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Über die »Gedanken und Erinnerungen« von Otto Fürst von Bismarck.

Mit einem Nachwort von Hans-Christof Kraus.

AutorGustav Schmoller
VerlagDuncker & Humblot GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl49 Seiten
ISBN9783428535262
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,90 EUR
»Das politische Testament Bismarcks an das deutsche Volk, mit seltener Spannung seit Monaten erwartet, ist in den letzten Novembertagen ausgegeben worden; wie viele Tausende habe auch ich es, in der Lektüre nicht mehr enden könnend, verschlungen und eile, in diesen Blättern kurz darüber zu berichten [...]« Gustav Schmoller, in: Über die »Gedanken und Erinnerungen« von Otto Fürst von Bismarck Gustav Schmoller, der mitten im Ersten Weltkrieg am 27. Juli 1917 starb, zählte nicht nur zu den bekanntesten und bedeutendsten deutschen Gelehrten seiner Zeit, sondern auch zu den einflussreichsten Wissenschaftspolitikern des wilhelminischen Kaiserreichs. [...] (Schmollers) genuine Wirklichkeitsnähe bedingte zugleich seine Zugehörigkeit zur politisch-wissenschaftlichen Elite des Kaiserreichs, und vor diesem Hintergrund wiederum war ihm in den verschiedensten Bereichen eine durchaus freiere, auch offenere Sprache möglich als manchen anderen Zeitgenossen [...]. Ein vielleicht besonders aufschlussreiches Beispiel gerade für diese Tatsache liefert Schmollers ausführliche Besprechung von Bismarcks »Gedanken und Erinnerungen«, die im Jahr 1898 nur wenige Wochen nach dem Tod des Altreichskanzlers erschienen und allgemein als öffentliche Sensation empfunden worden waren. [...] Tatsächlich war es eben nicht lediglich ein Memoirenwerk, sondern vor allem auch eine Art »Lehrbuch der Politik«, das Bismarck mit seinen Memoiren zu schreiben beabsichtigt hatte, und Schmoller war der erste der vielen Rezensenten dieses Werkes, der eben dies sofort erkannt und auf den Begriff gebracht hat - nicht zuletzt hierin liegt die besondere Bedeutung seiner frühen Besprechung der »Gedanken und Erinnerungen«. Aus dem Nachwort von Hans-Christof Kraus

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Leseprobe
(S. 27-28)

Ich glaube daher auch, daß die vollständige Aufdeckung dieser Konflikte und der jedesmaligen Versöhnung, welche hier zum erstenmal rückhaltlos geschieht, nicht nur nicht Schaden, sondern Segen stiften wird. Die volle Wahrheit gleicht auch hier dem Speere, der wohl Wunden schlagen kann, aber sie stets auch heilt. Nur wenn die Menschen endlich zu begreifen anfangen, wie unendlich schwierig das Regieren, das Zusammenfassen vieler zu einem Willen, ja nur das einheitliche Zusammenwirken zweier großer und edler Männer durch Jahre hindurch ist, werden sie beginnen, etwas verständiger über politische Fragen zu urteilen.

Und der letzte Eindruck der „Erinnerungen“ wird nach dem ersten tragischen doch am Ende der versöhnliche sein; gerade durch die Art, wie Bismarck sein Verhältnis zu Kaiser Wilhelm schildert. Nicht ohne Absicht sind die Kapitel über die beiden letzten Kaiser ans Ende gestellt. Nicht mit Worten des Grolls, wie er sie vorher reichlich nach den verschiedensten Seiten ausgeschüttet, scheidet der eiserne Kanzler von seinem Volke, sondern mit Worten der Liebe, der Pietät, der Dankbarkeit. Kaiser Wilhelm wird freilich in den ganzen zwei Bänden nur mit Verehrung behandelt.

Als er in Nikolsburg Bismarck vorgeworfen hatte, er lasse ihn vor dem Feinde im Stich und zwinge ihn zu schmachvollem Frieden, fügt Bismarck bei, er habe sich an dieser unverbindlichen Form der Zustimmung zu seinen Vorschlägen nicht gestoßen und beklagt es, daß er seinen geliebten Herrn so habe verstimmen müssen. Erst im vorletzten Kapitel schildert er im Zusammenhang die Persönlichkeit des Kaisers; ohne übertreibendes Lobwort, ja die Eigenheiten und Grenzen scharf bestimmend, aber die schönen ritterlichen und großen Züge in so rührender Weise, so hinreißend zeichnend, daß man sagen muß: so schön und so wahr ist entfernt kein anderes Porträt.

Bismarck erscheint nur als der Lehnsmann, der treue Diener des treuen Herrn, der sich jede Verstimmung, ja jede Ungerechtigkeit gern gefallen läßt, wie der Sohn es vom Vater hinnimmt. Er erzählt, wie der Kaiser offen sagt, er wisse, daß er von ihm geleitet werde, daß er ohne ihn sich in seinem Alter „blamieren“ würde, wie aber all das seiner königlichen Würde nie Eintrag getan, weil er sich seiner hohen Stellung und seines Wertes stets bewußt gewesen sei, daher er nie eine Spur von Eifersucht auf den Kanzler gezeigt habe. Und fast wie ein Jubel klingt es, wenn er zuletzt außer den vorher schon eingestreuten Dankesbriefen des Kaisers nun noch eine ganze Serie von solchen abdruckt, als wolle er sagen:

Seht, ihr Mäkler und Feinde, dieser e i n e, mein Herr, der mich kannte, er hat mich verstanden und gewürdigt! Auch was über Kaiser Friedrich gesagt wird, ist in ähnlichem Geiste gehalten. Ihr Verhältnis zueinander habe bis 1866 ab und zu geschwankt, später nie mehr. In den entscheidenden Konflikten mit Wilhelm I. war der Kronprinz stets auf Bismarcks Seite. Bei der Besprechung der Frage, ob Bismarck später bei ihm bleiben werde, hatte sich ein vollständiges Einverständnis ergeben auf Grundlage von dem Worte des Ministers: „Keine Parlamentsregierung und kein auswärtiger Einfluß in der Politik.“
Inhaltsverzeichnis
Über die „Gedanken und Erinnerungen“ von Otto Fürst von Bismarck6
Hans-Christof Kraus: Nachwort32

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