Das Arbeiten in Organisationen unterliegt einem ständigen Wandel, da sich Organisationen selbst laufend verändern müssen. Bei den Auslösern des Wandels handelt es sich um veränderte Rahmenbedingungen, wie z.B. globalisierte Märkte und dadurch auftretende internationale Konkurrenz, wirtschaftliche Krisen, Produktinnovationen oder veränderte Gesetzeslagen. Insbesondere Letzteres trifft auf die Strukturen der deutschen Energiewirtschaft besonders zu. Je unterschiedlicher die Anforderungen des Marktes und der sonstigen Umstände sind, desto flexibler müssen Organisationen darauf reagieren und adäquate Veränderungsprozesse anstoßen.[38] Es lässt sich anhand der vorangegangenen Ausführungen des letzten Kapitels leicht nachvollziehen, dass die professionelle Bewältigung von Veränderungsprozessen, bedingt durch die Tatsache, dass zwischen 1935 und 1996 kaum ein größerer Wandel der Rahmenbedingungen stattgefunden hat, für EVU eine besonders große Herausforderung darstellt.
Ausmaß und Geschwindigkeit des Wandels können je nach Organisation unterschiedlich sein. Die Tatsache aber, dass Veränderungen stattfinden, und zwar zunehmend schneller und mit höherer Komplexität, gilt heute für alle Organisationen gleichermaßen. Der Wandel kann dabei einerseits unbeabsichtigt und eher zufällig verlaufen, andererseits kann er durch bewusste Entscheidungen des Managements hervorgerufen und somit als rationaler Anpassungsvorgang an die Umwelt tituliert werden.[39] Mit dieser Art von Veränderungsprozessen beschäftigt sich das Phänomen des Change-Managements, welches folgendermaßen definiert werden kann:
„Change-Management ist die Strategie des geplanten und systematischen Wandels, der durch die Beeinflussung der Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und individuellem Verhalten zu Stande kommt, und zwar unter größtmöglicher Beteiligung der betroffenen Arbeitnehmer. Die gewählte ganzheitliche Perspektive berücksichtigt die Wechselwirkung zwischen Individuen, Gruppen, Organisationen, Technologie, Umwelt, Zeit sowie die Kommunikationsmuster, Wertestrukturen, Machtkonstellationen etc., die in der jeweiligen Organisation real existieren.“ [40]
Dieses Kapitel soll keine vollständige Übersicht über alle fachlichen Aspekte des Change-Managements liefern, sondern lediglich allgemeine Grundlagen bezüglich. des professionellen Umgangs mit Veränderungsprozessen vermitteln, da ja im Fokus dieser Arbeit das Thema Mitarbeiterführung unter geänderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen steht. Um jedoch den Führungsaspekt als zentralen Erfolgsfaktor in Veränderungsprozessen, wie im gesamten Kapitel 6 näher beleuchtet, besser verstehen und einordnen zu können, sind theoretische Hintergründe dazu unerlässlich.
Geplante Veränderungen, in der Regel auf einer visionären Strategie aufbauend, können im Bereich der Aufbau- und Ablauforganisation, dem sozialen Gefüge und im persönlichen Arbeitsverhalten (Kultur) vorgenommen werden. Sie haben generell eine fachliche und eine überfachliche Seite. Auf der fachlichen Seite unterliegen Veränderungen einem eher stringenten Verlauf, wie im nächsten Kapitel beschrieben. Die überfachliche Seite beschreibt die weichen und individuellen Reaktionen, die durch jede fachliche Veränderung bei Mitarbeitern und Führungskräften angestoßen werden. Sie sind selten planbar und kaum nach einem festen Ablaufschema umsetzbar. Überfachliche Aspekte sind wichtig, um fachliche Veränderungen zum Erfolg zu führen. Daher sollten Sie im besonderen Fokus der Führungskräfte stehen (siehe Kapitel 6.3.3). Dazu gehören bspw.:
die Akzeptanz der fachlichen Inhalte einer Veränderung,
die Überzeugung von der Notwendigkeit der Veränderung,
die Bereitschaft, die Veränderung mitzutragen,
die Unterstützung bei der konkreten Umsetzung der Veränderung.[41]
Viele Autoren im Themenfeld des Change-Managements haben versucht, Standardabläufe von Veränderungsprozessen zu beschreiben, die sich oft stark ähneln. In der folgenden Prozessdarstellung, die sich hauptsächlich an die Ausführungen von Kotter anlehnen und durch Aspekte von Kraus u.a. ergänzt werden, sind die wichtigsten Schritte eines organisatorischen Wandels beschrieben.[42]
Abb. 1: Prozessablaufplan von Veränderungsprozessen
In obiger Darstellung werden bereits die wichtigsten Instrumente eines effizienten Change-Managements benannt. Einige davon sollen an dieser Stelle nochmal auf Grund ihrer besonderen Bedeutung eindringlicher erwähnt werden. Einer der wichtigsten Aspekte in Veränderungsprozessen ist bspw. die Erzeugung einer Vision als allgemein gehaltene, positive Vorstellung vom Unternehmen in der Zukunft. Daraus resultiert die Ableitung von kurz-, mittel- und langfristigen Zielen sowie einer Strategie als grundsätzlicher Weg zur Erreichung derselben.[43] Unter Umständen ist auch parallel eine Organisationsdiagnose notwendig, um geplant und systematisch Informationen über den inneren Zustand der Organisation zu gewinnen.[44] Ebenso wichtig für das Managen von Veränderungen ist ein professionelles Projektmanagement, um Zeitpläne, Aufgabenverteilungen und Entscheidungspunkte systematisch zu definieren. Der Projektauftrag sollte dazu schriftlich festgehalten und die bereits angesprochenen Ziele klar formuliert werden.[45] Die in diesem Zusammenhang letzte zu nennende Hauptaufgabe im Change-Management ist die Kommunikation der Vision, der Strategie und der Ziele sowie der Notwendigkeit und Richtigkeit der Veränderungsmaßnahmen, um Verständnis und Engagement für eine neue Richtung zu erzielen. Die wirkliche Kraft einer Vision kann dann vollständig freigesetzt werden, wenn die meisten der in eine Unternehmung oder Aktivität einbezogenen Menschen ein gemeinsames Verständnis ihrer Ziele und ihrer Kursrichtung haben. Dieses gemeinsame Verständnis unterstützt die Motivation und Koordination der für die Transformationen notwendigen Handlungen. Dabei ist hervorzuheben, dass Kommunikation hauptsächlich die Aufgabe der Führungskräfte ist, was in den folgenden Ausführungen zum Thema Mitarbeiterführung zu Zeiten des organisationalen Wandels näher erläutert wird.[46]
Reengineering-Maßnahmen erstrecken sich auf alle Sektoren des Managements, von der Strategie über Organisation und Personal bis hin zu den Systemen. Zentraler Punkt ist allerdings der organisatorische Bereich, da eine Umstellung von der isolierten Optimierung der vertikalen Wertschöpfungsfunktionen zu einer Optimierung von funktionsübergreifenden horizontalen Wertschöpfungsprozessen erfolgen soll.[47] Ziel ist es, durch die grundlegende Neugestaltung von Geschäftsprozessen markante Verbesserungen (Quantensprünge) der unternehmerischen Leistung zu erzielen.[48] Diese top-down angelegte Konzeption orientiert sich an den erfolgskritischen Geschäftsprozessen, richtet diese auf die Bedürfnisse des Kunden aus und konzentriert sich auf die vorhandenen Kernkompetenzen unter Nutzung modernster Informationstechnologien. Reengineering-Konzepte sind sehr mechanistisch angelegt. Der Mensch spielt eine eher untergeordnete Rolle.[49]
Organisationsentwicklung ist eine umfassende und stark partizipative Methode der Veränderung in Organisationen. Es geht darum, vorhandenes Potential zu aktivieren und zu erweitern. Die Organisation und ihre Mitglieder werden aktiviert und befähigt, sich mit den Anforderungen interner und externer Umwelten auseinanderzusetzen. Dafür werden die betroffenen Personen aktiv in die Entwicklung und Umsetzung von Lösungen und Antworten im Sinne einer mitarbeiterorientierten Führung einbezogen. Probleme und Chancen werden als Ausgangspunkt und Triebfeder für Veränderungen genutzt. Alle Veränderungsmaßnahmen werden kontinuierlich sowie prozesshaft gesteuert und gestaltet.[50]
Hierbei handelt es sich um ein integriertes Managementkonzept, in dessen Mittelpunkt der Kampf gegen die Verschwendung steht. Dabei steht weniger der Kundennutzen, sondern die Verbesserung der Zeit- und Kosteneffizienz im Vordergrund.[51] Die Philosophie des Lean Managements wird oft mit den Begriffen „Kaizen“ oder auch „Kontinuierlicher Veränderungsprozess“ umschrieben. Mithilfe einer schlanken Produktion sollen die Vorteile der Massenproduktion (Stückkostenreduzierung, Schnelligkeit) mit den Vorteilen der handwerklichen Produktion (Qualität, Flexibilität) vernetzt werden. Teamwork, im Sinne von...