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Tiergestützte Interventionen unter tierschutzrelevanten Aspekten. Voraussetzungen - Risiken - Chancen

AutorKatrin Stoppel
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl80 Seiten
ISBN9783961461790
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Der gesamte Bereich der tiergestützten Interventionen hat sich in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet und professionalisiert. Das vielfältige Wirkungsspektrum, das Tiere auf Menschen haben, ist unumstritten und wird zunehmend auch wissenschaftlich belegt. Die kommerzielle Nutzung von Tieren beinhaltet jedoch auch immer das Risiko, dass die Tiere instrumentalisiert und nicht artgerecht eingesetzt werden. Dieses Buch befasst sich daher neben den Voraussetzungen, die geschaffen werden sollten, um professionell und qualitativ hochwertig tiergestützt zu arbeiten, auch mit den Risiken, die sich für die Tiere bei fehlender Fachlichkeit ergeben. Mit entsprechender Qualifikation und einem verantwortungsvollen Umgang mit Mensch UND Tier kann die tiergestützte Arbeit allerdings auch ein wichtiger Bestandteil sein, um den Tierschutz weiter voranzubringen: besonders junge Menschen, die früh die Achtung und den Respekt vor Tieren erlernen, können zukünftig einen wertvollen Beitrag leisten, den Stand der Tiere in der Gesellschaft zu verbessern - dies gilt neben den beliebten Haustieren besonders für die sogenannten 'Nutztiere'.

Katrin Stoppel, Diplom-Sozialpädagogin / Fachkraft für tiergestützte Interventionen / Therapiebegleithund-Team, ist seit 2002 angestellt im Dortmunder Tierschutzverein, wo sie Kindern und Jugendlichen in freizeitpädagogischen und schulischen Projekten den oftmals verlorenen Bezug zu Tieren und Natur vermittelt. Die Autorin ist Mitglied in den Vorständen des Tierschutzvereins Groß-Dortmund e.V. sowie des Landestierschutzverbandes NRW.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 5.1.Ausbildungsmöglichkeiten für Fachkräfte: Die Ausbildungsmöglichkeiten und -institute sind in den letzten Jahren förmlich aus dem Boden geschossen. 'Es besteht ein vielfältiges Weiterbildungsangebot zur Tiergestützten Intervention in deutschsprachigen Ländern mit unterschiedlicher Qualität.' (Vernooij/Schneider, 2013, S. 7) Dies ist gleichzeitig erfreulich und problematisch. Der wachsende Wunsch nach Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich hilft der Anerkennung der tiergestützten Arbeit und erhöht die Qualität der Fachkräfte. Da aber aufgrund fehlender bindender Vorgaben eine Prüfung der Qualität der Ausbildungen nicht möglich ist, gibt es qualitätsvolle und weniger qualitätsvolle Ausbildungsangebote. Als besonders qualitätsvoll hervorzuheben sind an dieser Stelle die ISAAT- bzw. ESAAT-zertifizierten Ausbildungen zur 'Fachkraft für tiergestützte Intervention/Pädagogik/Therapie/Fördermaßnahmen', die in Fachkreisen ein hohes Ansehen genießen. Die ESAAT strebt eine EU-weit vereinheitliche Ausbildung an, um die Minimalqualifikationen der Ausbilder festzulegen und Qualitätsstandards zu etablieren. 'Ziel [der Fachkraftausbildung] ist die Qualifikation [...] für den professionellen Einsatz von Tieren (insbesondere von Hunden) in der Betreuung von Menschen aller Altersgruppen, im Besonderen von Menschen mit einem erhöhten Förderbedarf (z.B. verhaltensauffällige, behinderte, kranke Menschen) im Sinne der Gesundheitsförderung sowie zur Hebung der Lebensqualität und des Wohlbefindens.' (http://www.esaat.org/akreditierte-aus-und-weiterbildungen/) Die Weiterbildung qualifiziert zu eigenverantwortlicher tiergestützten Arbeit und vermittelt Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus folgenden Bereichen: - Mensch-Tier-Beziehung und -Kommunikation - Theorien zum Verständnis der helfenden und heilenden Wirkung von Tieren - Wissen über physische, soziale und psychische Effekte von Tieren für Menschen - Methoden der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Tieren in verschiedenen Anwendungsfeldern - Ethische und rechtliche Fragen - Artgerechte Haltung, Versorgung und Betreuung - Verhaltensprobleme und Erkrankungen - Hygienische Voraussetzungen und Hygienepläne - Verhaltensentwicklung und Ausbildungsmethoden von Tieren - Organisatorische, ökologische, ökonomische und administrative Bedingungen (Vgl. Olbrich/Otterstedt, 2003, S. 496ff) Sowohl der eigene Anspruch an die Arbeit als auch der Anspruch der Institutionen, die TGI anbieten (wollen), sollte in Richtung der zertifizierten Weiterbildungsangebote gehen. Eine mangelhafte Ausbildung kann sich negativ für alle Beteiligten, besonders aber für die Tiere auswirken (siehe Kap. 7.1 Mangelnde Ausbildung von Mensch und Tier). Da sich allerdings auch die zertifizierten Ausbildungen je nach anbietendem Ausbildungsinstitut inhaltlich unterscheiden können, z.B. in ihren Schwerpunkten auf bestimmte Tierarten, sollten sich angehende Fachkräfte im Vorfeld grundsätzlich genau über die Inhalte und Schwerpunkte informieren. Die Arbeit in der Reittherapie, die noch mal ein weiteres, großes Feld der tiergestützten Intervention darstellt, setzt darüber hinaus noch spezielle reittherapeutische Ausbildungen voraus, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird. 5.2. Ausbildungsmöglichkeiten für Hunde: Alle Tiere, die in irgendeiner Weise in der tiergestützten Arbeit eingesetzt werden, können und sollten dementsprechend trainiert werden, um sich an die für sie häufig ungewohnten Situationen zu gewöhnen. Fundierte Ausbildungen gibt es jedoch nur für Pferde und Hunde und inzwischen auch für Lamas, wobei die Einsatzmöglichkeiten selbstverständlich stark variieren. Besonders auf die Ausbildungsmöglichkeiten für Hunde, die sich in den letzten Jahren vervielfacht haben, soll an dieser Stelle näher eingegangen werden. Vorrangig zu nennen sind hier die Ausbildungen zum Therapiebegleithund(team), Schulhund und Besuchshund, da diese Begrifflichkeiten die gängigsten sind. Innerhalb der Ausbildungsangebote für Hunde variieren Ausbildungsvoraussetzungen und -dauer stark, ebenso wie die Inhalte und Kosten der Ausbildungen. Aus diesem Grund sollte nach Möglichkeit auch hier das Augenmerk auf ESAAT-zertifizierte Ausbildungen liegen und die individuell passende Ausbildung angestrebt werden. 5.2.1. Therapiebegleithunde: 'Als Therapie- bzw. Therapiebegleithund sind diejenigen trainierten bzw. ausgebildeten Tiere zu bezeichnen, die in begleitender und unterstützender Funktion in therapeutische Prozesse oder Konzepte eingebunden werden.' (Vernooij/Schneider, 2013, S. 196) Therapiebegleithunde leben im Gegensatz zu beispielsweise Assistenz- oder Servicehunde dauerhaft bei ihrem ebenfalls professionell ausgebildeten Halter und werden nicht für spezifische Dienstleistungen ausgebildet. Das Tier 'muss keine Brillen aufheben oder Türen öffnen können, sondern [...] muss - im Prinzip - einfach nur da sein und mit den Klienten und Patienten kommunizieren.' (Vernooij/Schneider, 2013, S. 196) Dies klingt erstmal nicht besonders anstrengend oder belastend, ist aber für den Hund 'mit großem Stress und hohen Anforderungen verbunden, beispielsweise in Form von - ungewohnten optischen, akustischen, olfaktorischen und taktilen Reizen, - Schmerzzufügung motorisch ungeschickter Personen, - nicht hundegerechter Kontaktaufnahme, - Bedrängung durch Menschen, - subjektives Erleben von Bedrohung, zum Beispiel durch ungewohnte Gegenstände wie Rollstühle, Gehhilfen, Aufzüge oder selbst öffnende Türen, - Überforderung, - Emotionen, Stimmungsschwankungen und die psychische Befindlichkeit des Empfängers, die der Hund sensibel wahrnimmt und die sich unter Umständen auch auf ihn übertragen können.' (Vernooij/Schneider, 2013, S. 196) Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Tiere bereits im Welpenalter schrittweise und spielerisch an Situationen zu gewöhnen, die sie in ihrem zukünftigen Arbeitsfeld erwarten werden. Die eigentliche Ausbildung sollte erst beginnen, wenn der Hund etwa 15 bis 18 Monate alt oder älter ist, also die Pubertätsphase bereits hinter sich und insgesamt eine höhere Aufmerksamkeitsspanne und Impulskontrolle mitbringt. 5.2.2 Schulhunde: 'Schulhunde gehen regelmäßig mit in den Unterricht und werden für pädagogische Ziele, wie z.B. die Verbesserung des Klassenklimas oder sozialen Problemverhaltens eingesetzt. Meist sind sie an wenigen Tagen pro Woche anwesend und werden nur in bestimmte Unterrichtseinheiten aktiv involviert. [...] Eine spezifische Ausbildung des Hundes und der Lehrkraft als Team ist notwendig, um optimale Effekte zu erzielen und um das Wohlergehen aller Beteiligten, der Menschen und der Tiere, zu gewährleisten. Zudem müssen Rahmenbedingungen in Bezug auf Genehmigungen, Versicherung, Hygiene und Allergien erfüllt werden.' (Beetz, 2015, S. 3) Das Schulministerium NRW macht dazu folgende Vorgaben: 'Grundsätzlich müssen Hund und die das Tier haltende Person eine Ausbildung für den in der Schule vorgesehenen Einsatzbereich nachweisen, sofern es eine entsprechende Ausbildung gibt (zum Beispiel als Therapiebegleithund). Sofern nicht die den Hund haltende Person das Tier zu dem vorgesehenen Einsatzbereich in die Schule bringt, so muss die Hunde führende Person diese Ausbildung nachweisen.' (https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Recht/Schulgesundheitsrecht/Schulhund/Allgemeine-Hinweise-Schulhund.pdf; Stand: September 2015) 5.2.3 Besuchshunde: 'Ein Besuchshund ist ein 'Familienhund', der zusammen mit seinem Halter oder seiner Halterin regelmäßig [...] eine soziale Einrichtung besucht. Es ist seine Aufgabe, anwesend zu sein, sich streicheln oder füttern zu lassen.' (https://www.hundefreunde-wk.de/besuchshund/; Stand: 15. Juli 2018) Diese Aufgabe wird häufig ehrenamtlich von engagierten Menschen übernommen (siehe Kap. 2.2.1. Tiergestützte Aktivität) und erfolgt z.B. in Senioren- oder Kinderheimen, Krankenhäusern und Hospizeinrichtungen. Eine Ausbildung des Hundes ist in diesem Einsatzbereich nicht vorgeschrieben - ebenso wenig wie beim Hundeführer, sollte aber nach Möglichkeit angestrebt werden, da die hier häufig angewandten Präsenz- oder Brückenmethoden (siehe Kap. 4) für die Tiere eine ungewohnte Situation darstellen. 'Für einen Außenstehenden mag es vielleicht so aussehen, als müsste das Tier nichts 'leisten'. Doch ebenso wie den meisten Menschen ist es auch vielen Tieren unangenehm, ständig im Mittelpunkt zu stehen und die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen. Der Verantwortliche für das Tier sollte daher in der Lage sein, selbst die feinsten Stresssignale des Tieres zu erkennen, wahrzunehmen und entsprechend darauf zu reagieren.' (Vernooij/Schneider, 2013, S. 160) In der im Verhältnis zur Therapiebegleithund- oder Schulhundausbildung weniger zeit- und kostenintensiven Ausbildung zum Besuchshund werden die Halter geschult, mit wachsamen Blick über ihre Schützlinge zu wachen, die Hunde werden schrittweise an neue 'einsatztypische' Situationen herangeführt, indem sie z.B. Geräusche oder Berührungen erleben, die typisch für den späteren Einsatz sind. Sollte bereits eine Fachkraftausbildung absolviert worden sein oder angestrebt werden, ist dies je nach Ausbildungsinstitut bereits eine professionelle Grundlage, um Hunde und andere Tiere in der tiergestützten Arbeit einzusetzen. Gerade beim Einsatz von Hunden ist es aber sinnvoll, je nach Einsatzgebiet auch das Tier ausbilden zu lassen. Dies gilt besonders, wenn keine Fachkraftausbildung absolviert wurde. Besonders Schul- und Besuchshunde wurden und werden häufig ohne entsprechende Ausbildung von engagierten Pädagogen oder Ehrenamtlichen eingesetzt, weil sie ein 'liebes' Tier haben. Dies ist erstmal nicht negativ zu bewerten, kann aber dann ein Risiko für die gesamte tiergestützte Arbeit darstellen, sobald doch etwas Unvorhersehbares passiert. Inzwischen sind die Auflagen in Schulen strenger geworden und setzen entsprechende Ausbildungen voraus. Auch Hundehaftpflichtversicherer neigen eher dazu, die (ehrenamtlichen) Einsätze mitzuversichern, wenn entsprechende Ausbildungen vorliegen. Ist der Einsatz nicht ehrenamtlich, muss ohnehin eine berufliche Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Im Ernstfall lässt sich durch die Dokumentation innerhalb der Ausbildungen und Videosequenzen belegen, dass das Tier (und der Halter) entsprechend auf die Einsätze vorbereitet wurden und grundsätzlich geeignet sind.
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