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E-Book

Somatoforme Störungen

Psychodynamisch-Interpersonelle Therapie (PISO)

VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl134 Seiten
ISBN9783840922954
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Körperbeschwerden ohne eindeutigen organischen Befund treten in der Allgemeinbevölkerung sehr häufig auf und stellen eine versorgungsmedizinische Herausforderung dar. Der Band stellt das therapeutische Vorgehen nach der Psychodynamisch-Interpersonellen Therapie bei somatoformen Störungen (PISO) vor. Einführend werden aktuelle Befunde zur Epidemiologie, zu Verlauf und Prognose und zu den einzelnen Störungsbildern, die zur diagnostischen Kategorie der somatoformen Störung gehören, referiert. Nach einer Übersicht über Störungsmodelle und -theorien zur Entstehung der somatoformen Störung und einer ausführlichen Darstellung des diagnostischen Vorgehens werden die Therapieprinzipien und Phasen der PISO-Intervention erläutert. Prinzipien dieser manualisierten Kurzzeittherapie sind u.a. das Entgegenbringen von Symptomverständnis, die individuelle Klärung interpersoneller Prozesse der Symptomentstehung und -aufrechterhaltung sowie die aktive Einbeziehung des Körpers, z.B. durch Entspannungselemente. In den Therapiephasen wird die Wahrnehmung von Körpersymptomen sowie der Zusammenhang mit Affekten und Beziehungsepisoden geschult. Es werden Strategien für den Umgang mit den Beschwerden entwickelt. Falldarstellungen illustrieren das therapeutische Vorgehen. Abschließend liefert der Band Informationen zur Effektivität des Verfahrens und geht auf Varianten der Durchführung ein. Das Vorgehen eignet sich für das ambulante und stationäre Setting und kann sowohl in der Einzel- als auch in der Gruppentherapie angewandt werden.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis und Vorwort
  2. 1 Grundlagen
  3. 2 Störungstheorien und -modelle
  4. 3 Diagnostik und Indikation
  5. 4 Allgemeine Therapieprinzipien und Phasen der PISO- Intervention
  6. 5 Fallbeispiele
  7. 6 Zur Wirksamkeit Psychodynamisch- Interpersoneller Therapie
  8. 8 Literatur
  9. 9 Anhang
  10. Die Autorinnen und Autoren des Bandes
Leseprobe
Der Einfluss der Erkrankungsschwere wird in der Unterscheidung unkomplizierter und komplizierter Formen der somatoformen Störungen berücksichtigt (Henningsen et al ., 2007) . Die Einschätzung einer komplizierten Erkrankungsform erfolgt anhand der körperlichen und mentalen Symptomatik (vgl . auch Kapitel 3) . Die Unterscheidung wird therapeutisch in einem „Differential-stepped-care“-Modell aufgegriffen . Das Beschwerdebild in seiner unkomplizierten Form mit umschriebener Symptomatik wird gewöhnlich keiner psychotherapeutischen Behandlung bedürfen . Für komplizierte Formen wird im Behandlungsverlauf eine erweiterte psychosomatische Grundversorgung angeboten . Schlagen diese Maßnahmen fehl, wird eine psychotherapeutische Behandlung notwendig; wenn auch diese nicht gelingt, ist eine multidisziplinäre Behandlung unter Einschluss von Physiotherapie und Psychotherapie indiziert . Bei den ebenfalls verwandten umweltbezogenen Körperbeschwerden, die z . T . als Multiple Chemical Sensitivity Syndrom (MCS, synonym: Idiopathic Environmental Illness) bezeichnet werden, z . T . auch als spezifischere, z . B . amalgamoder elektrosmogbezogene Beschwerden, werden neben organisch-toxikologisch nicht ausreichend erklärbaren Körperbeschwerden auch psychische Beschwerden wie Konzentrationsund Merkfähigkeitsstörungen im nosologischen Konzept integriert . Die Lokalisierung der Beschwerdeursache in der Umwelt anstatt im Körper, welche durch den Betroffenen betrieben wird, führt nicht selten zu ausgedehntem Vermeidungsverhalten und damit zur Aufrechterhaltung und Verstärkung der Störung .

In Vorbereitung der nächsten Auflagen der Klassifikationssysteme, DSM-V (www .DSM5 .org) und ICD-11, stehen die geführten Debatten um die Zukunft der Kategorie der somatoformen Störungen vor dem Abschluss .

Für das DSM-V gilt die „Complex Somatoform Symptom Disorder“ (CSSD) als Favorit, welche sowohl hinsichtlich ihrer Validität als auch der klinischen Relevanz Verbesserungen bringen wird (Voigt et al ., 2010) . Diese ist gekennzeichnet durch eine positive Charakterisierung des Störungsbildes unter Berücksichtigung von verhaltensbezogenen und psychologischen Faktoren sowie der Schwere der Erkrankung . Der Ausschluss organischer Erkrankungen wird nicht mehr gefordert . Dies könnte nicht nur die Behandlung der bisherigen somatoformen Körperbeschwerden, sondern auch von Beschwerden, die im Zusammenhang mit somatischen Körperbeschwerden stehen, im psychotherapeutischen Kontext nahelegen .

Obwohl auch für die ICD-10 eine Revision der Kategorie „somatoforme Störungen“ zu erwarten ist, sind gegenwärtig noch keine diesbezüglichen Aussagen verfügbar (www .who .int/classifications/icd/ICDRevision/en) .

Die Kategorie „Complex Somatoform Symptom Disorder“ nach DSM-V umfasst (nach Lahmann et al ., 2010):
• multiple gegenwärtige körperliche Beschwerden (oder eine einzelne sehr starke Beschwerde), welche als beeinträchtigend erlebt werden,
• Schwierigkeiten, unangenehme körperliche Empfindungen auszuhalten und adaptiv mit diesen umzugehen, Fehlattributionen, exzessive Sorgen und deutliche Beschäftigung mit Beschwerden und (potenziellen) Krankheiten,
• gesteigertes Inanspruchnahmeverhalten medizinischer Leistungen . Bei einer Dauer der Beschwerden von weniger als 6 Monaten spricht man von einer „acute somatic symptom disorder“, dauern die Beschwerden 6 Monate oder länger an, wird dies als „chronic somatic symptom disorder“ bezeichnet .

. 2 Störungstheorien und -modelle
Gudrun Schneider, Heribert Sattel, Joram Ronel und Peter Henningsen
2.1 Von der Hysterie zur somatoformen Störung

Die Konzeptualisierung somatoformer Störungen beginnt mit der faszinierenden Geschichte des Phänomens der Hysterie . Ob auf antiken Schilderungen eines ägyptischen Papyrus von 1900 v . Chr . oder in aktuellen Diskussionen hinsichtlich der Neugestaltungen des ICD-11 und DSM-V – seit jeher beschäftigten sich große Geister der Wissenschaft mit der Nahtstelle zwischen Soma und Psyche und den Fragen nach dem Dualismus des LeibSeele-Problems . Der Psychiatrie-Historiker Henry Ellenberger übertrieb wahrscheinlich nur geringfügig, als er behauptete, dass die Geschichte der Psychiatrie „zur Gänze auf den Studien zum Verständnis der Hysterie“ beruht (Ellenberger, 1961) beruht . „Hystera“ ist das griechische Wort für Gebärmutter und „Hysteria“ bezeichnet die „herumwandernde Gebärmutter“ . Die antike Vorstellung einer Organstörung des Uterus scheint aus unserer heutigen Perspektive zunächst befremdlich, wobei sich diese Anschauung im aktuelleren psychodynamischen Jargon (i . S . eines „psychosexuellen Konfliktes“) schnell wieder relativiert . Die Hysterie wurde über Jahrhunderte als Prototyp einer frauenspezifischen Erkrankung betrachtet, was teilweise bis heute in einigen epidemiologischen Vorstellungen (z .B . hinsichtlich dissoziativer Störungen) beharrlich andauert . Eine spezifisch feministische Historiografie und Gender-Forschungen setzen sich mit dieser Thematik immer wieder auseinander .

Entscheidende paradigmatische Fortschritte von „hysterischen“ zu „nervösen“ Konzeptualisierungen kamen letztlich erst im 19 . Jahrhundert zustande . Pierre Briquet (1796-1881) beschrieb erstmals eine polysymptomatische Form nervöser Beschwerden (Briquet, 1859) . Das zentrale Merkmal der polysymptomatischen Beschwerden war eine „extreme Empfindlichkeit des Nervensystems“ für äußere Stimuli, welches zu unterschiedlichsten Schmerzsymptomen, insbesondere im Bereich des Epigastriums und der linken Thoraxhälfte, führte.

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