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KAPITEL 1
ABENTEUER JÜNGERSCHAFT
Warum Jüngerschaft essenziell ist
Keine Option
Jüngerschaft beginnt immer bei uns selbst. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht. Wirkliche Abkürzungen gibt es nicht. Das Überspringen von Themen und »schnell mal drübergehen« erfreut nur kurzfristig. Man muss in die Prozesse rein. Rein und durch. Und das kann man nicht allein. Dafür braucht es Menschen, die mit dir diesen Weg gehen. Es braucht erfahrene Leiter, die Inhalt und Takt vorgeben, und es braucht Freunde, die begleiten. Einfach ausgedrückt: Es braucht Gruppen oder Gemeinden mit jüngerschaftlicher Ausrichtung.
An vielen Orten findet man fundierte Bibelschulen, Lobpreisausbildungen, Evangelisationskurse und sogar ganze »Auszeitjahre« für Menschen jeden Alters. Diese Angebote sind hervorragend, wichtig und viele davon sind absolut am Puls der Zeit. Aber sie ersetzen nicht Jüngerschaft. Nicht einmal, wenn sie einige Elemente von Jüngerschaft berücksichtigen, egal ob geplant oder eher zufällig.
Jüngerschaft – mit den wesentlichen Kernprozessen – ist keine Option! Es ist nicht die Frage: Bibelstudium, Lobpreisschulung, Evangelisation oder Jüngerschaft. Jeder Christ braucht Jüngerschaft. Selbst der Weg zum Priester oder Pastor kommt in Wirklichkeit nicht darum herum. Darauf baut alles Weitere auf. Sie ist einfach die Basis. Ohne Abkürzung. Ohne Ersatz. Sie ist das Prinzip, das Jesus uns gezeigt hat. Und sie wird unser Leben verändern, weil sie unsere gewohnten Prinzipien auf den Kopf stellt. Wir verwandeln uns in die Denkweise Gottes hinein (vgl. Römer 12,2). Deshalb werden wir die Quintessenz von Jüngerschaft in diesem Buch etwas genauer unter die Lupe nehmen und uns ihren wichtigsten Grundthemen stellen.
Allein geht’s nicht
Die Themen der Jüngerschaft können studiert werden. Man kann sich wunderbar kognitiv mit ihnen auseinandersetzen. Man kann sie von allen möglichen und unmöglichen Seiten betrachten. Das ist gut und unbedingt notwendig. Aber der wesentliche Teil des Prozesses findet mit anderen Menschen zusammen statt. Jüngerschaft ist kein Hörsaalprogramm, kein Fernstudium ohne Kontakt zu einer Community, sondern lebt von der Auseinandersetzung mit anderen Menschen.
Ein befreundeter englischer Pastor hat vor Jahren folgende Geschichte von einer Frau aus seiner Gemeinde erzählt: Schon seit Längerem wurde sie nicht mehr gesehen, weder unter der Woche noch am Sonntag. Zufällig traf sie dann jemand beim Einkaufen. Sie erzählte, dass sie nicht mehr in die Gemeinde komme, weil sie eine bessere Möglichkeit gefunden habe: »So läuft mein Sonntag jetzt ab«, meinte sie. »Zuerst mache ich es mir im Wohnzimmer gemütlich. Dann lege ich Lobpreismusik auf und lobe den Herrn. Im Anschluss höre ich mir die allerbeste Predigt an, die ich gerade finden kann. Und zum Schluss mache ich noch mal Lobpreis.«
So verbringt sie die allerbesten Sonntage mit der allerbesten Person: mit sich selbst. Unser Freund hat nachgefragt, wie ihr Sonntag weitergeht. Legt sie in der Gebetszeit ihrem Teddybären die Hände auf und hört sich die Sorgen ihrer Barbiepuppe an? Keine Ahnung, wie die Geschichte ausging. So skurril diese Begebenheit auch klingen mag, sie ist ernster, als es scheint.
Heute findet man an vielen christlichen Orten ein ähnliches Denken: Ich schaue, dass es mir gut geht, dass ich bekomme, was ich brauche. Ich halte mich von vermeintlich anstrengenden Menschen fern, die mich zu sehr belasten könnten. Und eigentlich ist Glaube ja eh Privatsache …
Jüngerschaft ist das genaue Gegenteil. Jesus hatte einen klaren Grund, warum er sich Jünger aussuchte. Er wollte uns zeigen, dass Glaube eine Gemeinschaftssache ist. Manchmal denken wir, dass wir ohne die anderen wohl viel schneller heilig werden könnten. Wir müssten uns weniger ärgern, hätten wohl weniger negative Gedanken, wären viel geduldiger, litten weniger unter Vergleichen, Minderwertigkeitskomplexen und Stolz. Ja, Kirche ist oft recht anstrengend. Gemeinschaft auch. Aber womöglich ist es die Skipiste, auf der uns Gott das Skifahren lehren möchte. Die Community der Jünger ist also absolut essenziell. Heute. Und auch zur Zeit Jesu, in der ersten Jüngerschaftsschule der Geschichte.
Eins ist also klar: Allein geht’s nicht. Darum brauchst du zumindest eine Kleingruppe, in der du die Jüngerschaftsthemen durchkaust. Vielleicht startest du sogar eine? Ideen, wie man Abende zu den Themen dieses Buches gestalten kann, findest du übrigens auch in unserem Arbeitsbuch: »Lifestyle Jüngerschaft – das Kleingruppenmaterial. 12 Abende, die es in sich haben«. Vielleicht aber wagst du es sogar und machst eine Jüngerschaftsschulung?
Jüngerschaft hat noch ein zweites Merkmal, das absolut wesentlich ist: eine sehr hohe Lernbereitschaft. Keiner der Zwölf, so grundverschieden sie auch waren, war zufällig gewählt. Keiner stach durch besondere Geschicke oder Talente hervor. Keiner scheint besonders qualifiziert gewesen zu sein. Ganz im Gegenteil: Kaum jemand hätte sich diese Truppe zusammengestellt, um die ganze Welt zu retten. Und trotzdem wollte sie Jesus in seiner Crew dabeihaben. Sie waren keine Superhelden. Aber sie hatten eins, was sie alle verband: ein gelehrsames Herz. Sie waren bereit, sich auf ein Abenteuer einzulassen. Bereit, von Jesus, ihrem Meister, zu lernen. Bereit, Fehler zu machen. Wieder aufzustehen. Ohne Kompromisse. Na gut, Kompromisslosigkeit mussten sie sich erst aneignen. Sie waren eben auch Lernende – willkommen in der Jüngerschaft!
Wenn Jesus auf diese zwölf gesetzt hat, setzt er auch auf Menschen wie dich und mich. Mit allen unseren Ecken, Kanten und Eigenheiten sind wir gerufen, den Weg der Jüngerschaft zu gehen. Wie das geht, davon handelt dieses Buch.
Das dritte Merkmal von Jüngerschaft heißt: Nachfolge. Es gibt einen Meister, dem man folgt. Jesus ist unser König und je besser wir ihn kennenlernen, umso leichter werden wir ihm auch vertrauen. Wir beginnen, Teil seines Reiches zu werden. Er enthüllt uns unsere wahre Identität und in der tiefen Intimität mit ihm bekommen wir ein großes Maß an Autorität verliehen. Jüngerschaft bedeutet, in den Fußstapfen Jesu, in seine Schule zu gehen. Im Judentum gab es viele »Rabbis«, um die sich Schüler, sogenannte »Jünger«, scharten, die von ihm lernen wollten. Das war eine gängige Pädagogikform der Antike und ist bis heute in einigen Ländern noch verbreitet.
Die heutige Gehirnforschung lehrt uns verschiedene Prinzipien: Um etwas existenziell zu begreifen, braucht es zwei Dinge: das kognitive Wissen und das emotionale Erfassen. Sich Wissen anzueignen, geht recht schnell. Dafür reicht es, beispielsweise ein Buch zu lesen oder einen Vortrag anzuhören. Aber das zweite Moment, die emotionale Erfahrung, ist genauso wichtig und unabdingbar für einen lebensverändernden Prozess. Wenn Jesus drei Jahre in seine zwölf Jünger investierte und mit ihnen drei Mahlzeiten am Tag einnahm und viele Reisen unternahm, dann gab es sicher viele Momente, die emotionales Lernen hervorriefen. Sein Handeln war bedeutungsvoll und er tat vieles, um ein Zeichen zu setzen und etwas Wichtiges mitzuteilen.
Jesus lehrte die Jünger viele Prinzipien des geistlichen Lebens. Sein Auftrag, Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben und das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu bringen, gehört zum Standardprogramm von Jüngerschaft in der Bibel:
Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündert das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden. Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber zogen aus und verkündeten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte das Wort durch die Zeichen, die es begleiteten.
Markus 16,15-20
Wann hast du eigentlich das letzte Mal einen Kranken im Namen Jesu geheilt? Oder einen Dämon aus seinem Einflussbereich verwiesen? Ja – da haben wir vermutlich einige Dinge nachzuholen.
Bevor wir uns thematisch und lebenspraktisch in die Jüngerschaftsthemen hineinstürzen, kommt ein kurzer Blick auf die Entwicklung des Begriffes.
Missionarische Jüngerschaft
Dass missionarische Jüngerschaft nicht von irgendwoher kommt, dafür braucht man nur in die Bibel zu schauen. Zum einen hat Jesus im Gleichnis vom Salz der Erde (Matthäus 5,13-15) gesagt, dass wir uns nicht verstecken sollen und wir diejenigen sind, die dieser Welt den Geschmack seiner Herrlichkeit verleihen. Zum anderen ergeht an alle Christen der Missionsbefehl, den er seinen Jüngern gibt: »Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe« (Matthäus 28,19-20) – das ist keine Aufforderung, die ausschließlich an die damaligen Jünger oder die frühen Christen ging. Es bedeutet auch nicht, ein bisschen nett zu den Menschen zu sein. Es meint, ganz konkret Zeugnis zu geben von dem, was Jesus in deinem Leben getan hat und andere in »Reich Gottes«-Prinzipien zu unterrichten.
Zudem sendet Jesus nicht nur die Zwölf aus, sondern auch viele andere. Im Lukasevangelium 10,1-12 ist...