <81> die erste Verschanzung, so in einem starken Bollwerk bestehet, woraus im 30jährigen Kriege die Rheingouer sich gegen die Schweden vertheidiget haben. Das Dorf hat schon mehr Wein wie Ackerbau, und liegt hart am Ufer des Rheins. Verschiedene adliche Familien haben hier Güter, worunter der Graf von Stadian der stärkste ist. Man findet daselbst einen guten Gasthof im ›Engel‹, wo man wohl bewirthet wird. Das Haus liegt so nahe am Rhein, daß man im Zimmer oben aus dem Bette, wenn man sich aufgerichtet hat, die Schiffe auf dem Rhein vorüber segeln sieht.

Von hier bis Ellefeld [=Eltville], der Hauptstadt im Rheingou, hat man eine starke halbe Stunde zu gehen. Es ist ein artiges wohlgebautes Städtgen, so hart am Rhein liegt, so, daß der Strom an die Häuser und Stadtmauer spühlt. Der Graf von Elz hat ein ansehnliches Gut darin, und sonst sind noch mehr adliche Güter daselbst. Hier wohnt der Landschreiber und andere Unterbediente des Vicedoms von dem Rheingou, der der oberste Richter ist. Die Stadt hat fast mehr Aecker – in der Höhe nach dem Wald liegt das Dorf Kidrach, so schon blos von Ackerbau und Viehzucht lebt – wie Weinbau, und der Wein, so da wächst, gehört nicht unter die besten. Vormals hieß der Ort Eltevil, unter welcher Benennung er in der Geschichte des Kaisers Karls IV. und Günthers von Schwarzburg vorkömmt, wo im Lager bey Eltevil der Vergleich 134945 zwischen ihnen geschlossen ist. Die Armee muß <82> nicht stark gewesen seyn, weil das Terrain nur klein ist.

Ein angenehmer Fußweg geht von hier nach dem wohl gebauten Flecken Oesterich, so ohngefehr eine kleine Stunde nur von Ellefeld entfernet ist. Diesen bin ich mit meinem Führer, der meinen Mantelsack trug, mit Vergnügen gegangen. Wir kamen zuerst auf einen ansehnlichen und wohlgebauten Hof, der Treise heist, und dem Kloster Eberbach gehöret. Ferner auf das große und schöne Dorf Erbach, so ebenfalls hart am Rhein liegt, worin auch Auswärtige Weingüter besitzen. Bevor man das Dorf Hattenheim erreichet, geht der Weg über einen weinreichen District, worin der berühmte Markebrunnerwein wächst, der seinen Namen daher führt, weil ein kleiner Bach in dem District entspringet, der an die Mark von Hattenheim herunter gegen Erbach in den Rhein fließet. Dieser hier wachsende Wein gehört unter die fürnehmsten Rheingauer Weine. Das Dorf Hattenheim selbst stößt daran, so auch ganz dichte am Rhein liegt, wo ebenfalls ein guter Wein gezogen wird.

Am Ende der Feldmark dieses Dorfs liegt abermal ein ansehnlicher schöner Hof, dem Kloster Eberbach gehörig, so Reichershausen genannt wird. Von selbigem geht eine schöne Allee von Nußbäumen gerade nach diesem Kloster in die Höhe, so der nächste Weg nach demselben, dessen Lage mitten im Walde versteckt ist. <83> Der vorgedachte Flecken Oesterich folgt alsdenn, der ebenfalls hart am Rhein liegt, und sauber gebauet ist. Es sind über 200 Häuser darin, auch findet man einen sehr guten Gasthof daselbst im ›Schwan‹, worin ich die Nacht blieb, und am folgenden Morgen meine Wallfahrt weiter fortsetzte. Hier wachset ebenfals ein sehr guter Wein. Das Stift zu S. Victor in Maynz hat den Weinzehenden, und die Domherren daselbst haben hier etliche Weinberge. Sonst aber sind keine adliche Güter darin. Der Pfarrherr daselbst hat eine sehr einträgliche Pfarre, indem er bey guten Jahren 18 Stück Wein machen kann, die er theuer verkauft, weil der hiesige Wein nicht schlecht ist.

Ich kam weiter durch das kleine Dorf Mittelheim, nach dem großen Dorfe Winkel, wovon der berühmte Johannsberg seitwärts eine kleine halbe Stunde liegt, den ich hernach bey dem Rückwege, den ich auf der Landseite genommen, beschreiben will. Unten am Rhein liegen noch einige Häuser nebst dem Gasthof, die S. Bartholomee heißen. Von hier zieht sich der Weg etwas landwärts vom Rhein ab, und ich erreichte bald den schönen Flecken Geisenheim, der ziemlich weitläuftig ist, und worin verschiedene gräfliche und adliche Häuser wichtige Güter und Wohnungen haben. Nemlich

  1. Der Graf von Schönborn hat gleich forne an, wo man herein kömmt, ein altes Schloß mit vielen kleinen Thürmen nach alter Bauart. <84> Des Grafen von Ostein sein Schloß liegt am Ende, wenn man die Landstraße herauskömmt, so regulair und schön gebauet, und mit einem ansehnlichen Garten pranget. Diesem reichen Herrn gehört auch die ansehnliche Hölzung auf dem Riedesheimer Berge, in welcher die schönsten Alleen, Irrgänge, und andere kostbare Anlagen – die ich hernach beschreiben will – werth zu sehen sind.
  2. Der Graf von Ingelheim hat auch ein ansehnliches Gut und Gebäude hier.
  3. Ein Graf von Degenfeld hat hier ebenfalls ein Gut.
  4. Ein Herr von Walbrunn, und ein Herr von Vorster16 – so einen schönen practischen Tractat von dem Rheingouer Weinbau46 aus eigner Erfahrung geschrieben hat, Frankf. 1765 8 – besitzen hier ebenfalls adliche Güter und Wohnungen.

Die große Feldmark des Fleckens hat beides, recht guten Weinbau und auch Ackerbau.

Endlich erreichte ich den reichen und saubern Flecken Riedesheim in einer kleinen halben Stunde, wo ich ausruhete, und mich fast zween Tage aufhielt. Dieser Ort giebt uns den stärksten und feurigsten Rheinwein, der auf dem langen und sehr hohen Riedesheimer Berge zwischen kleinen Felsen und Mauern wächst. Der schöne Flecken hat auf 300 Häuser, und über 200 Bürger. Seine Lage zieht sich vom Ufer des Rheins nach und nach in die Höhe. <85> Man findet darin recht gute Gasthöfe im ›Engel‹, in der ›Krone‹ etc. worin man gut bewirthet wird, und eine trefliche Aussicht in die umliegenden schönen Gegenden genießet. Unter den Einwohnern sind viele reiche Leute, die aus dem einträglichen Weinbau und starken Weinhandel viel Geld erwerben. Ich habe etliche Keller gesehen, die mit einer sehr großen Anzahl Fässer gefüllet waren. An einem Geburtsrage des vorigen Churfürsten hatte ein hiesiger reicher Bürger seinen Garten mit 99 Lampen erleuchtet. Man frug ihn, warum er die sonderbare Zahl gewählet hätte; er gab zur Antwort, weil er noch 99 Stück Faß Riedesheimerwein in seinem Keller liegen hätte.

Die besten Weinberge liegen sehr hoch längst dem Rhein herunter, gegen Bingen über, und erstrecken sich noch über das alte verfallne Schloß Ehrenfels, wo der Rhein die große Krümme macht.

Der beste Wein wächst auf dem sogenannten Hauptberge, und dem Rodtlande,

[Anmerkung:] Dieses Rodtland ist sehr wahrscheinlich derjenige Strich an dem Riedesheimer großen Weinberge, welchen der Maynzische Erzbischof Siffrid im Jahr 1074 den Einwohnern des damaligen Dorfs Riedesheim erlaubt hat auszuroden, und zum Weinbau einzurichten. Die Urkunde darüber hat Herr von Gudenus Tom. I. COD. DIPL. MOGUNT., p. 381 ediret, wo es heißt

Nouerint, quod pago nostro in Rudensheim et in Ibingen quedam terra inculta jacebat – quam populus noster Dei in dictis villis nostris <86> renovare et excolere ex nostra concessione querebat – satisfecimus petitioni populi nostri, et terram illam montuosam et incultam eis...

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