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Als die Religion noch nicht langweilig war

Die Geschichte der Wüstenväter

AutorHans Conrad Zander
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641064501
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Aufklärung über die Gründerväter des christlichen Mönchtums
- Der Klassiker zu den Ursprüngen von Religion und Kirche

- Klug und anspruchsvoll: das große Sachbuch von Hans Conrad Zander zu den Wurzeln des Christentums

Hans Conrad Zander, geboren 1937 in Zürich, lebt heute in Köln. Er war Mönch im Dominikanerorden, Reporter des 'Stern' und Gastprofessor an der Universität Essen. Bekanntgeworden ist er als Autor von WDR und NDR ('Zeitzeichen') und als Verfasser von Sachbüchern und Satiren vor allem zur Religionsgeschichte.

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Leseprobe
"1. Kapitel DER SYRISCHE REBELL (S. 166-167)

Im Kloster von Teleda, hoch in den Bergen Syriens, herrschte im Jahr 412 christliche Harmonie. Das war das Verdienst des Abtes. »Heliodorus den Wundervollen« nannten sie ihn, wundervoll vor allem deshalb, weil er – ganz im Sinne des heiligen Pachomius – schon im frühen, formbaren Alter von drei Jahren Mönch geworden war. So heilig war der wundervolle Heliodorus im Kloster von Teleda geworden, dass er einmal einen Gast fragte, was das eigentlich sei, »ein Schwein«.

Er höre gelegentlich von einem Wesen reden, das so heiße. Aber er könne sich dieses Wesen nicht vorstellen, denn im Kloster von Teleda gebe es so etwas nicht, und über die Klostermauern hinaus habe er seit dem Alter von drei Jahren niemals mehr hinausgeschaut. Die andern achtzig Mönche vermutlich auch nicht. Ganz eingeschworen auf das Ideal totaler Gemeinschaft, standen sie alle zu gleicher Zeit auf. Sangen alle die gleichen Gebete. Aßen die gleichen Kräuter und die gleichen Körner. Fasteten und büßten in gleicher Demut alle gleich. Unter der wundervollen Leitung von Abt Heliodorus waren sie, die achtzig Mönche von Teleda, alle gleich heilig. Waren wirklich alle gleich heilig im Kloster von Teleda? Lange bevor einer es ausspricht, spüren in heiligen, oder, wie wir heute sagen würden, in politisch korrekten Gemeinschaften alle ein gleiches Missbehagen. So auch im Kloster von Teleda.

Noch sprach keiner es aus, doch alle spürten es: »Mit Bruder Simeon stimmt etwas nicht.« Die Stimmung heiliger Correctness in einem antiken Bergkloster heute beschreiben zu wollen, mag verwegen scheinen. Doch wir haben einen Augenzeugen »von seltener Güte« (Hans Lietzmann). Das ist Theodoret von Cyrus, ein syrischer Bischof, zugleich ein Intellektueller von griechischer Bildung und somit von unstillbarer Neugier. Ein Reporter der religiösen Aktualität seiner Zeit. Wo immer es im Syrien des 5. Jahrhunderts nach Heiligkeit roch, ist Theodoret sofort hingeritten, um seine Nase persönlich hineinzustecken. Er war jener Gast des Klosters von Teleda, der dem Abt Heliodorus die aufschlussreiche Bemerkung über sein Verhältnis zu den Schweinen entlockte.

Auch mit den übrigen Mönchen hat Theodoret regelrechte Interviews geführt, immer mit der einen Frage: Was hat nicht gestimmt mit Bruder Simeon? Bei Tisch war es zum ersten Mal aufgefallen. Pachomius hatte geboten, dass Mönche mit tief in die Stirn gezogener Kapuze essen sollten, damit keiner dem Nachbarn auch nur einen Bissen neide. Im Kloster Teleda fiel auf, dass Bruder Simeon seine Kapuze ungewöhnlich tief in die Stirn zog. Warum? Aß Simeon seinen Brüdern heimlich etwas weg? Achtzig Mönche schielten in einträchtigem Argwohn hinüber zu Bruder Simeon. Und dann die erschütternde Erkenntnis: Bruder Simeon aß keinem etwas weg. Tief hinter seiner Kapuze tat er etwas viel Schlimmeres: Simeon aß weniger.

Es bedarf keiner Klostererfahrung, um zu ermessen, wie gespannt die Lage in Teleda jetzt war. In jedem Büro ist das so: Solange einer nicht so gut ist wie die andern, ist das kein Unglück. Er wird belächelt, ihm wird zugeredet. Schlimm aber wird es, wenn einer besser sein will als die andern. Das war das Schlimme an Bruder Simeon: dass er besser sein wollte als die andern. Besser in der Askese. Nicht zufällig hatte der lateinische Westen das Wort »Asket« inzwischen übersetzt mit »athleta Domini«: »Spitzensportler Gottes«. Was ist ein Spitzensportler ohne Wettbewerb? Der Eklat kam zur Fastenzeit."
Blick ins Buch

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