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FASD bei Erwachsenen

Eine Orientierungshilfe für Bezugs- und Begleitpersonen von Menschen mit FASD

AutorBeate Weßing, Gerhild Landeck, Gisela Michalowski, Katrin Lepke
VerlagSchulz-Kirchner Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2024
Seitenanzahl68 Seiten
ISBN9783824899500
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,50 EUR
Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) sind eine lebenslange Behinderung. Sie betrifft Körper, Geist und Seele und wächst sich nicht aus. Besonders im Erwachsenenalter, wenn der schützende Rahmen der Familie verlassen wird oder Maßnahmen der Jugendhilfe nicht mehr verfügbar sind, geraten junge Menschen mit FASD oft an ihre Grenzen im Alltag. Menschen mit FASD benötigen zur Unterstützung und zur Bewältigung ihres Alltags Begleiter. Das können Bezugspersonen wie Lebenspartner, Eltern, Betreuer, Freunde etc. sein, aber auch z. B. Sozialarbeiter, Streetworker, Ärzte, Rechtsanwälte, Mitarbeiter von Wohneinrichtungen, Sporttrainer oder Leiter von Freizeitgruppen, die Menschen mit FASD ein zeitlich begrenztes Stück ihres Lebensweges begleiten. Die Bezugs- und Begleitpersonen sollten mit dem Behinderungsbild FASD und den persönlichen Eigenheiten des Menschen mit FASD vertraut sein. Entgegen einem oft defizitorientierten Denken sollen mit diesem Ratgeber Menschen mit FASD und ähnlichen Einschränkungen sowie ihre Bezugs- und Begleitpersonen ermutigt werden, vorhandene Talente und Begabungen stärker in den Vordergrund zu rücken, und die Bezugs- und Begleitpersonen darin bestärkt werden, sich für die Menschen mit FASD einzusetzen.

Gerhild Landeck ist Gründungsmitglied von FASD Deutschland e. V. Bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 2018 war sie 30 Jahre in der Stadtverwaltung Markranstädt im Bereich Soziales angestellt, zehn Jahre lang leitete sie dort die Allgemeine Beratungsstelle 'DURCHBLICK' und konnte u. a. im Rahmen der Selbsthilfe Menschen mit FASD in der Alltagsbewältigung beraten und begleiten. Für ihr langjähriges Engagement für Menschen mit Beeinträchtigungen erhielt sie im Oktober 2015 das Bundesverdienstkreuz.

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Leseprobe

| Hilfen für Menschen mit FASD

Hilfen im Alltag

Handreichung für Notfälle

Viele Bezugspersonen sorgen sich, dass eine akute und unvorhergesehene Situation (Unfall, Krankheit, Tod) eintreten könnte und sie plötzlich nicht mehr verfügbar sind. Empfehlenswert ist daher für solche Notsituationen eine Art „Handreichung“ für den FASD-Betroffenen, die individuell mit ihm besprochen und den persönlichen Gegebenheiten entsprechend ausgestaltet werden sollte.

Die Handreichung sollte folgende Fragen beantworten:

 Wen kann/soll die Person mit FASD in einer Notsituation ansprechen? (Name, Adresse, Telefonnummer von Verwandten, einer befreundeten Person, ggf. vom Hausarzt, einer Person im Sozialamt, Rathaus o. ä.) Wichtig ist, dass der Betroffene die zu informierende Person persönlich kennt, Vertrauen hat, ggf. den Weg zu ihr kennt!

 Wo liegen wichtige Unterlagen (z. B. Versicherungsunterlagen)?

 Um was muss die Person mit FASD sich jetzt kümmern (z. B. das Haustier versorgen)?

 Das Geld ist alle – mit wem kann die Person mit FASD darüber sprechen?

 Wie kann die Person mit FASD sich an wichtige Termine erinnern? Termine sollten im Vorfeld immer wieder besprochen und in Papierform an einem bestimmten Ort verwahrt werden. Auf die Benutzung von diversen Erinnerungsfunktionen, wie z. B. die Erinnerungsfunktion im Handy, sollte der Betroffene vorbereitet sein. Auch können andere Personen, die ihn an Termine erinnern sollen, darauf vorbereitet werden.

Eigener Haushalt

Für Menschen mit FASD, die im eigenen Haushalt leben, ist die Alltagsbewältigung oft mit diversen Schwierigkeiten verbunden. Besonders eine strukturierte Hausarbeit kann Probleme bereiten.

Hier ist es hilfreich, einen gemeinsamen Wochenplan mit einem entsprechenden Tagesrhythmus – welche Aufgabe an welchem Tag erledigt werden sollte – aufzustellen. Ein sogenannter „Aufräumplan“ für jeden einzelnen Raum kann die Tätigkeiten enthalten, die individuell erforderlich sind. Um Überforderungssituationen zu vermeiden, kann man auch auf einzelne Karteikarten jeweils nur eine Aufgabe als Teilschritt aufschreiben. Eine Spalte zum Abhaken nach der Erledigung der Aufgabe sollte nicht fehlen.

Auch Erwachsene mit FASD brauchen immer wieder Lob und Ermutigung. Verzweiflung der Bezugsperson oder Vorwürfe wirken eher kontraproduktiv und es besteht die Gefahr, dass die Betroffenen sich weiteren Hilfsangeboten verschließen. Die Bezugspersonen können Menschen mit FASD nicht ihre eigenen Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit überstülpen (z. B. ohne gemeinsame Absprache renovieren, neue Möbel oder Gegenstände anschaffen), sondern sollten die aus ihrer Sicht bestehenden Unzulänglichkeiten eher akzeptieren.

Rechtliche Betreuung

Selbstbestimmung versus Unselbstständigkeit ist ein ethisches Dilemma, das besonders bei Menschen mit FASD deutlich wird.

Auch wenn Menschen mit FASD über eine durchschnittliche Intelligenz verfügen, einen Schul- und Berufsabschluss erreicht haben, ist in manchen Fällen zu ihrem eigenen Schutz eine gesetzliche Betreuung notwendig. Die Einschränkungen der Exekutivfunktionen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Alltagskompetenz führen häufig dazu, dass die Betroffenen trotz ihrer vorhandenen intellektuellen Fähigkeiten die Folgen ihres Handelns nicht einschätzen und sich selbst schaden können.

Das gesetzliche Sorgerecht der Eltern oder eine angeordnete Vormundschaft endet grundsätzlich mit Vollendung des 18. Lebensjahres.

Um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten, ist es ratsam, die Betreuung schon ca. ein halbes Jahr vor dem 18. Geburtstag beim zuständigen Familiengericht anzuregen. Bei Erwachsenen mit FASD ist in den meisten Fällen davon auszugehen, dass zunächst eine Betreuung sinnvoll ist.

§ 1908a BGB – Vorsorgliche Betreuerbestellung und Anordnung des Einwilligungsvorbehalts für Minderjährige
Maßnahmen nach den §§ 1896, 1903 können auch für einen Minderjährigen, der das siebzehnte Lebensjahr vollendet hat, getroffen werden, wenn anzunehmen ist, dass sie bei Eintritt der Volljährigkeit erforderlich werden. Die Maßnahmen werden erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit wirksam.

Die gerichtliche Bestellung eines Betreuers bedeutet immer einen immensen Eingriff in das Grundrecht auf Selbstbestimmung und ist an den engen Rahmen des Erforderlichkeitsgrundsatzes gebunden. Ein Betreuer wird vom zuständigen Amtsgericht nur bestellt, wenn der Betroffene aufgrund seiner psychischen Erkrankung oder körperlichen, geistigen bzw. seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst regeln kann.

Auch wenn ein Betroffener unter Betreuung gestellt wird, bleibt er weiterhin geschäftsfähig und kann eigenverantwortlich handeln. Eine Geschäftsfähigkeit ist dann nicht gegeben, wenn der zu Betreuende die Bedeutung einer rechtsverbindlichen Erklärung (z. B. einen Vertrag) tatsächlich und rechtlich nicht erfassen kann. Die Betreuung kann die verschiedensten Bereiche des täglichen Lebens umfassen. Ein Betreuer wird allerdings nur für die Aufgabenkreise bestellt, in denen eine Betreuung auch tatsächlich erforderlich ist, z. B. für die Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Wohnen, Behördenangelegenheiten, Post- und Fernmeldeangelegenheiten.

Eine Betreuung kann formlos von jedermann, z. B. den Sorgeberechtigten, von Angehörigen, vom Vormund, vom Sozialamt, von einem Anwalt usw. angeregt werden. Ein Erwachsener kann auch selbst für sich eine Betreuung anregen. Es ist sinnvoll, vorhandene Arztberichte und Gutachten bei der Anregung miteinzureichen. Zur Prüfung der Erforderlichkeit beauftragt das zuständige Gericht einen Gutachter. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht, in dem der zu Betreuende seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. dauerhaften Wohnsitz hat.

Sobald dem zuständigen Amtsgericht ein Antrag auf Anregung einer Betreuung vorliegt, wird ein Verfahren von Amts wegen eingeleitet. In diesem Verfahren muss der zuständige Richter den Betroffenen persönlich anhören. Dies erfolgt in den meisten Fällen in seinem sozialen Umfeld. Bei der Anhörung darf keine dritte Person anwesend sein, wenn der Betroffene dies nicht möchte. Es ist daher zu empfehlen, diesen Ablauf vorher mit dem zu Betreuenden zu besprechen. Meist sind die (jungen) Menschen mit FASD froh darüber, wenn sie von einer vertrauten Person in der Anhörung begleitet werden.

Es hat sich oft als sinnvoll erwiesen, wenn die bisherigen Bezugspersonen zunächst die Betreuung übernehmen. Sie wissen um die besonderen Bedürfnisse ihres Kindes/ Schützlings und verfügen in der Regel über fundiertes Wissen zum Thema FASD. Nur wenige Berufsbetreuer haben sich bisher mit dieser Materie befasst. Trotzdem kann es sinnvoll sein, einen Teil der Betreuung (z. B. die Vermögenssorge) an einen Ergänzungsbetreuer abzugeben, um die Eltern-Kind-Beziehung nicht unnötig zu belasten. Hierzu muss nicht zwingend ein Berufsbetreuer bestellt werden, dem Gericht können auch Freunde, Bekannte oder Verwandte vorgeschlagen werden, die zumindest über Basiswissen zum Thema FASD verfügen.

Gegen den freien Willen des Betroffenen darf keine Betreuung angeordnet werden. Das Gericht muss deshalb mittels eines Sachverständigengutachtens prüfen, ob der zu Betreuende zu einer freien Willensbildung in der Lage ist, das heißt, ob eine Einsichtsfähigkeit gegeben ist und ob er nach dieser Einsicht entsprechend handeln kann.

(Näheres siehe unter: Institut für Betreuungsrecht – Kester-Haeusler-Forschungsinstitut, www.betreuungsrecht.de)

Voraussetzung für eine gelingende Betreuung ist die Akzeptanz durch den Betreuten. Der zu Betreuende kann dem Gericht selbst eine Person vorschlagen, die seine Betreuung übernehmen soll. Ein naher Verwandter kann z. B. nur dann übergangen werden, wenn Gründe der Ungeeignetheit dagegen sprechen.

Die Bestellung eines anderen Betreuers gegen den Willen des zu Betreuenden ist nur bei dessen fehlender Einsichtsfähigkeit und ausschließlich über ein entsprechendes Gutachten möglich.

Dennoch benötigt nicht grundsätzlich jeder Mensch mit FASD einen gerichtlich bestellten Betreuer. Erteilt der Mensch mit FASD einer anderen Person eine umfassende Vollmacht, eine sogenannte Generalvollmacht, ist diese Person zur Stellvertretung in fast allen rechtlichen Angelegenheiten vor Behörden, Institutionen und auch vor Privatpersonen ermächtigt. Dies setzt ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer voraus. Eine weitere Voraussetzung ist die volle...

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