3. Das Organisationsentwicklungsprojekt im ASB Ortsverband Wertingen e.V.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde im ASB Ortsverband Wertingen e.V (ASB/OVW) die Einführung von OE angeregt und umgesetzt. Von der Durchführung einer OE-Maßnahme im ASB/OVW versprach man sich viele praxisnahe Erkenntnisse bezüglich des dieser Arbeit zu Grunde liegenden Forschungsinteresses (siehe Kapitel 1). Zur Durchführung der OE-Maßnahme im ASB/OVW wurde sich eng an das klassische Phasenmodell von Comelli (1985) gehalten (siehe Abschnitt 2.3.2ff.). In Folge der zeitlichen Begrenzung einer Diplomarbeit und der Fragestellungen dieser Arbeit, die sich auf Erkenntnisgewinne hinsichtlich der Einführung von Organisationsentwicklung begrenzen und nicht den gesamten OE Prozess abverlangen (siehe Abschnitt 1.2), werden im Folgenden auch nur die ersten fünf Phasen dieses Ablaufmodells bis zur „Maßnahmenplanung“ beschrieben. Ausgefüllt und ergänzt wurden die einzelnen Phasen dabei von den bereits vorgestellten, aus der einschlägigen Literatur gewonnenen, theoretischen Grundlagen (siehe Kapitel 2) sowie von den projektspezifisch notwendigen Unterpunkten. Bevor die eigentliche Projektbeschreibung in die von Comelli (1985) unterteilten Phasen beginnt, folgt im Vorfeld eine kurze Skizze des ASB/OVW.
3.1 Der ASB Ortsverband Wertingen e.V.
Der ASB/OVW ist einer von deutschlandweit 228 Ortsverbänden des Arbeiter-Samariter-Bundes e.V. (ASB). Die hierarchische Struktur des ASB gliedert sich von den genannten 228 Ortsverbänden und 113 GmbH über die 16 Landesverbände bis hin zum Bundesverband des ASB. Seine Dienstleistungen erfolgen zu großen Teilen in regionalen Basisorganisationen. In allen ASB-Gliederungen stehen den hauptamtlichen Mitarbeitern von den Mitgliedern gewählte, ehrenamtlich arbeitende Vorstände, Kontrollkommissionen und Ausschüsse zur Seite. Insgesamt zählt der ASB dabei etwa 1.149.587 Mitglieder (vgl. Müller, 2004, 22ff.). Der ASB selbst gehört zum Paritätischen Wohlfahrtsverband. Dieser ist ein Dachverband, dem sich zahlreiche einzelne Organisationen und Verbände zum Zwecke der Stärkung ihrer Machtposition angeschlossen haben. Er gehört u.a., zusammen mit dem Caritas Verband und der Diakonie, zu den fünf größten Trägern der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland (vgl. Boeßenecker, 1995, 71ff.). Der ASB/OVW selbst ist eine private NPO (siehe Abschnitt 2.1.2) und seine Rechtsform ist der eingetragene Verein. Er handelt und wirtschaftet weitestgehend unabhängig von dem ihm übergeordneten Landes- und Bundesverband und ist somit als relativ autarkes System zu sehen (vgl. Müller, 2004, 22ff.). Die Tätigkeitsfelder des ASB/OVW sind sehr breit gefächert und umschließen neben dem Betrieb von mehreren Kindertagesstätten (Kita) und der ASB Kleiderkammer auch die Ausbildung von Tagesmüttern und das Angebot unterschiedlichster Erste-Hilfe-Kurse. Die hierarchische Struktur des ASB/OVW untergliedert sich in den Vorstand, mit einem Vorsitzenden und acht weiteren Vorstandsmitgliedern, in die Geschäftsführung, bestehend aus einem Geschäftsführer, in die Leiterinnen der vier Kindertagesstätten und in 11 weitere Mitarbeiter, von denen acht als Erzieherinnen in den Kindertagesstätten arbeiten und die anderen drei zur Unterstützung des Geschäftsführers als Verwaltungskräfte in der Geschäftsstelle tätig sind. Die hauptamtlichen Mitarbeiter des ASB/OVW verteilen sich dabei auf insgesamt fünf Gebäude. Dazu gehören neben der Geschäftsstelle die vier Kindertagesstätten. Zusätzlich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern greift der ASB/OVW für seine externen Angebote, wie die Erste-Hilfe-Kurse und die Ausbildung der Tagesmütter, zur Unterstützung auf die Dienste von Honorarkräften zurück. Der ASB/OVW kann somit als Paradebeispiel der oben beschriebenen, basisnahen und privaten NPO`s bezeichnet werden (siehe Abschnitt 2.1.2ff).
3.2 Problemerkennung
In dieser ersten Phase einer OE-Maßnahme ging es darum, die im ASB/OVW vorhandenen Problembereiche zu erkennen und zu definieren sowie ein Bewusstsein für diese Probleme auf breiter Ebene zu schaffen (siehe Abschnitt 2.3.2.1). Gemäß diesen Zielsetzungen konnte die Phase im Folgenden in die beiden Teile „Festlegung des Problem- bzw. Projektgegenstandes“ und „Akzeptanz-, Informations- und Vertrauensarbeit“ untergliedert werden.
3.2.1 Festlegung des Problem- bzw. Projektgegenstandes
Obwohl im vorliegenden Fall die Kontaktaufnahme seitens eines externen Beraters[4] aufgenommen wurde, war die Problemerkennung innerhalb des ASB/OVW bereits fortgeschritten. Vor allem auf Ebene des Geschäftsführers war schon seit längerem ein großes Bedürfnis nach Veränderung und Anpassung der Organisation vorhanden. Nun galt es, gemeinsam mit der Geschäftsführung, die Problembereiche genauer ausfindig zu machen und zu definieren. Um die vorhandenen personellen bzw. zeitlichen Ressourcen des ASB/OVW nicht zu sprengen und so die anschließende Umsetzbarkeit der Ergebnisse wahrscheinlicher zu machen (siehe dazu Abschnitt 2.3.2ff.), wurde gemeinsam mit der Geschäftsführung des ASB/OVW beschlossen, innerhalb des OE-Projektes nicht alle Bereiche des Ortsverbandes als Gegenstand des Projektes zu betrachten, sondern sich in erster Linie auf die Geschäftsstelle als zentrale Einheit und Koordinationsstelle des ASB/OVW zu konzentrieren. Das bedeutete einerseits, dass die von der Geschäftsstelle ausgehenden, allerdings außerhalb stattfindenden Angebote wie die Erste-Hilfe-Kurse oder die Arbeit in den Kindertagesstätten vom Projekt ausgeblendet wurden (siehe dazu Abschnitt 3.1). Andererseits gehörten die von der Geschäftsstelle durchgeführten Prozesse dieser Angebote jedoch durchaus zum Projektgegenstand. Gemeinsam blieb also allen zum Projektgegenstand gehörenden Strukturen und Prozessen, dass sie von den Mitarbeitern der Geschäftsstelle koordiniert, geplant und durchgeführt werden. Als definierte Problembereiche galten somit alle:
Strukturen, Prozesse und Mitarbeiter der Geschäftstelle und ihre Schnittstellen.
Die Gründe für die Auswahl dieser, bzw. die Ausgrenzung der restlichen Organisationsteile lag neben der höheren Problemdichte und des hohen vermuteten Veränderungspotenzials in diesen Bereichen, vor allem in der besseren Beobachtbarkeit der Geschäftsstelle und ihrer strategischen Bedeutung für die Zukunft des ASB/OVW gegenüber den extern stattfindenden Angeboten. Nachdem sich für diesen Problembereich bzw. Projektgegenstand entschieden wurde, galt es nunmehr auf breiter Basis für die nötige Akzeptanz, Information und das erwünschte Vertrauen zu sorgen.
3.2.2 Akzeptanz-, Informations- und Vertrauensarbeit
Eine große Gefahr in der Phase der Problemerkennung besteht nach Comelli (1985) darin, dass manche Organisationsmitglieder oder gar ganze Organisationsteile persönliche Vorteile aus der erkannten Problemsituation ziehen und somit gar kein Interesse daran haben, sich auf Veränderungen oder Neuerungen einzustellen (vgl. Comelli, 1985, 116f.). Deshalb muss in dieser Phase auch ausreichend Platz für Akzeptanz-, Informations- und Vertrauensarbeit geschaffen werden, was wiederum mit der Philosophie von OE einhergeht: Ihre Einführung kann nur dann dauerhaften Erfolg bringen, wenn sie auch von den beteiligten Mitarbeitern[5] der Organisation akzeptiert und getragen wird (siehe Abschnitt 2.3.1). Um nun die notwendige Akzeptanz und Beteiligung bei den betroffenen Mitarbeitern zu schaffen sowie evtl. vorhandene Blockaden und Ängste bei den beteiligten Mitarbeitern ab- und gleichzeitig Vertrauen aufzubauen, wurden folgende drei Schritte durchgeführt.
3.2.2.1 Informationsschreiben
Im ersten Schritt wurden die gesamten Mitarbeiter des ASB/OVW durch einen Rundbrief vom Geschäftsführer des ASB/OVW über die anstehende OE-Maßnahme informiert. In diesem Rundbrief der Geschäftsstelle vom 05.12.2006 fand sich folgende Formulierung unter der Überschrift Organisationsentwicklung:
„Der ASB ist bestrebt sich ständig weiter zu entwickeln und den Erfordernissen eines aufstrebenden Wohlfahrtsverbandes gerecht zu werden. Hierfür wird im Jahr 2007 eine Organisationsentwicklungsmaßnahme durchgeführt. Herr Dipl. Sozialpädagoge (FH) Sascha Jochum, wird uns dabei im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Uni Bamberg unterstützen. Als MitarbeiterInnen sind sie wichtige und wertvolle Ansprechpartner für ihn.“
3.2.2.2 Informationsgespräch
Im Anschluss an diesen Rundbrief fand auf Einladung vom Geschäftsführer der zweite Schritt, in Form eines ersten Informationsgespräches mit den beteiligten Mitarbeitern der Geschäftsstelle statt. Ziel und Inhalt dieses am 23.01.2007 stattfindenden Gesprächs zwischen Geschäftsführer und den beteiligten Mitarbeitern war, neben der ausführlichen Information über das anstehende OE-Projekt und die Bitte um volle Unterstützung des Vorhabens, vor allem die Beseitigung von jeglichen Bedenken, die in Zusammenhang mit der Einführung von Managementkonzepten wie bspw. Mitarbeiterfreisetzung usw. kursieren. Zunächst wurde jedem Mitarbeiter versichert, dass das anstehende Projekt nicht dazu diene, sie zu beobachten, um sie anschließend...