2 Gruppen-Module
In diesem Kapitel werden die Module der Gruppe mit Inhalten und therapeutischen Vorgehensweisen beschrieben. Am Ende jeder Modulbeschreibung wird eine Übersicht über Themen-Topics-Techniken-Tasks zur Verfügung gestellt. Diese Übersichten können dem Gruppenleiter als Leitfaden zur Gestaltung ihrer »Selbstmanagement am Arbeitsplatz«-Gruppen dienen. Die Übersichten haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere die psychotherapeutischen Topics und Techniken sind lediglich als Beispiele und Auswahl zu verstehen. Die Übersichtsblätter können als Gedankenstütze den Gruppen-Dokumentationsunterlagen beigelegt werden und so ständig griffbereit und einsehbar sein. Auch für die Supervision können sie zur Reflexion des eigenen Handelns genutzt werden, z. B. wenn es um die technische Durchführung und Umsetzung von edukativen oder psychotherapeutischen Topics geht. Fragen des Therapeuten an sich selbst in diesem Sinne sind: »Was war mein (edukatives oder psychotherapeutisches) Ziel?«, »Was habe ich gemacht?« und »Hat das, was ich gemacht habe, zur Zielannäherung beigetragen?«
2.1 Modul Arbeitsorganisation und Problemlösen am Arbeitsplatz
Thema
Ausgangspunkt sind Erfahrungen, die die Patienten in die Gruppe mitbringen, wie beispielsweise »Es ginge bei der Arbeit alles viel besser, wenn …
• meine Arbeit anders organisiert wäre«, oder
• ich ein anderes Zimmer hätte«, oder
• ich nicht mit diesem neuen Computerprogramm/dieser Kollegin arbeiten müsste…«
• usw.
Patienten kommen häufig mit einer Externalisierungstendenz und dem Glauben daran, dass eine Veränderung der Umstände die Lösung der eigenen Probleme bringen wird. Meist ist jedoch gerade dies nicht der Fall. Vorbestehende eigene Probleme tauchen nach vielleicht kurzzeitiger Freude über eine Veränderung auch im neuen Zimmer und bei der Arbeit mit einem alternativen Computerprogramm oder mit einer anderen Kollegin wieder auf.
Topic
In diesem Modul geht es darum zu lernen, alltägliche Phänomene und Probleme struktureller, materieller und zeitökonomischer Art am Arbeitsplatz zu erkennen, hilfreiche Bewertungen für Tatsachen zu finden und konstruktiv mit Arbeitsbedingungen umzugehen. Patienten sollen lernen zu erkennen, ob und wo sie etwas verändern können und ggf. wie, und in welchen Situationen sie lernen müssen, mit unveränderlichen Tatsachen umzugehen, ohne sich davon übermäßig beeindrucken zu lassen.
Edukativ geht es darum, den Patienten zu vermitteln, dass das Warten auf Veränderungen der Situation am Arbeitsplatz kein Allheilmittel ist, da der eigene Umgang mit den Gegebenheiten die Situation beeinflusst. Kontextänderung sollte nur im Sinne konkretisierender Kontextänderung erfolgen (z. B. betriebliches Eingliederungsmanagement in Absprache mit Betriebsarzt und Arbeitgeber). Ein Arbeitsplatz sollte nicht in einer Erkrankungsphase (z. B. depressive Episode) gekündigt werden.
Statt auf Änderungen der Umwelt abzuzielen, sollen Selbstmanagementfähigkeiten und die Idee eines proaktiven Umgangs mit Problemen vermittelt werden: Wenn man ein Problem bei der Arbeit wahrnimmt, kann man daran gehen, es zu konkretisieren, ggf. öffentlich zu benennen. Dann kann man überlegt und aktiv beginnen, es zu lösen. Zudem sollen Kompetenzen vermittelt werden, unveränderliche Bedingungen bis zu einem gewissen Grad zu tolerieren und die generelle Belastungsfähigkeit durch Aufbau von Selbstwirksamkeitserleben zu stärken. Dies wird anhand der Bearbeitung von alltagsüblichen Arbeitsplatzproblemen vermittelt.
Psychotherapeutisch geht es darum, Patienten mit psychopathologiebedingt ungünstigem Arbeitsverhalten (z. B. überflüssige Mehrarbeit wegen übermäßigem Nachkontrollieren bei generalisierter Sorgenangst oder Zwanghaftigkeit) erkennbar werden zu lassen, was ihr jeweiliges Problem ist. Es kann dann eine individuelle Strategie zur Verhaltensänderung oder Symptomtoleranz entwickelt werden (Linden & Hautzinger, 2015).
Technik
Im Ablauf einer solchen Sitzung geht es im ersten Schritt darum, Arbeitsprobleme genau benennen zu können. Es ist zu klären: Was ist eigentlich das Problem? In einer Sitzung sollte nur ein Problem bearbeitet werden, wobei jeweils exemplarisch ein Problemlösungsprozess geübt wird. In der abschließenden Zusammenfassung werden die wichtigen Eckpunkte und generelle Problemlösestrategien herausgearbeitet.
Um edukativ einen Problemlösungsprozess zu üben, kann in der Gruppe ein aktuelles sachliches Arbeitsplatzproblem eines Patienten aus der Gruppe zur Bearbeitung ausgewählt werden. Es kann auch ein vom Gruppenleiter vorgeschlagenes Beispiel bearbeitet werden.
Tab. 2.1: Beispiel für einen edukativ vermittelten Problemlösungsprozess
Nach der Problemdefinition ist in der Gruppe im Brainstorming zu überlegen, was man tun kann, um das Problem zu lösen. Es werden mehrere Möglichkeiten der Problemlösung bzw. Zielerreichung gesammelt, auf ihre potentiellen Wirkungen und Nebenwirkungen hinterfragt und ggf. eine Rangfolge überlegt: Zuerst Plan A, wenn das nicht klappt Plan B. Hierbei sollte immer nüchternsachbezogen und realistisch argumentiert werden, um unrealistische Wunschvorstellungen frühzeitig zu relativieren. So können beispielsweise externalisierende Erwartungen einer Korrektur unterzogen werden, etwa ob der Chef auf die Mitarbeiter zukommen und sich nach ihrem Befinden mit dem neuen Computerprogramm erkundigen muss.
Tabelle 2.1 zeigt die verschiedenen Schritte eines Problemlösungsprozesses an einem Beispiel ( Tab. 2.1).
In der Psychotherapiegruppe ist zunächst zu erarbeiten, um welche Art von Problem es sich handelt. Geht es um ein strukturelles Problem, oder um ein Problem Einzelner? Kommt das Problem des Einzelnen durch die Psychopathologie zustande, durch eine fehlende Qualifikation, durch eine Behinderung aufgrund eines Gesundheitsproblems oder aufgrund fehlender sozialer Fähigkeiten? Dies ist herauszufinden, indem man alle Gruppenmitglieder in die Bewertung des Problems einbezieht und fragt, wer damit auch ein Problem hätte.
Meldet sich kein Teilnehmer, außer dem einen, der sich mit dem Problem identifiziert, so wird untersucht, wie das kommt. Was machen die anderen anders als der vom Problem Betroffene? Damit kann man Mitpatienten als glaubwürdige Modelle benutzen, um bei dem vom »Problem« Betroffenen einen Perspektivwechsel und alternative Bewertungen oder Umgehensweisen anzuregen. Als Fazit aus diesem Beispiel ergibt sich, dass die emotionale Bedeutsamkeit von »Problemen« abhängig ist von der eigenen Bewertung.
Es gibt aber auch tatsächliche sachliche oder strukturelle Probleme, die dann auch allgemein von den Gruppenteilnehmern einstimmig als »Problem« angesehen werden. Der Problemlöseprozess kann dann edukativ erarbeitet werden (vgl. oben).
Auf einen Blick: Modul Arbeitsorganisation und Problemlösen am Arbeitsplatz
Edukatives Ziel:
• Problemlösekompetenzen für die Umstände, in denen Veränderungen durch eigenes aktives Handeln möglich sind
Psychotherapeutisches Ziel:
• die Fähigkeit stärken, unveränderliche Umstände mit einer gewissen emotionalen Ausgeglichenheit hinzunehmen, solange es moralisch vertretbar ist.
Trainiert werden in diesem Modul die Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, die Fähigkeiten zur Planung und Strukturierung von Aufgaben sowie die Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen (Muschalla, 2014b).
Übersicht: Modul Arbeitsorganisation und Problemlösen am Arbeitsplatz
Thema (über was geredet wird)
Umgang mit Belastungen am Arbeitsplatz, z. B.
• Lärm
• Arbeitsverdichtung, Controlling
• Gleichzeitigkeit von Aufgaben
• Zeitdruck
• logistische Probleme, lange Fahrzeiten
• zu kleiner Raum
• Computerarbeit
• plötzliche Veränderungen
• Arbeit an bestimmten Orten
• Sandwichposition zwischen Chef und Mitarbeitern
• Zeitmanagement und Arbeitsorganisation
• Arbeitsunfähigkeit und...