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Die Blindgänger

Warum die Ökonomen auch künftige Krisen nicht erkennen werden

AutorLisa Nienhaus
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783593407005
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Warum haben unsere Star-Ökonomen die Krise nicht gesehen? Warum lagen sie mit ihren Prognosen so haarsträubend daneben? Und warum machen sie trotz ihres offenkundigen Versagens munter weiter wie bisher? Dieses Buch beleuchtet kritisch eine Zunft, der wir allzu gern blind vertrauen, deren Vorhersagen Politik bestimmen und die nicht gerade von Bescheidenheit geprägt ist. Es erklärt die Gründe für das Versagen der Ökonomen und zeigt, was sich ändern muss, damit wir in Zukunft verlässlichere Aussagen über die Wirtschaft erhalten - Aussagen, die wir dringend benötigen.

Lisa Nienhaus, Jahrgang 1979, studierte Volkswirtschaft und Politik in Köln und Stockholm und besuchte parallel dazu die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. Sie ist Wirtschaftsredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Im Jahr 2005 wurde sie mit dem Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.

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Leseprobe
Kapitel 4 Die Irrtümer: Was ist schiefgelaufen? (S. 92-93)

Seit dem 19. Jahrhundert gilt die Ökonomie den Briten und den Amerikanern als the dismal science, die trostlose Wissenschaft. Ursprünglich kam der Begriff auf, weil Ökonomen oft Ansichten vertraten, die aus heutiger Sicht fortschrittlich, damals aber nicht populär waren. So argumentierten einige von ihnen vehement für die Abschaffung der Sklaverei. Später wurde der Begriff dismal science ausgeweitet und umfasste auch Ökonomen, die sich mit Krisen, Hungersnöten, Arbeitslosigkeit und sonstigen unangenehmen Dingen beschäftigten. Der frühe ökonomische Denker Thomas Malthus etwa sagte schon im 18. Jahrhundert vorher, welch verheerende Auswirkungen es haben kann, wenn die Bevölkerung stark wächst, aber die landwirtschaftliche Produktion nicht mithalten kann und in der Folge das Essen knapp wird.

Er stellte sogar die deprimierende Theorie auf, dass die Bevölkerung in guten Zeiten immer stärker wächst als die Wirtschaft, sodass die Wohlstandsgewinne für den Einzelnen aufgezehrt werden. Elend ist die Folge, das dezimiert die Bevölkerung – nur damit der Zyklus kurz darauf wieder von vorne losgeht. Auch wenn Malthus mit seinen Horrorvisionen am Ende nicht Recht behalten hat, die Beschäftigung mit trostlosen Zeiten und den Gründen dafür war einmal zentral für die Vordenker der Volkswirtschaftslehre.

Für die vergangenen Jahre muss die Bezeichnung der Ökonomie grundlegend überdacht werden. Denn offensichtlich haben die professionellen Volkswirte in den letzten Jahrzehnten nicht allzu viele Gedanken an große Krisen in etablierten Industriestaaten verschwendet. Es gab natürlich Ausnahmen – aber in der Breite und vor allem auch unter den Star-Ökonomen herrschte Optimismus. Man traute entweder dem Markt, dass er nicht mehr so viele Krisen produzieren würde wie einst, oder man traute dem Staat, dass er im Zweifelsfall über die richtigen Mittel verfügte, wenn die Märkte versagten.

Die Ökonomen beschäftigten sich in der Folge mit anderen Dingen als deprimierenden Krisen und möglichen plötzlichen Gefahren für die Weltwirtschaft. Sie sahen sich nicht als Warner, sondern als Dienstleister, die halfen, kleinere Fehler im System auszubessern, um noch größeres Wachstum zu erreichen. Große, schwer kontrollierbare Fehler vernachlässigten sie. Es ging ihnen ums fine-tuning, um die Feinabstimmung der Wirtschaft, damit sie ihren Weg ewigen Wachstums weitergehen konnte. Unversehens war die Ökonomie zur happy science geworden, zur fröhlichen Wissenschaft. Das ist nun vorbei.

Die Depressions-Ökonomen sind wieder da. Die Historiker der Weltwirtschaftskrise sind die neuen Stars unter den Volkswirten, die Krisen-Propheten sind wieder en vogue und dürfen jetzt auch überall dort Interviews geben, wo sie vorher belächelt wurden. Die etablierten Volkswirte in Deutschland sind hingegen in eine Sinnkrise gestürzt. Ihre Prognosen waren durchweg ziemlich daneben. Sie haben erst nicht gesehen, dass es eine Finanzkrise geben würde, dann haben sie mitten in dieser Krise nicht erkannt, welche Folgen sie für die gesamte Wirtschaft haben würde. Die Fragen lauten: Wieso wurde nicht viel früher und viel eindringlicher vor den Risiken gewarnt, die sich über Jahre aufgebaut haben?

Wieso haben die Ökonomen die Dramatik der Lage offenbar vollkommen falsch eingeschätzt? Öffentliche Warnungen, die über ein pauschales »Irgendwann kommt immer eine Krise« hinausgehen und konkrete Gründe nennen, hätte es doch seit einigen Jahren geben müssen. Von Mainstream-Ökonomen, nicht bloß von Außenseitern. Das muss man von einer Gemeinschaft, die sich tagtäglich mit wirtschaftlichen Zusammenhängen befasst, erwarten können. Eine größere Minderheit, besser eine Mehrheit der bekannten Wirschaftswissenschaftler hätte sehen müssen, was da auf uns zukommt. Sie hätten rechtzeitig dafür sorgen können, dass eine solche Krise verhindert oder zumindest abgeschwächt wird, dass ein Notfallplan bereitsteht und die Staaten wissen, was sie tun müssen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Einleitung: In eigener Sache8
Das Versagen der Ökonomen14
Das Zeitalter der Ökonomie48
Wie Ökonomen denken66
Die Irrtümer: Was ist schiefgelaufen?93
Eine neue Ökonomie: Was sich ändern muss129
Ein Blick ins nächste Jahr155
Danke160
Literatur- und Quellenverzeichnis161

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