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Positiver Selbstwert als erlernbarer Resilienzfaktor

Interesse und Bedarf der Sozialen Arbeit an spezifischen Methoden und Konzepten zur Resilienzförderung im Erwachsenenalter

AutorKarina Feldmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl86 Seiten
ISBN9783656186465
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz), Sprache: Deutsch, Abstract: Zu leben bedeutet, sich im Verlauf des Lebens Risiken, Krisen und alltäglichen Belastungen stellen zu müssen, die es zu meistern gilt. Kritische Lebensereignisse, also existenzielle Herausforderungen und Krisen, können das alltägliche Leben stark erschüttern und negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Häufig treten diese überraschend auf und sind dem Betroffenen unbekannt. Ereignisse sind umso kritischer zu betrachten, je mehr sie das Gefühl von Sicherheit bedrohen und den Selbstwert auf den Prüfstand stellen. Kritische Lebensereignisse besitzen das Potential wichtige Grundlagen des Selbstwertgefühls zu zerstören und die Widerstandskraft der Betroffenen zu übersteigen. Nicht selten kommt es zu einer Chronifizierung von Belastungsreaktionen. Doch auch über kritische Lebensereignisse hinaus, kann der Umgang mit alltägliche Belastungen, wie angeborenen gesundheitlichen Einschränkungen oder ein negatives soziale Milieu, eine Herausforderung für die Lebensbewältigung und psychische Gesundheit sein. Eine gelingende Lebensbewältigung wird hier verstanden als die Bewältigung von persönlichem Alltag, die Gestaltung gesunder sozialer Beziehungen, eine optimistische aktive Lebenseinstellung und die Überwindung von kritischen Lebensereignissen und schwierigen Lebensumständen ohne Folgen für die psychische Gesundheit. Die Überwindung von, und der Umgang mit, schwierigen Lebensumständen erfordern hohe persönliche Kompetenzen und Ressourcen , die die nicht jede Person in gleichem Maße aufweisen kann. Soziale Arbeit hat es sich zum Ziel gemacht, Menschen bei dieser Überwindung zu unterstützen, Hürden abzubauen und persönliche sowie soziale Ressourcen (präventiv) zu fördern, mit dem Ziel von Selbstbefähigung und Autonomie ihrer Klientel und Kunden. Welche Faktoren es sind, die einen Menschen gegenüber Risiken widerstandsfähig machen, ist Gegenstand der Resilienzforschung. In dieser Arbeit soll der Fokus dabei auf dem Selbstwert als Resilienzfaktor, und seiner Rolle zum Aufbau und Erhalt von Resilienz im Erwachsenenalter liegen. Ziel ist es, zu einem Standpunkt bezüglich der Bedeutung des Selbstwertgefühls für die gelingende Lebensbewältigung zu kommen. Anhand dieser Bedeutung soll das Interesse und der Bedarf der Sozialen Arbeit nach spezifischen Resilienzkonzepten und Methoden für Erwachsene überprüft werden.

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Leseprobe

3. Theoretische Grundlagen des Selbstwertes


Die Fähigkeit zur Selbstreflexion wird oft als zentrale Eigenschaft des Menschen bezeichnet, die ihn von anderen Lebewesen unterscheidet. Menschen können sich zum Objekt ihrer Reflexionen machen und besitzen ein „Selbst“. Darüber hinaus wird „mit sich selbst zufrieden zu sein“ in verschiedenen Theorien als fundamentales menschliches Bedürfnis dargestellt[88]. Weiterhin scheint, der wissenschaftlichen Literatur zu Folge, ein Mangel an positivem Selbstwert nahezu mit jeder Störung der Psyche oder des Verhaltens in Verbindung zu stehen[89]. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein starker Selbstwert und ein gesundes Selbstvertrauen, zumindest in der westlichen Kultur, positiv konnotiert sind. Ihnen wird unterstellt, mit anderen positiven Eigenschaften in Zusammenhang zu stehen, diese sogar teilweise kausal zu bedingen.[90]  So nimmt der Selbstwert als Konzept in der Wissenschaft, Sozialpolitik, Sozialwissenschaft und Psychologie einen hohen Stellenwert ein. Die unterschiedlichen Disziplinen stellen hierbei unterschiedliche Frage- und Forschungsschwerpunkte. Steht der Selbstwert in Kausalität mit einer gelungenen Lebensbewältigung ergibt sich hieraus, in Anlehnung an den Gegenstand der Sozialen Arbeit, die Frage nach Möglichkeiten zum Aufbau und Stärkung eines positiven Selbstwertes. 

 

Zunächst allerdings, soll in diesem Kapitel eine theoretische Annäherung an den Begriff und die Aspekte des Selbstwertes erfolgen. Erst auf Grundlage dieses Kapitels kann dann in Kapitel 4 und 5 auf Korrelate und Funktion des Selbstwertes eingegangen werden. Eine Analyse über die Notwendigkeit spezifischer Konzepte zur Selbstwertförderung und die Überprüfung der Sozialen als geeignete Profession, erfolgt in Kapitel 6, bevor in Kapitel 7 in einer abschließenden Betrachtung auf offene Fragen und Anforderungen hingewiesen wird.

 

3.1. Definitorische Annäherung an den Selbstwertbegriff


Der Versuch „Selbstwert“ einheitlich zu definieren stellt, unter Einbezug verschiedener theoretischer Modelle und der Synonymvielfalt, keine leichte Aufgabe dar. Um sich der Begrifflichkeit und damit auch dem Inhalt und der Bedeutung des Selbstwertes zu nähern, ist es notwendig, zumindest kurz auf das Selbst, also die Natur des Menschen an sich, einzugehen.

 

3.1.1. Selbst und Selbstkonzepte


Seit den geistesgeschichtlichen Anfängen, noch vor Ausbildung der Psychologie als wissenschaftliche Disziplin,  hinterfragt der Mensch seine eigene Natur:  das „Selbst“. Dahinter steht die Frage, was einen Menschen im Wesen ausmacht.[91] Das Selbst könne, laut Schütz, als „psychologischer Aspekt der eigenen Person“[92] bezeichnet werden. James, Begründer der modernen Psychologie, befasst sich in seinem  Werk  „The principles of psychology“ bereits 1890 wissenschaftlich mit der Natur des Selbst und unterteilt es in „Subjekt der Betrachtung (self-as knower) und „Objekt der Betrachtung“ (self-as known)[93]. Dies bedeutet, dass das Selbst, sowohl die wissende Instanz (self as knower) als auch der zu betrachtende Kern (self as known), selbst ist. Damit wird das Selbst als dynamisches System verstanden[94]. Baumeister definiert durch, „the totality of you, including your body, your sense of identity, your reputation, and so on[95], das Selbst als umfassenden Aspekt einer Person. In der modernen Selbstforschung wird es als die ‚Gesamtheit des Wissens um die eigene Person‘ verstanden. Und dabei habe der Mensch nicht nur das Wissen über seine Eigenschaften innewohnend, sondern auch Vorstellungen, wer sie in der Vergangenheit waren und wer sie in Zukunft sein möchten[96]. Cooley rückt mit seinem Begriff des „Spiegel-Selbst“ die Annahme in den Vordergrund, dass dieses Wissen nur durch soziale Rückmeldungen erworben wird[97]. Dies würde bedeuten, dass ein sozial isoliertes Individuum nicht in der Lage wäre ein Selbstbild zu entwickeln. Baumeister ergänzt an dieser Stelle, dass sich das Selbst aus einem reflexiven Bewusstsein und sozialer Rückmeldungen zusammensetze und ferner noch eine Exekutivfunktion erfülle, die den Menschen zum Handeln befähige[98]. Nach Schachinger drückt der Begriff des Selbst eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen aus, gar ein Mysterium, dessen „letzte Wahrheiten stets unerforscht bleiben und mit der gängigen naturwissenschaftlichen Methodik nicht ergründet werden können“[99].

 

Die Selbstforschung entwickelte sich seit dem 20.Jahrhundert mehr und mehr zur Selbstkonzeptforschung[100]. Zum Selbstkonzept finden sich in der Literatur unterschiedliche Ausgangslagen. Während u.a. Mummendey[101] Selbst und Selbstkonzept synonym verwendet, bzw. Selbstkonzept als passenderen Terminus für die Komplexität des Selbst empfiehlt, wird das Selbstkonzept an anderen Stellen als deskriptive Komponente des Selbst verstanden[102], welches auf Wahrnehmungs- und Bewertungsprozessen basiert[103]. Die Bezeichnung des Selbstkonzeptes als deskriptive Komponente des Selbst, wird in der gesichteten Literatur überwiegend verwendet. Marsh und Hattie definieren darüber hinaus die soziale Konstruktion von Selbstkonzepten:

 

„Self-Concept is a person’s self-perception formed through experience with and interpretations of his or her environment. They are influenced especially by evaluations by significant others, reinforcements and attributions for the individual’s own behavior”[104].

 

3.1.2. Selbstwert und Selbstwertgefühl


Der Selbstwert steht bereits lange im Mittelpunkt geisteswissenschaftlicher Forschung[105] und wird häufig als zentrales Element des Selbst bezeichnet[106].  Geht man vom Selbstkonzept als deskriptive Komponente des Selbst aus, so würde der Selbstwert die evaluative Komponente des Selbst darstellen, die sich aus (affektiven und kognitiven) Bewertungen ergibt[107]. James stellte eine Formel auf, in der Selbstwert sich aus der Diskrepanz zwischen Erfolg und Anspruch einer Person ergibt (Self-Esteem = Success/ Pretensions)[108].  Je niedriger also die Diskrepanz, desto höher wäre der Selbstwert[109]. Als Beispiel: Ein Leistungssportler kann einen genauso hohen Selbstwert erzielen, wenn er hohe sportliche Ansprüche an sich stellt und diese Ansprüche auch durch Erfolge bestätigt werden, wie ein Hobbysportler mit geringen Ansprüchen und geringeren Erfolgen. Ein ähnliches Konzept findet sich bei Rogers, der herausstellt, dass, je geringer die Abweichungen des Realselbst (dem Ist-Zustand) vom Idealselbst (der gewünschten Vorstellung einer Person von sich selbst) seien, desto zufriedener sei der Mensch mit sich selbst[110]. Cooley bezieht seine Konzeption des „Spiegel-Selbst“ auch auf den Selbstwert. Demzufolge ist der SW einer Person maßgeblich von sozialer Anerkennung abhängig.[111] Eine allgemeingültige Definition von Selbstwert liegt bisher nicht vor. Eine bekannte Definition liefert Coopersmith:

 

„the evaluation which the individual makes and customarily maintains with regard to himself; it expresses an attitude of approval or disapproval, and indicates the extent to which the individual believes himself to be capable, significant, successful, and worthy. In short, self-esteem is a personal judgement of worthiness that is expressed in attitudes the individual holds toward himself[112].

 

Im Alltag, sowie in der Literatur existieren eine Fülle von Begrifflichkeiten für selbstbezogene Kognitionen, die größtenteils stark wertende Komponenten aufweisen[113]. So werden für positive Bewertungen einer Person häufig Begriffe wie Selbstbewusstsein, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen verwendet, während Selbstzufriedenheit, Arroganz und Selbstverliebtheit negativ konnotiert sind[114]. Sozial- und Geisteswissenschaftler, welche sich mit dem Thema „Selbstwert“ auseinandersetzen, favorisieren jeder für sich eine Begrifflichkeit. Schütz[115] verwendet beispielsweise Selbstwertschätzung und Selbstwertgefühl, Satir[116] Selbstwert und Selbstachtung,  synonym. Potreck-Rose und Jacob unterscheiden vereinzelte Begriffe noch einmal untereinander. So definieren sie Selbstvertrauen als „…ziel- und kontextbezogene Kompetenzüberzeugung und –verhaltensweisen…“[117] und konstatieren, dass Selbstwert darüber hinausginge und unter anderem Einschätzungen von persönlichen Merkmalen beinhalte, die nicht unbedingt im Zusammenhang zu Kompetenzen stehen müssen (z.B. Attraktivität). Sie betrachten Selbstvertrauen eher als Teilkompetenz des Selbstwertes. Weiterhin heben sie Selbstakzeptanz vom Selbstwert ab. Zur Selbstakzeptanz gehöre eine allgemeine Akzeptanz der eigenen Person, die auch die Akzeptanz eigener Schwächen mit einbeziehe.[118]

 

In dieser Arbeit  werden hauptsächlich die Termini „Selbstwert“ bzw. „Selbstwertgefühl“ verwendet. Selbstwertgefühl wird dabei als...

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