Westwärts – nordwärts – ostwärts
Cunard „Queen Mary 2"
New York – Kanada – New York – Southampton
New York/USA
Abflug 12 Uhr am Mittwochmittag, endlich auch für uns mit den neuen Business-Class-Sitzen der deutschen Lufthansa: Die sind enger als die alten, aber tatsächlich ganz flach und ausreichend lang. Das Ergebnis aber liegt insgesamt qualitativ weit hinter den Wettbewerbern Singapore oder Turkish Airlines. Der „leichte Lunch" – nach Lufthansa-Kundenumfrage optimiert, wie uns die Speisekarte verrät – besteht aus den Alternativen Rinderroulade mit Rosenkohl(!) oder Pasta mit Käsesauce: Manche lernen es einfach nie.
Der ausgedehnte Mittagsschlaf zur Überbrückung des doch achteinhalb Stunden währenden Fluges wird für Martin zur Höllenqual. Er schimpft wie ein Rohrspatz und nölt über das brettharte Bett, klagt über Hüftschmerzen. Das ist schwer zu verstehen, aber schnell aufgeklärt: Der neue, ultramoderne luftgefüllte Sitz hat wohl bald nach unserem Start seine komplette Füllung abgelassen und den schlafenden Martin auf den steinharten Boden der Tatsachen zurückgeführt („flat bed" im wahrsten Sinne des Wortes). Der Maître d'Cabin bedauert pflichtschuldigst, führt manuell ein IT-Reset durch und Martin kann die letzte Stunde neu abgefedert verbringen – prima!
Pünktliche Landung um 15 Uhr auf dem Flughafen John F. Kennedy, Hunderte Reisende stauen sich bei der Immigration. Dank unseres biometrischen Passes und NSA-gespeicherten Fingerabdrücken anlässlich unseres USA-Besuchs im vergangenen Jahr können wir die automatische Kontrolle passieren und sind nach nur zehn Minuten, noch vor unserem Gepäck, durchgecheckt: Schneller geht's derzeit nicht mal mehr nach Schengen-Österreich. Die ersten Koffer auf dem Band sind unsere, die auf Empfehlung unseres Reiseagenten und Freundes Bruce hier in NYC bestellte Limousine (www.dial7.com) bringt uns für nur 69 US-$ plus 25 % gratuity ins „Paramount-Hotel" (235 W 46th St) nahe dem Times Square. Auch dieses Hotel ist mal wieder vom weltweit allgegenwärtigen Philippe Starck designt, stockfinster und parfümiert, also extrem cool. Die zirka 14 Quadratmeter große Suite für lockere 420 €/Tag ist NYC-Standard, das WLAN ist inkludiert, aber naturgemäß kein Frühstück.
Wir schleppen uns durch den sonnigen und heißen Nachmittag und gehen nach einem erfrischenden ersten Bier ins Restaurant „Esca", eine gut gemeinte Empfehlung von unseren lieben Freunden Joachim und Thomas. Ein schöner Sitzgarten mitten im Getriebe des Theaterviertels, sehr relaxte Stimmung, aber leider ein Fischspezialitäten-Lokal: Wir ordern als „special" Spaghetti mit Tomatensauce, der Chef des Hauses akzeptiert unseren banalen Speisewunsch und wir genießen den ersten Abend in NYC (402 W 43 St, www.esca-nyc.com).
Das nicht inkludierte Frühstück nehmen wir (ersatzweise) in einer französischen Brasserie gegenüber unseres Hotels ein: klassisch amerikanisch, ein pappiges, Croissant-ähnliches Teil, plattgedrückt aus dem Burger-Waffeleisen, readymade Orange Juice und dünner Kaffee, alles zusammen für günstige 32 US-$, beim aktuellen Kurs zirka 30 €.
Der erste Weg führt uns ins neue „Whitney Museum" in Downtown (99 Gansevoort St), eröffnet im Mai 2015, ein Paradebau des italienischen Star-Architekten Renzo Piano (weitere Meilensteine des Meisters: Centre Pompidou, Paris; Daimler-Center, Berlin; Sammlung Beyeler, Riehen): Dieser Renommierbau ist „nur" dreimal so teuer geworden wie geplant, ein großartiges Stück moderner Architektur. Die gebuchten Tickets erlauben uns den sofortigen Zutritt. Eher selten für ein Museum: Wir gehen erst mal in das oberste Stockwerk rauf, um von einer der zahlreichen Terrassen die Aussicht auf Downtown zu genießen: Hier kämpft, wie auch auf allen anderen Stockwerken, die Kunst im lichtdurchfluteten Museum mit der aufregenden Umgebung, NYC von oben und auf Distanz, atemberaubend schön.
Die laufende Eröffnungsausstellung „America is hard to see" erweist sich als „a little bit of everything", wer will, findet einige gute Stücke unter den rund 600 Werken aus dem unerschöpflichen Fundus des „Museum of Modern Art" (MOMA). Erschöpft enden wir im Museums-Restaurant „Untitled", eine hippe Bude, „a must at the moment" (www.untitledatthewhitney.com, Reservierung empfohlen). Leicht irritiert reagieren wir allerdings auf unsere Tischnachbarn, da eine Dame(?) der anderen ein Geburtstagsgeschenk mitgebracht hat, eine Art seidener Schlüpfer/Negligé, dessen Qualität gleich zwischen den Tellern demonstriert und ausführlich erörtert wird: Wie weit ist es mit der berühmten Prüderie in den USA gekommen? Verkommen. Hinweis: Im 8. Stock des Museums befindet sich das „Studio Cafe" mit Terrasse, das eine Alternative zu sein scheint, Ausblick inklusive.
Das „Whitney Museum" steht direkt am Beginn/Ende des ebenfalls kürzlich fertiggestellten „Highline-Park", einer stillgelegten Hochbahnstrecke von 2,33 Kilometer, die bis zur 34th Street nach Norden führt (www.thehighline.org). Ein traumhaft schöner Spaziergang mit großartigen Ein- und Ausblicken steht daher auf dem Folgeprogramm, ein weiteres neues „Muss" für NYC-Besucher. Nach der Absolvierung gefühlter 35 Blocks gibt's eine Pause, bis wir uns um 19 Uhr im eiskalten, finsteren Foyer des Hotels mit unserem Neffen Grégoire (aus dem französischen Macon) und dessen Partner Clément treffen: Die beiden sind seit zwei Wochen in NYC, um ihr Design-/Kunststudium um ein Praktikum zu bereichern. Grégoire wird in den nächsten vier Monaten dem berühmten amerikanischen Videokünstler Mathew Barney assistieren. Wir laden die beiden Franzosen in die Traditionskneipe „Chez Josephine" ein (414 W 42nd St). Hinter dem Namen verbirgt sich ein wunderschönes Lokal, das von Jean-Claude, dem jüngsten der zahlreichen Adoptivsöhne von Josephine Baker (die Schwarze mit dem Bananenröckchen), seit über 25 Jahren betrieben wurde: Mit Bedauern müssen wir heute nämlich erfahren, dass sich der 71-Jährige vor sechs Monaten das Leben genommen hat. Wir verbringen einen trotzdem amüsanten Abend mit den beiden engagierten jungen „Künstlern". Sie leben in dem aktuell angesagten Williamsburg oberhalb Brooklyn, jenseits des East River, und waren erst zweimal in Manhattan. Wir begleiten sie anschließend zur U-Bahn und nehmen noch einen Absacker im Traditions-Gay-Club „Therapy". „Klappe zu" für uns vor 24 Uhr.
Den zweiten Frühstücksversuch starten wir im Café „Europa", halber Preis im Vergleich zum Vortag, auch nicht schlechter. Anschließend geht's rüber zum MOMA („Museum of Modern Art") in der Nachbarschaft, online reservierte Tickets auch hier – empfehlenswert –, und schon stehen wir vor vielen Meisterwerken der klassischen Moderne: Alles findet sich, nur wieder einmal kein Werk des von uns so verehrten Sam Francis; seine Werke schlummern wohl behütet im MOMA-Archiv einer ungewissen Verwendung entgegen. Um 12.30 Uhr gehen wir etwas vor der reservierten Zeit in das museumseigene Restaurant „The Modern" – ein Highlight jedes NYC-Besuchs (9 W 53 St). Dabei ist unbedingt (und rechtzeitig) ein Tisch im „Diningroom" zu buchen, an der Bar ist's finster und quirlig, kein Vergleich zu dem relaxten Genießen im Restaurant mit Blick auf den Skulpturengarten und „some happy few", die, dort draußen sitzend, ihren Lunch lieber aus der Pappkiste samt „Coffee to go" nehmen.
Die Fahrt zum Central Park klappt allerdings nur mit Hindernissen, denn es gefällt Papst Francis (aus Rom), dem „Big Apple" gerade den ersten Besuch in seinem Leben wie Pontifikat abzustatten, und zwar im Moment gerade verbunden mit einer Messe im Central Park. Wir sind also unfreiwillig Zaungäste, als er in seinem cremefarbenen, mit der Papst-Standarte geschmückten Fiat 500, umzingelt von schwarzen Security-Monsterlimos, dorthin rast, „blessing for free" sozusagen für uns. Wir sind auf dem Weg zu zwei Galerien in Sachen des anderen, des Künstlers Francis (Sam), zwei sehr schöne Arbeiten werden uns gezeigt. Deren im vielstellgen Bereich liegende „Schnäppchenpreise" machen uns die Entscheidung leicht, besser unbereichert von Kunst und nicht entreichert an Cash abzuziehen.
Solchermaßen von höchster Stelle gesegnet und beseelt geht's zum (verspäteten) Mittagsschlaf. Am frühen Abend starten wir dann Richtung Christopher Street, um einen Apéro in der Bar „Monsters" (2 for 1) zu nehmen, eine der ältesten Gay-Bars in town seit dem Stonewall-Aufstand 1969: Fast alle Gründungsmitglieder scheinen anwesend zu sein. Anschließend lassen wir uns einen lustigen Asiaten empfehlen, „Café Asean": Unter Studenten sitzend, genießen wir das Essen und die Atmosphäre im bunten Viertel. Ein Besuch in einer, zuletzt in unseren Jugendjahren besuchten, Gogo-Dancer-Bar beweist, dass nicht nur wir...