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Brain Rules fürs Älterwerden

Lebensfroh, vital und geistig fit bleiben

AutorJohn Medina
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783456758985
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Es geht nicht darum, möglichst lange zu leben, sondern gut länger zu leben. Der Entwicklungsbiologe Medina liefert wertvolle Tipps, wie wir unser Gehirn optimal pflegen und ihm Nahrung geben können. Die Leser*innen erfahren in diesem Buch alles, was sie über die Ursachen und Auswirkungen des Alterns wissen müssen. Der Autor zeigt, wie Älterwerden eine erfüllende Erfahrung sein kann, von der die Leser*innen und ihr Gehirn für den Rest ihres Lebens profitieren. Das Buch beschreibt nicht nur, wie das Gehirn altert, sondern auch, wie man die Abnutzungserscheinungen des Alterns verringern kann. Themen sind unter anderem: - wie die Gedächtnisleistung gesteigert werden kann - warum Freundschaften überlebenswichtig sind - warum man länger lebt, wenn man mehrere Stunden pro Tag ein Buch liest - warum bestimmte Videospiele die Problemlösungsfähigkeit verbessern können «Brain Rules fürs Älterwerden» ist in vier Teile gegliedert: 1. Das soziale, 'fühlende' Gehirn: Beziehungen, Wohlbefinden, Gutgläubigkeit im Alter sowie die Veränderung der Emotionen mit den Jahren 2. Das denkende Gehirn: Wie verändern sich die Gehirnstrukturen, wenn wir älter werden? 3. Der Körper: Wie können bestimmte Übungen, Ernährung und Schlaf den altersbedingten Abbau verlangsamen? 4. Die Zukunft: Der Ruhestand und die Unvermeidbarkeit des Todes Die ersten drei Teile sind gespickt mit praktischen Ratschlägen. Medina zeigt, wie bestimmte Maßnahmen die Leistung verbessern können und welche neurowissenschaftlichen Erkenntnisse diesen Maßnahmen zugrunde liegen.

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Leseprobe

|11|Einführung


In diesem Buch steht alles, was Sie über die Ursachen und Auswirkungen des Alterns wissen müssen. Anhand von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen lege ich dar, wie Sie das Älterwerden zu einer erstaunlich erfüllenden Erfahrung machen können, von der Sie und Ihr Gehirn für den Rest Ihres Lebens profitieren. Wir beginnen mit einer Gruppe von siebzigjährigen Männern, die sich in die kompetenten Hände der bekannten Harvard-Psychologin Ellen Langer begeben haben.

Fröhlich wie Kinder verlassen die älteren Herren eines schönen Herbstmorgens ein Kloster in New Hampshire. Unter Langers Beobachtung haben sie fünf Tage in dem alten Gemäuer zugebracht. Jetzt fahren sie nach Hause – lachend, ausgelassen, aktiv, gut drauf. Wir schreiben das Jahr 1981. Es ist die erste Amtszeit von Ronald Reagan, und die Siebzigjährigen wirken so fit wie der vierzigste Präsident der Vereinigten Staaten, der zufällig genauso alt ist wie sie. Doch diese Senioren, alles Teilnehmer an Langers Forschungsprojekt, haben gerade eine Zeitreise hinter sich. Ihre Gehirne haben die letzte Woche nicht im Jahr 1981 verbracht, sondern im Jahr 1959. Überall im Kloster wurden Songs wie „Mack the Knife“ und „The Battle of New Orleans“ gespielt. Im Schwarz-Weiß-Fernsehen lief Rauchende Colts und Basketball: Die Boston Celtics schlugen in der Endrunde die Minneapolis Lakers (jawohl, die Minneapolis Lakers!), und Johnny Unitas spielte für die Baltimore Colts. Originalausgaben des Life Magazine und der Saturday Evening Post lagen herum. Gerade hatte Ruth Handler den Spielzeugkonzern Mattel davon überzeugt, eine schlanke Plastikpuppe mit weiblichen Kurven auf den Markt zu bringen, die den Spitznamen ihrer Tochter, „Barbie“, trug und für Mädchen in der Vorpubertät gedacht war. Präsident Eisenhower hatte vor Kurzem den Hawaii Admission Act unterzeichnet und damit den fünfzigsten Bundesstaat in die USA aufgenommen.

Diese Reise in die Vergangenheit ist der Grund, weshalb die Männer an diesem Morgen so gut gelaunt sind. Während sie auf den Bus warten, der sie nach Hause bringen soll, fangen sie spontan an, Touch Football zu spielen, was die meisten von ihnen seit Jahrzehnten nicht mehr getan haben.

Sie hätten diese Männer 120 Stunden zuvor sehen sollen: schlurfender Gang, schlechte Sehkraft und nachlassende Gedächtnisleistung, eingeschränktes Hörvermögen. Einige stützten sich beim Betreten des Klosters auf Gehstöcke, manche wa|12|ren nicht in der Lage, ihr Gepäck in ihr Zimmer zu tragen. Langer und ihr Team hatten die Probanden im Vorfeld auf Herz und Nieren geprüft und ihre Gehirne beurteilt. Diese Tests machten eins deutlich: Bevor sie das Kloster betraten, entsprachen die Männer dem Stereotyp des Greises. Es war, als hätte eine Casting-Agentur sie unter der Vorgabe „Wir brauchen acht gebrechliche Senioren“ ausgewählt.

Sie blieben aber nicht gebrechlich. Am Ende ihres Aufenthalts wurden sie noch einmal den gleichen Tests unterzogen. Als ich den New-York-Times-Bericht über die quantifizierbaren Ergebnisse las, stockte mir der Atem. Selbst eine oberflächliche Vorher-nachher-Betrachtung ließ eine dramatische Veränderung erkennen: Die Körperhaltung der Männer war stabiler, die Griffstärke ihrer Hände – ein wichtiges Maß in der Altersmedizin – hatte zugenommen, und sie wiesen eine bessere Handfertigkeit auf. Außerdem waren sie viel beweglicher (Touch Football, man stelle sich das vor!). Ihr Hörvermögen hatte sich verbessert, ebenso ihre Sehkraft. Die Art und Weise, wie sie sich unterhielten, ließ erkennen, dass auch in ihren Gehirnen etwas geschehen war. Dieser Eindruck wurde durch erneute IQ- und Gedächtnistests bestätigt. Das außergewöhnliche Experiment wurde treffend als die „Counterclockwise“-Studie bezeichnet, weil es bei den Teilnehmern gewissermaßen „die Uhr zurückgedreht“ hatte.

Das Buch, das Sie in Händen halten, befasst sich damit, was in jenen fünf Tagen mit den Männern geschah – und was statistisch betrachtet mit Ihnen geschehen wird, wenn Sie die Empfehlungen auf diesen Seiten beherzigen. Eine derart optimistische Aussage ist alles andere als typisch für mich. Schließlich bin ich ein griesgrämiger, skeptischer Neurowissenschaftler. Jeder Satz in diesem Buch gibt wissenschaftliche Erkenntnisse wieder, die veröffentlicht, mittels Peer-Review (also durch andere Wissenschaftler) beurteilt und mehrfach repliziert worden sind (siehe Literaturverzeichnis in diesem Buch). Mein Fachgebiet sind die genetischen Grundlagen psychischer Störungen. Aber wenn Sie glauben, dass es beim Älterwerden nur um das Nachlassen der Kräfte geht, sollten Sie sich ein wenig Zeit nehmen und andere Standpunkte berücksichtigen, etwa den von Langer – oder den dieses Buches.

Brain Rules fürs Älterwerden beschreibt nicht nur, wie das Gehirn altert, sondern auch, wie man die Abnutzungserscheinungen des Alterns verringern kann. Dieses Forschungsgebiet wird „Alternsforschung“ genannt.1

|13|In diesem Buch erfahren Sie, was Alternsforscher bereits wissen. Sie lernen, wie Sie Ihre Gedächtnisleistung steigern können, warum Freundschaften im wahrsten Sinne überlebenswichtig sind und warum Sie so oft wie möglich mit Ihren Freunden tanzen gehen sollten. Sie erfahren, warum Sie länger leben können, wenn Sie mehrere Stunden pro Tag ein Buch lesen; warum das Erlernen einer Fremdsprache womöglich das Beste ist, was Sie für Ihren Kopf tun können, vor allem wenn Sie sich vor Demenzerkrankungen fürchten; und warum regelmäßige, freundschaftliche Diskussionen mit Menschen, die anderer Meinung sind, wie „Gehirnvitamine“ wirken. In diesem Buch erfahren Sie außerdem, warum bestimmte Videospiele Ihre Problemlösungsfähigkeit verbessern können.

Nebenbei werden wir mit ein paar Mythen aufräumen. Vergessen Sie die „Wenn Sie sofort bestellen, bekommen Sie die doppelte Menge zum gleichen Preis“-Angebote dubioser Geschäftemacher, die Ihnen irgendwelche Jungbrunnen-Elixiere anpreisen – so etwas gibt es nämlich nicht. Das Problem beim Altern ist weniger der Verschleiß als die mangelnde Reparaturfähigkeit des Körpers. Und es ist nicht unvermeidbar, dass Ihre geistigen Fähigkeiten mit den Jahren nachlassen. Wenn Sie den Ratschlägen in diesem Buch folgen, kann Ihr Gehirn in jedem Alter plastisch (sprich: formbar), lernbereit und entdeckungswillig bleiben.

Wir werden auf diesen Seiten auch feststellen, dass Altern nicht nur Nachteile mit sich bringt, sondern auch ein Gewinn sein kann – für den Kopf ebenso wie für das Herz. Ihre Fähigkeit, das Glas halb voll (und nicht halb leer) zu sehen, nimmt mit steigendem Alter zu, während das Stressniveau sinkt. Hören Sie also nicht auf diejenigen, die Ihnen weismachen wollen, dass Altwerden automatisch Verdrießlichkeit bedeutet. Wenn Sie es richtig anstellen, kann das Alter zu den besten Jahren Ihres Lebens gehören.

Vier Teile


Brain Rules fürs Älterwerden ist in vier Teile gegliedert. Der erste Teil befasst sich mit dem sozialen – beziehungsweise „fühlenden“ – Gehirn und untersucht Themen wie Beziehungen, Wohlbefinden und Gutgläubigkeit im Alter; hier wird auch aufgezeigt, wie sich Ihre Emotionen mit den Jahren verändern. Im zweiten Teil geht es um das denkende Gehirn und darum, wie sich die kognitiven Vorrichtungen verändern, wenn wir älter werden. (Mit „Vorrichtungen“ meine ich die komplexen, miteinander verbundenen Hirnregionen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen.) Manche dieser Fähigkeiten verbessern sich übrigens im Alter. |14|Der dritte Teil widmet sich dem Körper. Hier wird dargelegt, wie bestimmte Übungen, Ernährung und Schlaf den altersbedingten Abbau verlangsamen können.

Jeder dieser Teile ist mit praktischen Ratschlägen gespickt. Es wird gezeigt, wie bestimmte Maßnahmen die Leistung verbessern können und welche neurowissenschaftlichen Erkenntnisse diesen Maßnahmen zugrundeliegen.

Im letzten Teil geht es um die Zukunft – Ihre Zukunft. Hier werden erfreuliche Themen wie der (Un-)Ruhestand und unerfreuliche wie die Unvermeidbarkeit des Todes behandelt. Außerdem fasse ich die vorangehenden Kapitel zu einem Tagesplan zusammen, mit dem Sie Ihr Gehirn gesund halten können. Lesen Sie unbedingt alle vier Teile. Warum, lässt sich am besten anhand des Amazonas erklären, genauer gesagt, anhand der Erkenntnisse von Sir David Attenborough über den Amazonas.

Ein mächtiger Strom


In den 1980er-Jahren schaute ich mir immer die außergewöhnlichen Dokumentarfilme des berühmten Naturforschers im Fernsehen an, und sie haben mich von mehr Irrtümern befreit, als ich je zugeben würde. Einer dieser Irrtümer hatte mit dem Amazonas zu tun.

Ich war immer davon ausgegangen, dass der wasserreichste...

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