Station 2:
Der Ruf an dich – flüsternd oder ganz deutlich?
… denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit …
Friedrich Schiller
Der Ruf zu etwas ganz Neuem ereilt den Helden gar nicht immer so spektakulär. Manchmal sind es die alltäglichen Umstände, die immer einengender werden wie im Aschenputtel-Märchen. Ganz spät spürt Aschenputtel erst, nachdem sie lange Zeit in der Asche neben dem Herd schlafen musste und ihr auch noch die Einladung zum Fest versagt wurde, dass sich etwas ändern muss. Und da agiert sie zum ersten Mal richtig, denn ein großer Wunsch und eine große Sehnsucht sind in ihr erwacht. Manchmal bekommt der Held auch eine direkte Aufgabe, die er lösen soll, die aber so gar nicht zur normalen Alltagswelt passt: Er soll das Wasser des Lebens holen. Wie soll das gehen? Den Ruf kann man nicht immer ganz leicht verstehen. Manchmal bahnt er sich an und manchmal ist er auf einmal so wichtig, das man am liebsten alles stehen und liegen lassen möchte.
Und wie ist der Ruf des inneren Künstlers? Lena spürt seit Längerem schon eine Sehnsucht, endlich mal wieder etwas Kreatives zu machen. Das war ihr in ihrer Kindheit immer besonders wichtig. Stundenlang konnte sie damals auf dem Boden sitzen und an einem Bild malen oder wunderschöne Papierblumen basteln. Sie hat dabei völlig die Zeit vergessen und war ganz in ihrem Flow, also in einem Gefühl der Hingabe an ihr eigenes Tun. Dieses Gefühl hatte sie später nicht mehr so oft, denn immer fehlte etwas: mal war es die Zeit, die sie nicht für ihre künstlerische Freude hatte, mal war es auch der Eindruck, dass sie dafür doch jetzt schon zu erwachsen sei. Andere Aufgaben wären doch viel wichtiger als sich wieder ganz und gar mit einem Bild zu beschäftigen. So lebte Lena ihr normales Alltagsleben, was ja auch nicht schlecht war. Aber irgendwo war sie noch – die kleine Stimme, die sie immer wieder an ihre Sehnsucht nach dem eigenen Ausdruck erinnert. Also ein ganz leiser Ruf. Und da hat Lena sehr genau hingehört und ist dieser ganz leisen Stimme gefolgt. Und plötzlich fühlt sich ihr Leben wieder vollständig und bereichernd an. Wie spürst du deinen Ruf?
1. Altes kann wieder neu werden
Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen,
wird nie alt werden.
Franz Kafka
Bunte Basis
Alte Dinge können manchmal wunderbare Schätze sein, wenn man in ihren die Möglichkeiten entdeckt. Oft kann auch deine Vergangenheit, wie auch immer sie war, sehr fruchtbar für deine Zukunft werden, wenn du ihr die Gelegenheit gibst, sich einmal ganz anders darzustellen. Es kommt eigentlich nur auf den Blickwinkel an. So kann alles wieder eine ganz neue Bedeutung bekommen, an die du noch gar nicht gedacht hast. Und auf einmal wird alles wieder bunt und spannend.
Das brauchst du
Einen achtsamen Blick
Dein innerer Künstler lächelt, weil …
Altes und Neues einen gemeinsamen Glanz bekommt.
Deine Mitmach-Möglichkeiten
Entscheide dich für ein Zimmer in deiner Wohnung und sieh dir einmal ganz bewusst die verschiedenen Gegenstände an. Was ist schon ziemlich alt? Was benutzt du gar nicht mehr? Oder was stört dich sogar etwas? Sammle diese Gegenstände ein und stell sie vor dich auf den Tisch. So hast du jetzt ein ungewöhnliches
Stillleben alter Dinge, verschiedener Erinnerungen und Geschichten. Da kann sich schon einiges ansammeln. Doch nun brauchst du dir allerdings keine Gedanken zu machen, wohin das alles soll, sondern du kannst deiner erfinderischen Kreativität freien Lauf lassen. Wofür könntest du die alten Gegenstände noch gebrauchen? Ein alter Gummistiefel könnte
• eine Vase
• ein Schirmständer
• ein Türstopper
• ein Behälter für Krimskrams
• ein Pflanzgefäß
werden. Der alte Gummistiefel freut sich bestimmt über so viele neue und spannende Möglichkeiten.
Und jetzt bist du dran: Was siehst du Neues in deinen ausrangierten Gegenständen? Wie können sie in einem völlig neuen Licht erstrahlen?
Das meint Sarah
Ich habe einen alten Schuhkarton gefunden, den ich nicht mehr brauche. Ich habe ihn immer aufbewahrt, um ihn als Paketkarton zu benutzen. Aber er hat auch ganz andere Möglichkeiten, die ich gefunden habe.
Andersherum hingestellt habe ich ihn mit einer bunten Decke jetzt als Pflanzenhocker benutzt. Hochkant dient er als Buchstütze für meine Bildbände im Bücherregal. Und geöffnet kann ich ihn als kleines Regal an der Wand befestigen. Aber dafür möchte ich ihn noch mit Farbe anmalen. Ja, neuerdings schaue ich die alten Sachen wieder ganz neu an.
2. Die lange Nacht der aufgeschobenen Gefühle
Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden,
was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
Marie von Ebner-Eschenbach
Bunte Basis
Auch wenn man den Ruf vernimmt und spürt, dass man gerne wieder mehr Zeit für sich hätte und sich auch künstlerisch ausdrücken möchte, ist es gar nicht so einfach, diesen Ruf auch deutlich wahrzunehmen. Sehr oft mischen sich dann Gefühle des Zweifels oder der Angst ein. Und viele Gefühle, die sich melden und beachtet werden wollen, schieben wir erst mal lieber beiseite, weil wir sie im Moment gar nicht haben wollen. Das klappt manchmal ganz gut, wenn man sich ablenkt, etwas isst, das Radio anschaltet oder irgendeine Tätigkeit macht, die einem gerade nützlicher erscheint. Doch die Gefühle sind ja nun einmal da. Man kann sie zwar verdrängen, aber wie viel lebendiger würde man sich fühlen, wenn man sie doch richtig spüren könnte. Alle Gefühle sind wichtig. Man braucht sie nicht auf nur wenige, akzeptierte Gefühle zu beschränken. Man kann sie alle anschauen und wahrnehmen. Und darum soll es heute gehen, wenn du den Ruf an dich spürst.
Das brauchst du
Fotos oder Bilder von Zeitschriften, Kleber und eine Schere
Dein innerer Künstler lächelt, …
weil du dir die Zeit nimmst und alle deine Gefühle wieder begrüßt.
Deine Mitmach-Möglichkeiten
Suche dir auf Fotos oder in Zeitschriften diejenigen Motive aus, die hauptsächlich Gefühle darstellen oder dich besonders emotional berühren. Alle Emotionen, die du spürst, sind wichtig. Nun schneidest du diese Bilder aus und klebst sie in dein Künstler-Tagebuch. Mach das völlig wertfrei. Sehr oft stecken wir unsere Gefühle ja in Kategorien: Das ist erlaubt und erwünscht oder das ist nicht erlaubt und soll nicht beachtet werden. Gefühle an sich sind aber eigentlich wertfrei. Sie möchten nur wahrgenommen werden. Vielleicht sprechen dich Bilder an, die du schon lange aufgeschoben hast, weil für sie einfach kein Platz war. Jetzt hast du die Gelegenheit und kannst sie wieder wahrnehmen. So hast du eine richtige Gefühlsseite in deinem Künstler-Tagebuch.
Das meint Alex
Ich habe zuerst überlegt, ob ich eher Gefühle in Landschaften oder in Gesichtern sehe. Eigentlich spricht mich beides sehr an und ich habe dann beides benutzt. Ich mag Landschaften mit Lavendelfeldern. Sie drücken für mich eher ruhige Gefühle aus. Doch mich hat auch ein Bild einer starken Brandung am Strand angesprochen. Manchmal fühle ich mich auch sehr energiegeladen. Und dann habe ich noch Stimmungen von Menschen gefunden, die mich angesprochen haben. Und so ist am Ende eine sehr vielschichtige Gefühlsseite in meinem Künstler-Tagebuch
entstanden. Es sind auch viele Gefühle dabei, die ich nur selten wahrnehme. Und auch viele aufgeschobene Gefühle, die ich jetzt aber wieder richtig gut erkenne. Das ist sehr erleichternd.
3. Dein innerer Reise-Kompass
Leben ist nicht genug, sagte der Schmetterling.
Sonnenschein, Freiheit und
eine kleine Blume muss man haben.
Hans-Christian Andersen
Bunte Basis
Ein Kompass zeigt eigentlich nur eine Richtung an und zwar die nach Norden. Die anderen Richtungen kannst du dann ableiten. Aber diese eine Ausrichtung ist es, die dir als Wegweiser dient. Hast du auch eine Ausrichtung in deinem Leben, die du kennst? Falls nicht, macht das nichts, denn in dieser Mitmach-Möglichkeit wirst du dir mehr bewusst, wohin dein persönlicher Kompass zeigt.
Das brauchst du
Einen Stift und einen Kompass, aber es genügt auch die Erinnerung, wie ein Kompass aussieht
Dein innerer Künstler lächelt, weil …
du ständig besser deine eigene Richtung spürst und deinem inneren Künstler immer näher kommst.
Deine Mitmach-Möglichkeiten
Zeichne heute in dein Künstler-Tagebuch einen Kompass auf. Doch statt der Himmelrichtungen Norden, Osten, Süden und Westen, schreibst du Ich, Familie, Beruf und einen Aspekt extra hinein, der dir persönlich sehr wichtig ist. So kann dein Kompass also in vier verschiedene Richtungen zeigen, die alle dein Leben betreffen. Als nächsten Schritt zeichnest du nun die Kompassnadel ein. Wohin soll sie zeigen? Welches Ziel steuerst du an? Du kannst natürlich auch noch feinjustieren. Vielleicht hast du als großes Ziel Kreativität als Richtung beschriftet. Was befindet sich dann zwischen Kreativität und Familie? Also auf dem Kurs Nordwest zum Beispiel? Oder was befindet sich auf deinem Kompass zwischen Beruf und Ich, als Kurs Nordost? Und wohin pendelt deine Kompassnadel oft automatisch?
Du kannst auch ein Streichholz nehmen und es als Kompassnadel in verschiedene Richtungen drehen. Welche Richtung fühlt sich für dich gut an?
Schreibe die Impulse, die du bekommen hast, neben deinen Kompass in das Künstler-Tagebuch.
Das meint Micha
Mein Kompass hat eine Hauptrichtung: der Beruf. Ich merke, wie sehr ich an meinen Beruf auch in der Freizeit denke und oft nur wenig Raum für...