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Wissen managen in formal organisierten Sozialsystemen

Der Einfluss von Erwartungsstrukturen auf die Wissensretention aus systemtheoretischer Perspektive

AutorBarbara Müller
VerlagGabler Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl222 Seiten
ISBN9783834983626
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
In der praktischen Umsetzung wird die Speicherung von Wissen meist unter dem Aspekt des technisch Möglichen und nicht unter jenem des funktional Sinnvollen gesehen. Barbara Müller zeigt, dass die 'Theorie sozialer Systeme' neue Perspektiven in die Wissensmanagement-Diskussion einbringen kann, indem sie den Einfluss von Erwartungsstrukturen auf den Prozess der Wissensretention in High Tech und Beratungsunternehmen analysiert.

Barbara Müller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der WU Wien. Sie lehrt und forscht am Institut für Change Management und Management Development unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Helmut Kasper.

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Leseprobe
1 Einleitung (S. 1)

Wissen ist eine zentrale Ressource für Unternehmen. Dementsprechend wichtig ist deren effiziente Handhabung. Dabei geht es nicht nur darum, wie mit bereits bestehendem Wissen umgegangen und wie es gespeichert wird, sondern auch um die Frage, wie neues Wissen entsteht. Die betriebswirtschaftliche Literatur bietet zahlreiche theoretische Ansätze zum Management von Wissen. Die Umsetzung dieser Ansätze in der Praxis bereitet aber oft Schwierigkeiten.

In dieser Arbeit wird, vor systemtheoretischem Hintergrund, der Umgang mit Wissen abgebildet und empirisch anhand von zwei Fallstudien analysiert. Die dahinterliegende Annahme ist, dass Organisationen als komplexe, soziale Gebilde nach bestimmten systemimmanenten Strukturen funktionieren und diese Strukturen bestimmen, wie Wissen gehandhabt und gespeichert wird. Dieses einleitende Kapitel zeigt die Relevanz der Problemstellung auf und dient der wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung vor dem Hintergrund des Forschungsinteresses.

Ziel ist es, eine wissenschaftstheoretische Positionierung vorzunehmen, um daraus den theoretischen Bezugsrahmen abzuleiten.

1.1 Problemstellung und Aufbau der Arbeit

Wissensmanagement ist ein aktueller Trend sowohl in der Managementforschung als auch im praktischen Umfeld. Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Themenbereich ist groß (vgl. dazu auch Roehl, 2002), die Umsetzungsversuche in den Unternehmen sind umfassend.

Sie reichen von Tools, die eingesetzt werden (sollen), um den internen und externen Wissenstransfer zu erhöhen bis hin zu Funktionen oder ganzen Unternehmensbereichen (“Knowledge- bzw. Wissensmanager/in”, vgl. dazu auch Spender, 2006), die geschaffen werden, um sich dem Thema anzunehmen. Meist gilt dabei die Maximierung expliziten Wissens mittels Dokumentation und dem Einsatz von IT-Lösungen als das vorrangige Ziel.

Dadurch kann es zu einer Überflutung an Informationen kommen, die einem gezielten Wissensmanagement mehr schadet als nützt und die Nutzer/ innen resignieren lässt. Wissensspeicherung wird oft lediglich unter dem Aspekt des technisch Möglichen gesehen und nicht unter jenem des funktional Sinnvollen.

Dahinter steht nicht zuletzt die Annahme, dass “mehr desselben” generell von Vorteil ist (vgl. dazu auch Güldenberg & Helting, 2004, Schneider, 2001).So werden Werte wie Kooperation, Vertrauen und Wissensteilung instrumentalisiert, indem sie als positiv bewertet werden (vgl. dazu Alavi et al., 2006), auch wenn sie den jeweiligen Unternehmenslogiken widersprechen.

Demgegenüber werden Wettbewerb, Misstrauen (insbesondere in das eigene Wissen) oder das Horten von Wissen als Übel angesehen, obwohl es sich hierbei möglicherweise um wesentliche Triebfedern sozialer und technologischer Entwicklungen handelt. Fehlen diese, entstehen Imitationen an Stelle von Innovationen und führen die rein positiv intendierten Aspekte des Wissensmanagements ad absurdum.

Unbestritten ist Wissen eine der wichtigsten strategischen Ressourcen von Unternehmen (vgl. dazu auch Davenport & Prusak, 2000, Grant, 2002, Haas & Hansen, 2007, Nonaka & Takeuchi, 1995) unabhängig davon, in welcher Branche diese tätig sind. Die Frage, die sich aber immer noch stellt, ist die nach der Funktionalität von Wissensmanagement für das jeweilige Unternehmen. Wissensmanagement hat für die Organisation funktional zu sein. Ziel der Forschungsarbeit ist es, diese Funktionsweise im organisationalen Umgang mit Wissen genauer zu beleuchten und – sich von der positiven Wertgeladenheit bestimmter Begriffe weg bewegend – nach dem Nutzen von Wissensmanagement für unterschiedliche Unternehmen zu fragen.

Es rücken Prozesse, wie neues Wissen entsteht und gespeichert wird, in den Mittelpunkt der Analyse. Ausgehend von der Annahme, dass Strukturen im systemtheoretischen Sinne diese Prozesse beeinflussen, wird der Forschungsfrage nachgegangen: Welchen Einfluss haben Erwartungsstrukturen auf die Wissensretention in formal organisierten Sozialsystemen?

Das Erkenntnisinteresse schlägt in dreierlei Hinsicht neue Wege ein: Erstens wird die aktuelle Wissensmanagementdiskussion aus dem Blickwinkel der “Theorie sozialer Systeme” betrachtet (vgl. Luhmann, 1984). Zweitens wird die vorrangig positive Wertgeladenheit bestimmter Begriffe in diesem Zusammenhang hinterfragt. Und drittens lassen sich daraus neue Ansätze für das Management der Ressource Wissen ableiten. Damit können systemspezifische Funktionen erkannt, beschrieben und bewertet werden, um Ansätze für das Management von Wissen anbieten zu können.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis9
Abbildungsverzeichnis12
Tabellenverzeichnis13
1 Einleitung14
1.1 Problemstellung und Aufbau der Arbeit14
1.2 Wissenschaftstheoretische Positionierung16
1.2.1 Das funktionalistische Paradigma und der Kritische Rationalismus16
1.2.2 Kritik am Kritischen Rationalismus17
1.2.3 Das interpretative Paradigma und der Konstruktivismus19
1.3 Der theoretische Bezugsrahmen25
1.3.1 Luhmann und der Konstruktivismus26
1.3.2 Zentrale Begriffe und Grundideen der neueren Systemtheorie27
1.3.3 Erwartungsstrukturen in formal organisierten Sozialsystemen33
1.3.4 Änderungen in und von Organisationen35
1.3.5 Zusammenfassung36
2 Der Wissensbegriff und seine Grenzen38
2.1 Warum Wissen nicht definiert werden kann38
2.1.1 Daten – Information – Wissen aus “klassischer” Perspektive39
2.1.2 Unterschiedliche Wissensarten41
2.1.3 Kombinationen unterschiedlicher Wissensarten45
2.1.4 Zwischenschau und Diskussion53
2.2 Warum Wissen doch (nicht) definiert werden kann54
2.2.1 Differenzen und was sie leitet54
2.2.2 Zwischenschau und Diskussion58
2.3 Zusammenfassung60
3 “State of the Field” von Wissensmanagement62
3.1 Knowledge Management Context63
3.1.1 “The Properties of Units” – die relevanten Einheiten65
3.1.2 “The Properties of the Relationships between Units” – der Zusammenhang zwischen den Einheiten69
3.1.3 “The Properties of Knowledge” – das relevante Wissen73
3.2 Knowledge Management Outcomes75
3.2.1 “Knowledge Creation” – die Wissensgenerierung76
3.2.2 “Knowledge Transfer” – der Wissenstransfer84
3.2.3 “Knowledge Retention” – die Wissensretention91
3.3 Kritische Würdigung97
4 Management von Wissen: Eine systemtheoretische Analyse100
4.1 Formal organisierte Sozialsysteme: lernende Organisationen100
4.2 Erwartungsstrukturen in lernenden Organisationen102
4.2.1 Redundanz und Varietät102
4.2.2 Normen und Kognitionen103
4.2.3 Erinnern und Vergessen105
4.3 Wissensmanagement aus systemtheoretischer Perspektive107
4.3.1 Der organisationale Wissensbegriff aus systemtheoretischer Perspektive107
4.3.2 Die Prozess-Stufen aus systemtheoretischer Perspektive114
4.4 Kritische Würdigung119
5 Vom Prozess zur Wissensretention122
5.1 Prozessmodelle zur Entwicklung von Organisationen122
5.1.1 “Der Prozess des Organisierens”122
5.1.2 “Das Modell der semantischen Retention”126
5.1.3 Zusammenfassung131
5.2 Erwartungsstrukturen und ihr Einfluss auf Wissensretention132
6 Untersuchung des Managements von Wissen – das Vorgehen138
6.1 Methodischer Hintergrund – qualitative Sozialforschung138
6.2 Fallstudien als Forschungsansatz in der qualitativen Sozialforschung142
6.3 Datenerhebung: Zu den Methoden der qualitativen Sozialforschung145
6.3.1 Leitfadengestützte qualitative Interviews145
6.3.2 Critical Incidents146
6.4 Datenauswertung: Vorgehen beim Auswerten von qualitativen Interviews148
6.4.1 Allgemeine Auswertungsschritte von Leitfadeninterviews148
6.4.2 Inhaltsanalyse nach Mayring150
6.4.3 Thematisches Codieren154
6.5 Datendarstellung: Fallstudienrekonstruktion156
7 Untersuchung des Managements von Wissen – die Ergebnisse157
7.1 Fall 1: High Tech Unternehmen157
7.1.1 Einleitung158
7.1.2 Wissensretention160
7.1.3 Erwartungsstrukturen162
7.1.4 Selektionsprozesse166
7.1.5 Zusammenhänge168
7.2 Fall 2: Management Beratung171
7.2.1 Einleitung171
7.2.2 Wissensretention173
7.2.3 Erwartungsstrukturen175
7.2.4 Selektionsprozesse181
7.2.5 Zusammenhänge184
7.3 Der Unterschied macht den Unterschied186
7.3.1 Wissen187
7.3.2 Wissensretention187
7.3.3 Erwartungsstrukturen188
7.3.4 Selektionsprozesse188
7.3.5 Zusammenhänge189
8 Das Modell der Wissensretention193
9 Zusammenfassung und kritische Reflexion198
Literaturverzeichnis203
Anhang225
I. Interviewleitfaden225
II. Beschreibung des Vorgehens und Codierleitfaden227

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