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E-Book

Mit dem Rucksack nach Indien

AutorKurt Faber
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl209 Seiten
ISBN9783849653033
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
1926 zog es den Weltenwanderer Faber nach Indien. Nur mit dem Nötigsten reiste er über Belgrad und Istanbul in das Land der Maharadschas und Elefanten. Eine unglaubliche Reise voller Abenteuer.

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Leseprobe

 


Der neue persische Gott: das Automobil – Allerlei Weltwanderer – Ein verdächtiges Fahrzeug – Kaiserlich persische Post – Ein Abenteurer – Fünfhundert Kilometer im Galopp – Ungemütliche Postkutschen – In der Karawanserei – Im Land Aserbeidschan – Schneeberge und Wüstensonne – Eine unerfreuliche Gegend – Bettlerland – Kaswin – Im Hotel de France – Kein Mensch kann Französisch – Der Mullah als Reisegefährte – Was man einem Fordwagen alles zumuten kann.

 

Es ist wahrlich eine ewige Straße, die da vom Abend- ins Morgenland führt, von Trapezunt nach Teheran und weiter nach Indien. Es ist die »Straße der Zehntausend«, über die schon Xenophon seine verlorenen Scharen führte. Alexander machte Weltgeschichte auf ihrer Spur. Und so ist sie stets die Hochstraße der Weltgeschichte gewesen, wenn immer, gelockt von den Schätzen Indiens, erobernde Abenteurer von Westen kamen, oder wenn zur Abwechslung einmal wieder das Licht im Osten aufging über der Erde. Sie kamen und gingen, aber die Straße ist gleich geblieben und mit ihr die Menschen. Denn im Orient sind tausend Jahre nur wie ein Tag.

 

»Fiel Gut und Böses dir im Leben zu,
Ward Not und Angst dir oder Glück und Ruh',
Schreib's nicht dem Weltrad zu, das Weltrad ist
Noch tausendmal ohnmächtiger als du!«

 

Das hat schon Omar der Zeltmacher gesagt.

 

Ewige Straße über Berge und Wüsten, die schon vor zweitausend Jahren so war, wie sie heute ist, während der Sturm der Zeiten über alle anderen Straßen ging. Da ist kein Stein am Straßenrand, der nicht umweht wäre vom Staube vermoderter Gebeine von Tier und Mensch, die einst hier in Frost und Hitze ihre letzten Koransuren murmelten.

 

Allah ist groß! Aber die Straße ist älter als Ali und Mohammed.

 

Und nun – nun soll alles auf einmal anders werden? Die Rasthäuser an den Straßen verfallen, die Kamele sollen nicht mehr in den Höfen der Karawansereien brüllen, die Treiber nicht mehr ihre Gebete im Zwielicht des dämmernden Tages verrichten und all die uralte Romantik zermalmt werden unter den Rädern benzinschnaubender Ungetüme?

 

Ach, es ist ein Rad, das nicht mehr aufzuhalten ist! Der Gott des modernen Persiens ist das Automobil. Sein Gott und sein Teufel. Denn was soll werden, wenn es noch einige fünf oder sechs Jahre lang so weiter geht in dieser Entwicklung? Was wird alsdann noch übrig bleiben von den Nagelschmieden, den Handwebern, den Schuhmachern im Bazar, wenn sie erst einmal gefangen sind im Netze des großen Weltverkehrs? Ein einziges Lastautomobil mit Nägeln wird hunderte von Existenzen aus ihren Buden im Bazare werfen, in denen ihre Vorfahren schon seit Jahrhunderten als ehrbare, geschickte und in ihrer bescheidenen Art zufriedene Handwerker saßen. Die Entwicklung vom Handwerk zur Industrie, die im fernen Europa im Lauf eines Jahrhunderts soviel Not und soviele Unzufriedenheit geschaffen hat, wird hier im knappen Zeitraume von einem Jahrzehnt vor sich gehen. Niemand wird sich so schnell darauf ein- und umstellen können. Millionen werden aus ihrer tausendjährigen Beschaulichkeit aufgeschreckt und brotlos auf die Straße geworfen werden, eine leichte Beute für die glatten Zungen der Volksverführer. – Und dann werden sich – wie jetzt im Falle China – die europäischen Diplomaten zusammensetzen und sich die Köpfe zerbrechen, worauf wohl die Ausbreitung des Bolschewismus im Osten und fernen Osten zurückzuführen sei.

 

Doch will ich nach diesen Abschweifungen in das Gebiet der hohen Politik wieder zurückkehren zu dem Wanderer, der – selbst ein Teil dieser endlosen Straße – mit dem Rucksack durch Staub und Sonne ging. Bald sah ich mich selbst auf dieser Straße; ach, um die schönen Bahnhöfe und die bequemen Fahrpläne, die man in Europa kennt! In Persien ist das Reisen noch eine Kunst, wie es zu Urväter Zeiten auch bei uns der Fall war. Es ist ein Abenteuer, das lockend auf der Landstraße steht. Und zwischen Täbris und Teheran liegen siebenhundert Kilometer.

 

Ein bärtiger Araber mit einem Seelenverkäufer von einem Fordautomobil trug mir seine Dienste an. Wieviel er verlange für die Reise?

 

»Fünfzig Toman.«

 

Kopfschüttelnd ging ich weiter. Fünfzig Toman waren soviel wie fünfzig Dollars und jedenfalls mehr, als mein Geldbeutel mir erlaubte. Am anderen Tage erschien ein polnischer Jude, der ebenfalls ein Automobil besaß, das er für den halben Preis zur Verfügung stellte. Das schien mir verdächtig. Zuerst möchte ich einmal den Kasten von Angesicht zu Angesicht betrachten. Wir gingen zusammen nach der Karawanserei, wo in einer Ecke, hinter Spinngeweben, die jämmerlichste aller Kutschen träumte, die je aus Detroit in Michigan kamen. Der Efendi strich liebevoll über ihren staubigen Rücken.

 

»Gute Maschine!«

 

Ob er damit schon einmal nach Teheran gefahren wäre? wollte ich wissen.

 

»Nein«, sagte er, »ist sie gekommen von Rußland vor einem Jahre. Oder beinahe von Rußland.«

 

»Beinahe?«

 

»Beinahe, Efendi! In Maränd ist der Motor zersprungen und man hat sie auf den Kamelen hierher gebracht. Seerr gute Maschine! Übernehme ich Garantie bis Teheran.«

 

Noch eine Weile redeten wir weiter. Was dem Motor an Tüchtigkeit abging, das ersetzte die glühende Beredsamkeit des Efendi. Ich versprach am Nachmittag wiederzukommen, um den Handel perfekt zu machen, kam aber nicht wieder, denn unterwegs war mein Blick auf ein Schild gefallen, das meinen Gedanken eine andere Richtung gab.

 

Ja, das war's! Die Kaiserlich Persische Post. Das ging noch nach der Väter Sitte, mit lebendigen Pferdekräften, in einer Kutsche, die Tag und Nacht mit Remontepferden das Land durcheilte. Das war romantisch und billig. Für die sechshundert Kilometer lange Strecke bis zur Stadt Kaswin brauchte man nur fünfzehn Toman zu bezahlen. Noch in derselben Nacht sollte die Reise beginnen. –

 

Um neun Uhr abends, als das meiste Leben schon erstorben war in den Gassen, saßen wir in der dunklen, rußigen Poststube und tranken Tee. Die Postillione, die mit ihren Lammfellmützen recht phantastisch ausschauten, gingen hin und her, und allmählich erschienen auch die Postkutschen, die ich fast noch kritischer betrachtete, als den Fordkasten in der Karawanserei: – o Lenau! O Eichendorff! O Posthorn im stillen Land! Von alledem war hier nicht die Spur zu bemerken. Es waren ebenso jämmerliche Leiterwagen wie die, die ich noch von Armenien her in so angenehmer Erinnerung hatte. Und die Postsäcke lagen genau so wirr durcheinander. Sehr verdächtig schien es mir auch, daß außer mir kein anderer Fahrgast sich diesem Beförderungsmittel anvertraute. Daran war indes nun nichts mehr zu ändern. Mit meinen fünfzehn Toman hatte ich mich mit Haut und Haaren der Kaiserlich Persischen Post verkauft, und alles übrige mußte man in Rechnung stellen. Schwer von bösen Ahnungen bestieg ich den Wagen, wo ich mir ein so weiches Plätzchen suchte, wie das zwischen den harten Säcken nur immer möglich war. Die vier Pferde zogen an, und mit munterem Schellengeläute ging es vorwärts in die dunkle Nacht, in der Hoffnung, daß der Herr nicht regnen lasse auf die Gerechten. Langsam rumpelte der Wagen durch die engen Bazarstraßen. Es war eine ungewöhnlich schwüle, gewitterdrohende Nacht. Schwere Wolken schoben sich langsam vor dem Vollmond vorüber. Es wetterleuchtete in allen Himmelsrichtungen. Überall knurrten die Hunde in den Gassen, die schwer waren von Düften, die zum Orient gehören und dennoch nicht märchenhaft sind. Da und dort tauchten zerlumpte Gestalten auf und rannten bakschischheischend mit erhobenen Händen neben dem Wagen her. Ein beturbanter Mullah ging vorüber und begrüßte uns mit einem feierlichen Salaam. Schreiende Derwische standen an den Ecken. Man wußte nicht, ob es der Fluch des Bösen oder der Segen Allahs war, den sie uns zuriefen für die Reise.

 

Als wir auf der breiten Straße angekommen waren, die ostwärts zur Stadt hinausführte, ließ der Fuhrmann die Peitsche knallen. Die vier Pferde gingen im Trab, dann im Galopp, und das hörte von nun an nicht mehr auf für mehrere Tage und Nächte. Der Mond war inzwischen ganz herausgekommen, die Bäume in den Gärten standen scharf wie Schattenbilder am heiteren Himmel; man hörte Ziegen meckern und Hunde bellen in der warmen und weichen Nachtluft, und das und der Abendwind und die fernen Lichter der entschwindenden Stadt ließen in mir ein so fröhliches Postkutschengefühl aufkommen, daß ich darüber selbst meinen harten Sitzplatz vergaß.

 

In der offenen Steppe ging der Trab der Pferde in einen gestreckten Galopp über, die einzige Gangart, bei der ein persischer Postgaul sich in seinem Element befindet. Nach etwa einer Stunde ging es immer noch in derselben wilden Karriere einen steilen Berghang hinunter in ein trockenes Flußtal, dessen Sand weiß im Mondlicht schimmerte. Der Wagen krachte und das linke Vorderrad rollte in den Bach. Sogleich war alle Eile vergessen. Auf offener Straße machten wir ein Feuer und tranken Tee, während sich der Postillon auf die Suche nach dem Rade machte. Die Stunden vergingen, und kein Mensch redete von der Reise und von Zeitversäumnis, bis um Mitternacht der Schaden wieder behoben war und die wilde Jagd von neuem beginnen konnte. –

 

Drei Tage und drei Nächte ging es so weiter...

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