Vorwort
Als ich vor 22 Jahren meine Praxis als medial-intuitive Beraterin aufnahm, wurde mir schon bald eines klar: Wenn ich Menschen wirklich helfen wollte, reichte es nicht aus, einzelnen Ereignissen in ihrem Leben nachzugehen. Ich konnte wohl die großen Umschwünge sehen, einen Arbeitsplatzwechsel, vielleicht den Namen eines Liebhabers – alles Mögliche, was ein Mensch in der Vergangenheit erfahren hat oder in Zukunft noch erfahren würde. Doch wusste ich auch, dass der springende Punkt der innere Prozess war, aus dem sich erklärt, warum jemand überhaupt einem bestimmten Menschen begegnet oder sich in diesen oder jenen Lebensumständen wiederfindet.
Ich erkannte, dass meinen Klienten mehr damit gedient war, wenn ich ihnen dabei half, ihr gesamtes Leben als eine Landkarte zu betrachten, als wenn wir uns lediglich auf einzelne Ereignisse ihrer Biographie konzentrierten. Wenn ich in der Lage wäre, ihnen zu zeigen, wo sie schon in ihrem Leben gewesen und wie sie an den Punkt gelangt sind, an dem sie jetzt stehen, würde die Geschichte ihres Lebens an Gehalt und Bedeutung gewinnen, und sie würden zu einem tieferen Verständnis ihrer selbst finden. Wenn ich die verborgenen Verknüpfungspunkte ihres Schicksals und ihrer Bestimmung in den scheinbar zusammenhanglosen Erfahrungen aufzeigte, könnte ich sie damit in die Lage versetzen, zu besseren Entscheidungen für ihr Leben zu gelangen.
So fing ich an, mich als eine Art »Schicksalskartographin« zu betrachten. Man könnte auch sagen, dass ich so etwas wie eine Zeichnerin »biographischer Landkarten« bin. Dank meiner Intuition entdecke ich die Landschaft wichtiger Ereignisse im Leben eines Menschen und trage dann in seine Karte die topographischen Details ein, mit denen ich das seelische und existenzielle Terrain umreiße. Mit Hilfe dieser Daten kann ich diesem Menschen sodann einen Überblick vermitteln, von dem ich hoffe, dass er etwas in ihm bewirkt: so etwas wie einen »Aha-Effekt«, der ihn erkennen lässt, was er nicht zu sehen vermochte, bevor er diese Karte kannte, die ihm den Weg zu sich selbst weisen soll.
Wenn ich bei einer meiner medialen Sitzungen die Karte eines Klienten erarbeite, so vernehme ich oft Reaktionen wie: »Ja, jetzt kann ich sehen, wo ich früher war, wie ich damals reagiert habe, was mich auf diesen Weg geführt hat. All das hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin! Jetzt sehe ich die Synchronizitäten und meinen Anteil daran! Ich kann selbst mein Schicksal bestimmen und bin nicht das Opfer seiner Launen!« Es erinnert mich irgendwie auch an die riesigen Puzzlebilder, die ich als Kind zusammensetzte und die den gesamten Esszimmertisch einnahmen. Indem ich an den Ecken begann, setzte ich Teil an Teil und fand heraus, wie das Ganze zusammenpasste.
Ich ging dazu über, meine Arbeit als »intuitive Beratung« zu bezeichnen, weil der Begriff mir eine bessere Beschreibung meines Tuns zu bieten schien, das sich über die rein mediale Deutungsarbeit hinaus entwickelte. Meine Gabe als Medium erlaubt mir, Ereignisse, Namen und Schauplätze zu sehen, die die groben Umrisse oder Kapitelüberschriften des Lebenswegs eines Klienten darstellen; als intuitive Beraterin blicke ich hinter die Oberfläche der Dinge und in das komplizierte Geflecht hinein, das hinter den Lebensgeschichten steht: die Motive, die unerkannten Muster, die verborgenen Absichten und die Erblasten. Auf diese Weise kommt die Karte zustande und erfüllt sich mit Leben.
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Natürlich musste ich die Feinheiten dieses transformativen Prozesses der Kartenerstellung erst einmal selbst erlernen. Ich musste mich zunächst durch meine eigene Lebensgeschichte arbeiten, um die Hoffnung zu finden, die Wandlung an mir selbst zu erfahren und die Magie und den Sinn des Ganzen zu entdecken. Meine eigene Lebensreise wurde mir so zum Muster des Prozesses, der in diesem Buch beschrieben wird. Dabei habe ich mich auch auf das gestützt, was ich in 22 Jahren aus den Lebensgeschichten meiner Klienten gelernt habe, die aus 29 Ländern stammen.
Mit anderen Worten: Dieses Buch beruht auf Erfahrung, nicht auf Theorie. Das Material dazu wurzelt aber vor allem in meinen eigenen Erfahrungen. In meinem Leben gab es viele Prüfungen und vieles zu heilen. Als Kind einer Mutter, die den Holocaust überlebt hat und die Wahrheit über die Herkunft unserer Familie vor uns verborgen hielt, wuchs ich mit einer sehr speziellen und befremdlichen Überlebensthematik auf, die für mich erst einen Sinn ergab, als meine Mutter endlich die Katze aus dem Sack gelassen und erklärt hatte, dass sie uns sicherheitshalber als Christen erzogen habe … obwohl wir in Wahrheit Juden seien. Dass ich mit elf Jahren den Wunsch hatte, katholische Nonne zu werden, war für sie wohl problematischer, als mir zu jener Zeit klar sein konnte. Zurückblickend würde ich sagen, dass wir auf originelle Weise orientierungslos waren.
Als Kind mit einer seherischen Begabung war ich meistens überfordert und besaß nur ein begrenztes Vermögen, gesunde Grenzen wahrzunehmen. Zu meiner Erlebniswirklichkeit gehörte es, um Geheimnisse zu wissen, die mir eigentlich verschlossen sein sollten, und um Geschehnisse, noch bevor sie eintraten. Zeit und Raum stellten sich mir anders dar als anderen Menschen. Dies, zusammen mit dem Verdacht, von einer Babysitterin sexuell missbraucht worden zu sein, warf einen Schatten auf meine Kindheit, die keineswegs »normal« war. Und natürlich war es niemals leicht für mich, irgendwo dazuzugehören.
Meine Teenagerjahre waren schwierig – wofür ich niemandem die Schuld geben will, denn meine Eltern taten sicher ihr Bestes. Es waren liebevolle Menschen, die auf ihre Weise vollkommen waren und zugleich ihre Fehler hatten. Sie hatten beide ihre eigene komplizierte Lebensgeschichte, die von ihren Eltern beeinflusst worden war und die sich nun wiederum auf meinen Lebensweg auswirkte.
Auf das Leben reagierte ich massiv. Mit vierzehn entwickelte ich eine Bulimie, hatte mit fünfzehn meinen ersten Blackout durch Alkohol, und schließlich riss es mich in einen Strudel der Selbstzerstörung, nachdem ich mit neunzehn von mehreren Männern vergewaltigt worden war. Von da an hatte ich, bis ich 27 war, eine schmerzvolle Beziehungserfahrung nach der anderen, Beziehungen, in denen Promiskuität, sexueller Missbrauch, Gewalt, Drogen- und Alkoholsucht an der Tagesordnung waren. Ich lernte damals, Traumatisierungen als Normalität zu betrachten und … wie man Kokain inhaliert. Nur wer sich selbst aus der Drogenabhängigkeit befreit hat, kann die Dankbarkeit verstehen, die ich heute für die niederschmetternde Art empfinde, mit der ich damals auf den Hund gekommen war: Ich befand mich auf dem direkten Weg zur Hölle, um zu einer echten spirituellen Erweckung zu finden.
Am 2. Januar 1986 wachte ich clean und nüchtern auf – das zwanghafte Verlangen nach Alkohol und Drogen war auf wunderbare Weise verschwunden – und bin es seither geblieben. Während der ersten Jahre meiner Abstinenz folgte ich dem Zwölf-Schritte-Genesungsprogramm der Anonymen Alkoholiker und unterzog mich einer tiefgreifenden Psychotherapie. Langsam fand ich meine Würde und Selbstachtung wieder und überließ mich dem Gefühl der Vergebung. Dieses Loslassen war von entscheidender Bedeutung, um mich von meiner Opferidentität zu lösen, die bis dahin das beherrschende Motiv in meinem Leben gewesen war.
Mein Heilungsprozess nahm einige Zeit in Anspruch, aber ich hatte einen unersättlichen Hunger nach Wissen und dem Verständnis der Psychologie des Heilwerdens. Ich wollte wissen, was Leute mit einer Problematik wie der meinen umtreibt, warum guten Menschen Böses widerfährt und warum gute Menschen Böses tun. Ich wollte mich vor allem selbst verändern und nicht mehr an meinen alten Vorstellungen festhalten. Damals fing ich auch an, meinen Traum von einer Karriere als Sängerin und Songschreiberin zu verwirklichen.
Während ich also auf dem Weg war, ein »Rockstar« zu werden, hatte das Göttliche Prinzip andere Pläne mit mir. Das war sicherlich frustrierend, aber heute bin ich unendlich dankbar für den guten Stern, der mich dahin geführt hat, wo ich jetzt bin. Ich begann meine Laufbahn als Medium eher zufällig, indem ich versuchte, mich tagsüber mit Aromatherapie-Massagen über Wasser zu halten, während ich auf meinen großen Durchbruch in der Musikbranche hoffte. Jedes Mal, wenn ich Menschen berührte, erfuhr ich dabei etwas über sie. Ich teilte ihnen mit, was ich sah, und plötzlich wollte niemand mehr eine Massage, sondern eine Weissagung. Meine Karriere als Musikerin hingegen scheiterte kläglich.
Ich wollte gar kein Medium sein, da ich ein gewaltiges Problem mit diesem Wort und dem Klischee hatte, das sich damit für mich verband (erst in jüngster Zeit, nach 22 Jahren, begann ich damit, mich mit diesem Begriff zu identifizieren). Außerdem passte das nicht zu meiner Vorstellung von einer abstinenten Sängerin und Songschreiberin, die vor Massen hingerissener Fans sanfte Balladen über den Sinn des Lebens singt. Aber es verschaffte mir ein Auskommen, die Arbeit mit meinen Klienten faszinierte mich, und meine Karriere als Medium (oder als »intuitive Beraterin«, wie ich mich damals lieber nannte) war nicht mehr zu bremsen. Natürlich platzte der Traum von der umjubelten Sängerin, obwohl schließlich ein Vertrag mit der EMI zustande kam und meine Platten hervorragende Kritiken hatten, allerdings nur sehr begrenzten Erfolg. Ich hatte also reichlich Gelegenheit, mich in Bescheidenheit zu üben.
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Als Medium bin ich natürlich sehr an den...