Vorwort
Eine gute Demenzpflegekraft ist gebildet, geschult und hat sich die nötigen Fertigkeiten angeeignet.
Demenz gehört zu den größten Gesundheitsproblemen, mit denen die heutige Gesellschaft weltweit konfrontiert ist. An den vorgeschlagenen Pflegepfaden wirken viele Disziplinen und Sektoren des Gesundheitswesens mit, wobei die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung der mit der Versorgung von Menschen mit Demenz betrauten Fachkräfte Priorität hat.1 Das heißt, dass ausnahmslos alle Beteiligten „Demenzbewusstsein“ entwickeln müssen.
Wir wollen die professionellen Pflegekräfte und alle anderen Pflegenden unterstützen, damit sie die Bedürfnisse demenzkranker Menschen eher wahrnehmen und ihre Fertigkeiten und Expertise verbessern, um so einen immer höheren Beitrag zum Wohlbefinden der Menschen mit Demenz, ihrer Pflegepersonen und ihrer Familien leisten zu können.
In England leiden rund 676000 Personen, in Großbritannien insgesamt 850000 Personen an einer Demenz.2
Die mit der Versorgung von Menschen mit Demenz betrauten Arbeitskräfte sind für diese Aufgabe nicht ausreichend gerüstet: Das ist der Kern des Problems. Die wichtigsten Akteure und Interessensgruppen sind inzwischen dabei, auf diese Herausforderung zu reagieren.
Die Alzheimer-Gesellschaft hat vor einiger Zeit festgestellt, dass Menschen mit Demenz länger im Krankenhaus liegen als andere Kranke, was ihrem geistigen Zustand und ihrer körperlichen Verfassung erheblich schadet3. Fast gleichzeitig veröffentlichte das Department of Health (DoH, die staatliche Gesundheitsbehörde) für England den Aktionsplan Living well with dementia: A National Dementia Strategy, der als wichtigste Voraussetzung für dessen Umsetzung dazu verpflichtet, für gut ausgebildetes und leistungsfähiges Personal zu sorgen.4
Menschen mit Demenz können bekanntlich nur wirksam unterstützt werden und ein gutes Leben führen, wenn wir nicht nachlassen, über dieses Leiden aufzuklären und für mehr Verständnis zu werben, damit die Gesellschaft schließlich umdenkt und anders mit Demenz und Demenzbetroffenen umgeht. Jede Organisation und jede Einzelperson spielt dabei eine Rolle, trägt Verantwortung und muss handeln, um das zu erreichen.
In allen Sparten des Gesundheitswesens besteht ein ausgeprägtes Interesse und ein echter Bedarf an Wissen, Richtlinien und Informationen, angefangen bei der Prävention bis hin zur End-of-Life Care.
Dementia Core Skills Education
and Training Framework
Das Dementia Core Skills Education and Training Framework (das Schulungs- und Ausbildungsprogramm für Demenzpflegekräfte) ist eine außerordentlich hilfreiche Quelle, weil es alle zentral wichtigen Fertigkeiten und alle notwendigen Informationen enthält, die im gesamten Spektrum des Gesundheits- und Sozialwesens benötigt werden.5
Das Projekt wurde vom Department of Health in Auftrag gegeben und finanziert und zusammen mit den Institutionen Skills for Health, Health Education England, Skills for Care sowie einer beratenden Expertengruppe entwickelt, was sicherstellte, dass viele verschiedene Organisationen, Akteure und Interessensgruppen eingebunden waren. Es wurde im Oktober 2015 lanciert und ist ein umfassendes Hilfsmittel für sämtliche Gesundheitspflegesettings sowie alle Bereiche der Sozialen Arbeit. Es soll die Organisationen bei folgenden Aufgaben unterstützen:
- Standardisierung der Inhalte von Demenzausbildung und Demenzschulung
- Fokussierung der Ausbildung und des Unterrichts auf die wichtigsten Lernergebnisse
- Sicherung der Relevanz des vermittelten Demenzwissens
- Verbesserung der Qualität und Konsistenz der Ausbildungs- und Schulungsbedingungen.
Das Programm nennt die erforderlichen Ausbildungsstandards, zu denen auch die Aufklärung über Demenz sowie die Förderung des Wissens und der Fertigkeiten derjenigen gehört, die regelmäßig Kontakt mit demenzbetroffenen Menschen haben, und die Weiterbildung aller Führungskräfte.
Aufklärung und „soziales Handeln“
Inzwischen ist es gelungen, die Wirtschaft, lokale Behörden, den ganzen öffentlichen Sektor sowie die Zivilgesellschaft zur Zusammenarbeit zu bewegen und durch ihr Engagement für demenzfreundliche Kommunen der Diskriminierung von Menschen mit Demenz entgegenzuwirken.
Über zwei Millionen Menschen sind „Demenzfreunde“ geworden und haben sich einem Programm der Alzheimer’s Society (und Public Health England)6 angeschlossen – ein phänomenaler Erfolg der Aufklärungskampagne und des Aufrufs zu sozialem Handeln. Dass inzwischen weitere 400000 „Demenzfreunde“ gewonnen werden konnten und ihnen auch Informationsmaterial über den Umgang mit ethnischen Minderheiten zur Verfügung steht, ist eine sehr gute Entwicklung.
Die fünf wichtigsten Botschaften des erfolgreichen Programms der „Demenzfreunde“ lauten:
- Demenz ist keine normale Alterserscheinung.
- Demenz ist die Folge einer Hirnerkrankung.
- Demenz bedeutet nicht nur Gedächtnisverlust.
- Auch mit Demenz ist ein gutes Leben möglich.
- Der Mensch ist immer mehr als seine Demenz.
Heute sind über zwei Drittel der Patienten und Patientinnen in Akutkrankenhäusern über 65 Jahre alt und davon werden zunehmend mehr an einer Demenz leiden.7 Bei vielen Menschen wird, wenn sie aus einem anderen Grund im Krankenhaus liegen, dort erstmals eine Demenz diagnostiziert. Deshalb müssen alle Krankenhausärztinnen und Krankenhausärzte, in der Lage sein, sämtliche Aspekte der Versorgung ihrer demenzbetroffenen Klientel zu managen.
Alle an der Versorgung von Menschen mit Demenz Beteiligten müssen informiert und qualifiziert sein und ausreichend Zeit für diese Aufgabe haben. Sie sind vollständig in das „soziale Handeln“, d.h. den Veränderungsprozess einzubinden. Hier einige Beispiele:
- Alle Pflegefachkräfte und Pflegehilfskräfte brauchen eine gute Ausbildung und Schulung. Das Angebot muss niedrigschwellig und praxisorientiert sein, der Schwerpunkt soll auf ihrer inneren Haltung, der Kontaktaufnahme und der Kommunikation mit Menschen mit Demenz liegen.
- Sprech- und Sprachtherapie soll auch Menschen mit Demenz zur Verfügung stehen, um Kommunikations- und Schluckstörungen zu behandeln. Entscheidend ist, die therapeutischen Interventionen früh zu beginnen, damit die Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Pflegenden rechtzeitig erfüllt werden.
- Soziale Arbeit ist das Herzstück, wenn es darum geht, demenzkranke Menschen zu ermächtigen, ihnen die Risikoscheu zu nehmen und sicherzustellen, dass ihre Rechte gewahrt und gestärkt werden.8 Im Sozialdienst tätige Fachkräfte sollen gute Beziehungen zwischen Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen herstellen und dafür sorgen, dass diese im Zentrum sämtlicher Entscheidungen stehen und in ihrem Interesse entschieden wird.
- Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten evaluieren Menschen mit Demenz, um ihre Stärken und Beeinträchtigungen zu ermitteln und festzustellen, in welchen Leistungsbereichen interveniert werden muss.9
- Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten können ermitteln, welche Probleme die körperlichen Aktivitäten einer Person einschränken und Wege aufzeigen, die ihr die Teilnahme am Alltagsleben ermöglichen. Sie arbeiten mit der demenzkranken Person und den Angehörigen und ermutigen sie, körperlich aktiver zu werden, damit die gepflegte Person mobil und möglichst lang unabhängig bleibt.
Demenzwissen und Risikoreduktion
Über den Informationsstand der Gesellschaft in Sachen Gehirn-Fitness und deren Einfluss auf das Demenzrisiko ist bislang nicht viel geforscht worden. In Australien beispielsweise fand 2005 eine landesweite Umfrage statt, die ergab, dass die weit verbreiteten Ansichten über Demenzrisiken dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nur sehr eingeschränkt entsprachen und über die Verbindung zwischen Demenz und kardiovaskulären Faktoren fast nichts bekannt war.10 Dazu kommt, dass, selbst wenn diese Zusammenhänge erkannt werden, entsprechende Verhaltensänderungen nicht immer einfach sind.11
Das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Tatsache zu schärfen, dass ein gesunder Lebensstil das persönliche Demenzrisiko reduzieren kann, hat deshalb hohe Priorität. Der NHS-Health Check (National Health Service) nennt als eine seiner Pflichtaufgaben die Aufklärung der über 65-Jährigen über Demenz. Um diese Veränderung in Gang zu setzen, genügt es allerdings nicht, lediglich die in Heil- und Pflegeberufen tätigen Fachkräfte in Kursen über die neuesten Forschungsergebnisse zu informieren12.
Neue spannende Entwicklungen
Die Verantwortlichen in der Gesundheitsversorgung und der Sozialen Arbeit müssen besser informiert werden und wissen, welche Pflege- und Unterstützungsangebote im Anschluss an die Demenzdiagnose tatsächlich wirksam sind.
Die Rechte von Menschen mit Demenz, die wegen ihrer eingeschränkten geistigen Leistungsfähigkeit nicht mehr eigenständig entscheiden können, sind im Mental Capacity Act (MCA, Patientenverfügungsgesetz) von 2005 gesetzlich verankert. Das Gesetz trat im Jahr 2007 in Kraft, erlaubt Planungen und Entscheidungen im Namen anderer und wird sich vermutlich im klinischen Alltag...