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E-Book

Mobbing in der Schule

Psychische Gewalt zwischen Pausenbrot und Pythagoras

AutorSarah Swienty
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783656050865
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 1,3, Universität Duisburg-Essen, Veranstaltung: ESL, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Jeder fünfte Hauptschüler hat schon einmal so hart zugeschlagen, dass sein Opfer zum Arzt musste. Einer neuen Bochumer Studie zufolge vermöbeln sich Schüler einander nicht öfter als früher - aber deutlich brutaler. Meist geht es um verletztes Ehrgefühl.' Gewiss tragen auch Presse-, Funk- und Fernsehberichte dazu bei, ein besonders brutales und aggressives Bild der Gewalt auf die Schulen zu projektieren. So werden bevorzugt besonders schwere Einzelfälle herausgegriffen, die suggerieren, dass in deutschen Schulen die Gewalt nicht nur zugenommen, sondern auch eine neue Form der Brutalität erreicht hat. Physische Aggressionen bis hin zu dramatischen Ereignissen, wie den Amokläufen in Erfurt (2002) und Emsdetten (2006), seien zum Abbild der schulischen Alltäglichkeit geworden. Es kamen Befürchtungen auf, dass die 'Gewaltkultur' der deutschen Jugendlichen amerikanische Verhältnisse annehmen könnte. In Amerika werden 3000 Kinder und Jugendliche im Jahr erschossen, davon 50 in der Schule, so dass mittlerweile ein großer Sicherheitsaufwand an amerikanischen Schulen betrieben wird. Schulische Gewalt hat seit den 1990er Jahren in den öffentlichen Diskussionen in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen, trotzdem ist sie ein sehr altes Phänomen. Im Laufe der letzten Jahre sind zahlreiche wissenschaftliche Publikationen zu diesem Thema erschienen. Es kann aktuell festgehalten werden, dass Gewalthandlungen an deutschen Schulen nicht zugenommen haben, wie Medienberichte es darstellen. Weiterhin bilden strafrechtlich relevante Vergehen, wie schwere Körperverletzungen und Erpressungen an deutschen Schulen, immer noch die Ausnahme, so dass nicht von 'amerikanischen Verhältnissen' gesprochen werden kann. Hier stellt sich die Frage: Woher rührt dieses gewaltgeprägte Bild an deutschen Schulen? Zur Beantwortung lässt sich eine Vielzahl von Gründen nennen, die hier zwar nicht in ihrer Vollständigkeit aufgeführt werden, jedoch den kritischen Blick für mediale Berichte schärfen sollen. Das von den Massenmedien gezeichnete Bild der Gewaltrealität an Schulen in Deutschland ist systematisch verzerrt, da aus Platz-, Verständnis- und Zeitgründen Einzelaspekte entfallen oder verstärkt werden und damit die Berichtserstattung selektiv wird. Darüber hinaus führt oft der Konkurrenzdruck der Medien untereinander zu sensationsorientierten Darstellungen.

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Leseprobe

5. Mobbing in Zahlen – die empirischen Daten


 

Wie bereits erwähnt, ist Mobbing ein recht altes Phänomen. Betrachtet man jedoch die Historie der zurückliegenden Untersuchungen, so wird ersichtlich, dass dessen Erforschung eine recht junge Geschichte hat.

 

Erst in den 1970er Jahren wurden systematische Untersuchungen durchgeführt. Zunächst beschränkten sich die Untersuchungen auf die skandinavischen Länder. Darauf folgten dann die restlichen europäischen Länder. Im Jahre 1982 erfuhr die Problematik durch den Selbstmord von drei 10- bis 14-jährigen norwegischen Schülern eine ganz neue Dynamik Es entstand große Verunsicherung und Spannung in den norwegischen Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit, als geäußert wurde, dass diese angeblich auf Mobbing-Attacken zurückzuführen seien. Der Vorfall setzte eine Kettenreaktion in Gang. In den 1980er und frühen 1990er Jahren gewann die Gewalt unter Schulkindern jedoch auch in anderen Ländern, wie Japan, England, Holland, Kanada, USA und Australien, ein gewisses Interesse in der Öffentlichkeit und der Forschung.[55]

 

Forschungsmethode und -instrumente

 

Wie bereits angeführt ist Olweus als Vorreiter der Prävalenz in der Mobbing-Forschung zu bezeichnen. In den 1970er Jahren führte er zum ersten Mal mit Hilfe des Schülerfragebogens „Bully-Victim-Questionnaire“ eine systematische Untersuchung auf diesem Feld durch. Die Kernfrage in den Untersuchungen galt bei ihm und später auch andren Forschern immer der Häufigkeit des Mobbings in Schulklassen. Dieser Schülerfragebogen wurde im Laufe der Jahre von ihm immer wieder optimiert und modifiziert. Kasper und Leymann entwickelten in Anlehnung an Olweus den so genannten „SMob-Fragebogen“. Dieser war zwar wesentlich umfangreicher, jedoch auch vereinfachter konzipiert. Mittlerweile wurden zahlreiche Untersuchungen zur statistischen Erfassung des Mobbing-Phänomens durchgeführt. Zwar erfreut sich die Methode des Fragebogens in der Wissenschaft großer Beliebtheit, jedoch äußern einige Autoren auch Kritik an ihm. Da dieses Problem keine wissenschaftlich messbare Größe ist, fließen in die Ergebnisse die subjektiven und individuellen Empfindungen der befragten Schüler mit ein.[56]

 

Ein entscheidender Faktor ist hier die aus der Psychologie bekannte Frustrationsschwelle. Besitzt ein Schüler eine eher niedrige Frustrationsschwelle und wird häufig über dieser getroffen, so sinkt diese usw. Andersherum kann es sein, dass ein Schüler häufig unterhalb dieser Schwelle getroffen wird und damit robuster gegenüber möglichen Frustrationen wird.[57]

 

Aktueller Forschungsstand

 

Die Psychologin Mechthild Schäfer entnahm einer Langzeitstudie, dass in Deutschland wöchentlich 500.000 Kinder und Jugendliche gemobbt werden. Werden zusätzlich die Kinder mit Tätererfahrung berücksichtigt steigt die Zahl auf rund eine Millionen Kinder an. [58]

 

Damit lässt sich in der Summe dieser und anderer Forschungsarbeiten die eindeutige Tendenz erkennen, dass eine große Zahl von Schulkindern betroffen ist.[59]

 

Die bereits in Kapitel 2.1 aufgestellte These, dass „man Mobbing im Vergleich zur ‚richtigen’ Gewalt eben [nicht] vernachlässigen kann“[60], sollte damit bestätigt sein und veranschaulicht, dass das Mobbing Problem an deutschen Schulen weitaus stärker verbreitet ist als bisher angenommen.

 

Im Folgenden werde ich mich weitestgehend auf die Forschungsergebnisse Olweus beziehen, da in der mir vorliegenden Literatur seine richtungweisenden Angaben durch andere Autoren überwiegend für deutsche Schulen bestätigt wurden.

 

Relevanz der Schulform

 

Eine zunehmende Schülermobbing-Problematik zeigt sich zwar in allen Schulformen, jedoch lassen sich schulformbezogene Unterschiede ausmachen.

 

Diverse Untersuchungen brachten ein überraschendes Ergebnis hervor:

 

Die Grundschulen sind im Vergleich zu den weiterführenden Schulen am meisten betroffen. Ihr „Mobbing-Anteil“ ist mehr als doppelt so hoch wie der an Gymnasien. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die negativen Handlungen der Täter an weiterführenden Schulen schwerer sind.[61]

 

 

Abbildung 2: Schüler, die ein- bis mehrmals pro Woche gemobbt wurden (Quelle: modifiziert nach Jannan, Mustafa (2010): Das-Anti-Mobbing-Buch. S.23)

 

In den Medien wird vor allem den Hauptschulen eine besonders hohe Anfälligkeit für Mobbing-Prozesse zugesprochen, so wie es auch Dümmler und Melzer tun.[62] Ein Vergleich mit den Statistiken Jannans und Olweus (siehe Abbildung 2) zeigen jedoch, dass die prozentualen Anteile der Haupt- und Gesamtschulen bis auf einen geringen Anteil nahezu gleich stark ausfallen.[63]

 

Diese Differenzen lassen sich eventuell auf schulinterne Ursachen, wie Schulkultur und die Schülerschaft zurückführen, weiterhin veräußert Olweus, dass trotz einer allgemeinen Tendenz eklatante Unterschiede zwischen den Schulformen vorherrschen können.[64]

 

Relevanz der verschiedenen Altersstufen

 

Weiterhin geben die Forschungsergebnisse Aufschluss darüber, welche Prävalenz Mobbing in Bezug auf die unterschiedlichen Altersstufen aufweist.

 

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Mobbing mit dem zunehmenden Alter der Kinder abnimmt, wie aus Abbildung 3 zu entnehmen ist. Bis zur sechsten Klasse ist die Abnahme der „Mobbing-Anteile“ besonders deutlich zu erkennen, ab der siebten Klasse ist die Abnahme der Prozentsätze dann wesentlich geringer.[65]

 

 

Abbildung 3: Schüler unterschiedlicher Klassen, die nach eigenen Angaben gemobbt werden.

 

(Quelle: Jannan, Mustafa: Das Anti-Mobbing-Buch. S.25.)

 

Vergleicht man die Prozentsätze der Kinder, die in der zweiten und neunten Klasse gemobbt werden, so ist ein Rückgang von über fünfzig Prozent zu verzeichnen.

 

Neuen Untersuchungen zufolge ist ein kurzzeitiger Anstieg in der fünften und sechsten Klasse zu verbuchen. Jannan schreibt diesem Anstieg gruppendynamische Vorgänge zu, die während der Bildung neuer Klassenkonstellationen entstehen. Während dieser bilden sich nicht nur neue Freundschaften und Cliquen, sondern auch Feindschaften.[66]

 

Weiterhin stellte Olweus in seiner Studie fest, dass mit zunehmendem Alter das Mobbing unter dem Einsatz physischer Gewalt zurückgeht. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Folgen von gewalttätigen Übergriffen aufgrund ihrer körperlichen Konstitution weitaus schwerer sind. [67]

 

Abbildung 4 zeigt die Entwicklung in den Klassenstufen, Gewalt gegenüber anderen Mitschülern auszuüben. Diese Veränderungen sind nicht so eindeutig und systematisch, wie in der vorausgegangenen Abbildung.

 

 

Abbildung 4: Prozentsatz der Gewalttäter (Mobbern) in verschiedenen Klassen.

 

(Quelle: Olweus, Dan:

 

Täter-Opfer-Probleme in der Schule. S. 284)

 

Allgemein kann festgehalten werden, dass ein „Altersgipfel“ bei 15 Jahren liegt.

 

Jannan legt hierzu zwei Erklärungsansätze vor:

 

Zum einen befinden sich die Jugendlichen in diesem Alter in ihrer pubertären Hochphase und sind daher ihren schwankenden Emotionen unterworfen. Zum anderen ist ihre Muskulatur wesentlich ausgeprägter und damit wirkungsvoller als bei den Kindern jüngerer Jahrgänge.[68] Außerdem verweist Olweus auf eine Studie, aus der hervorgeht, dass Schüler vor allem von ältern Mitschülern gemobbt werden.[69]

 

Geschlechtsspezifische Unterschiede

 

Betrachtet man das von Olweus erforschte Geschlechterverhältnis in Abbildung 3 so zeichnet sich in allen Klassenstufen ab, dass immer mehr Jungen als Mädchen gemobbt werden. In den frühen Klassen ist die Differenz der gemobbten Mädchen und gemobbten Jungen noch relativ gering. Ab der siebten Klasse sind Jungen jedoch doppelt so oft Opfer von Mobbing-Attacken wie Mädchen.[70]

 

In Abbildung zwei ist zu erkennen, dass Jungen wesentlich häufiger mobben als Mädchen. In der zweiten Klasse sind es etwa doppelt so viele Jungen wie Mädchen, die mobben. Die Schere zwischen beiden Geschlechtern geht bis zur neunten Klasse soweit auseinander, dass der Anteil der Mädchen nur noch ein Sechstel der Jungen ausmacht.[71]

 

In der von Sutton und Smith durchgeführten Studie ist jedoch kein eklatanter geschlechtsspezifischer Unterschied in der Gruppe der Täter festzustellen. Auch Salmivalli unterstützt diese Feststellung. Zurückgeführt werden könnten die unterschiedlichen Ergebnisse auf die Tatsache, dass Gewalt weitgehend so wahrgenommen wird, wie in Kapitel zwei...

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