Folgt man den Studien zur Belastungsforschung, ist der Anteil der belasteten Lehrer, doch recht hoch, und es wird vermutet, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Lehrkräfte ausgebrannt ist. Deshalb ist es notwendig, darüber nachzudenken, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Belastungen und den Beanspruchungen entgegenzuwirken (Intervention) oder vorzubeugen (Prävention). Ziel der Maßnahmen muss die Humanisierung der Arbeitstätigkeit der Lehrkräfte sein, d.h. die psychophysische Gesundheit der Lehrkräfte darf nicht durch die Arbeitstätigkeiten geschädigt werden, das psychosoziale Wohlbefinden sollte nicht beeinträchtigt sein, außerdem sollten die Arbeitstätigkeiten den Belastungen und Qualifikationen entsprechen.[103]
Da objektive sowie subjektive Belastungsfaktoren das Belastungserleben beeinflussen, muss es allgemein um die Reduktion der Belastungsfaktoren und um die Stärkung der protektiven Faktoren, also um die Stärkung der Persönlichkeit und den Erwerb von Bewältigungskompetenzen gehen. Dies ist wichtig, da das Belastungsempfinden und damit auch die Beanspruchungen wesentlich von diesen persönlichen Komponenten abhängen, da sie für die Bewertungsstrukturen von Belastungssituationen verantwortlich sind (siehe 2.2.2 Rahmenmodell der Belastung und Beanspruchung). Einen besonders hohen Stellenwert nimmt die Veränderung der individuellen Voraussetzungen auch deshalb ein, weil die situativen Bedingungen häufig gar nicht vom Einzelnen verändert werden können.
Bei den subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten unterscheidet Czerwenka zwischen instrumentellen, also problemlösenden und palliativen, also Beschwerde lindernden, aber nicht die Ursachen bekämpfenden Möglichkeiten. Beide Formen der Belastungsbewältigung können außerdem noch nach „Vermeidung“ (avoidance) oder „darauf zugehen“(approach) unterschieden werden. Es ergeben sich danach vier Grundformen der Bewältigung.
Bild 6: Grundformen der Bewältigung
(Quelle[104])
Die organisations-, individuums- und systembezogenen Ansätze zur Belastungsbewältigung sollen im folgenden zwar unabhängig voneinander vorgestellt werden, allerdings sind sie nicht voneinander getrennt zu vollziehen, sondern müssen sich gegenseitig ergänzen.
Überhaupt können keine allgemein gültigen Ratschläge gegeben werden, da berufliche Belastungssituationen immer das Ergebnis subjektiver Konstruktionen sind.[105] Es handelt sich bei den folgenden Ansätzen also immer nur um Möglichkeiten, die je nach Lehrkraft von sehr unterschiedlichem Nutzen sein können. Außerdem gibt es mittlerweile so viele Angebote für Trainings, Gesprächsgruppen o.ä., die bei der Belastungsbewältigung helfen sollen, dass man schnell den Überblick verlieren kann. Sehr häufig fehlt auch eine Überprüfung der Wirksamkeit.
Hier handelt es um Möglichkeiten der Belastungsbewältigung, die Belastungen in Bezug auf das Kollegium und die Schulgemeinschaft vermindern können.
Die Professionalisierung der Lehreraus- und fortbildung wird keinesfalls nur gefordert, um Belastungen zu mindern, aber sie kann auf jeden Fall dazu beitragen. Dabei gilt es nicht nur, Belastungen auf der Organisationsebene zu mindern, sondern auch die auf der Individuumsebene und der Systemebene. Daher soll dieser Aspekt der Belastungsbewältigung auch am Anfang der verschiedenen Möglichkeiten stehen. Die Bewältigungsstrategien der Individuums- und Systemebene sollen dann in den folgenden Kapiteln noch weiter präzisiert werden.
Um zu klären, was mit der Professionalisierung der Lehrerarbeit gemeint ist, sollte erst einmal erläutert werden, was unter dem Begriff der pädagogischen Professionalität zu verstehen ist. Hierzu eine Definition von Bauer, der einen Begriff der pädagogischen Professionalität entwickelt hat, der Elemente des kriterienbezogenen Ansatzes und der auf Arbeitsaufgaben bezogenen Forschung miteinander verbindet. „Pädagogisch professionell handelt eine Person, die gezielt ein berufliches Selbst aufbaut, das sich an beruftypischen Werten orientiert, sich eines umfassenden pädagogischen Handlungsrepertoires zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben sicher ist, sich mit sich und anderen Angehörigen der Berufsgruppe Pädagogen in einer nicht-alltäglichen Berufssprache verständigt, ihre Handlungen in Bezug auf eine Berufswissenschaft begründen kann und persönlich die Verantwortung für Handlungsfolgen in ihrem Einflussbereich übernimmt“.[106] Unter dem beruflichen bzw. professionellen Selbst versteht er die integrierende und auswählende Instanz, die dafür verantwortlich ist, die Aufmerksamkeit eines Pädagogen so zu steuern, dass Informationen verarbeitet und Handlungsmuster ausgewählt werden, die den pädagogischen Zielen dienen. Es kann durch die Person kontrolliert werden, da es Teil des Bewusstseins ist.
Im folgenden sollen noch einige Worte zur Worte zur Professionalisierungsforschung gesagt werden: Bauer und Burkart unterschieden drei Ansätze der Professionalisierungsforschung: den kriterienbezogenen Ansatz, den historisch vergleichenden Ansatz und den handlungs- und aufgabenbezogenen Ansatz. Bei dem kriterienbezogenen Ansatz wird der Frage nachgegangen, welche Merkmale Professionalität anzeigen. Dazu zählen Autonomie und als Gegenspieler, der vor Missbrauch schützt, das Berufsethos, Reflexivität und Supervision, Kooperation bezogen auf interprofessionelle, intraprofessionelle Zusammenarbeit und Wissenschaftsorientierung. Bei dem historisch vergleichenden Ansatz wird die Entwicklung anerkannter Professionen mit der Entwicklung des Lehrberufs verglichen, die Unterschiede werden untersucht und es wird nach Strategien gefragt, mit denen Mitglieder bestimmter Berufsgruppen Konkurrenten verdrängen und sich einen Anspruch auf bestimmte Fähigkeiten und die damit verbundenen Vorrechte sichern. Der handlungs- und aufgabenbezogene Ansatz stellt die Frage, welche Arbeitsaufgaben Lehrer haben, welche Fähigkeiten sie dazu brauchen und wie diese erworben und verbessert werden, um professionelle Arbeit zu leisten.[107]
Generell hat die Professionsdebatte im Zusammenhang mit dem Lehrberuf noch keine lange Tradition, daher ist der Begriff auch oft noch recht unscharf. Häufig werden Merkmale wie systematisches, wissenschaftliches Wissen, am Gemeinwohl orientierte Handlungsweisen oder die zur Gewohnheit gewordene Selbstkontrolle, die eine Reflexionsfähigkeit voraussetzt, zur Bestimmung von Professionalität genannt. „Professionelle zeichnen sich...dadurch aus, dass sie über ein hohes Maß an Reflexionswissen verfügen, mit dem sie in der Lage sein sollen, wenn schon nicht ihre blinden Flecken aufzuklären, dann doch zumindest darum zu wissen, dass sie welche haben“.[108] Im Lehrerberuf wird häufig noch gegen den Vorwurf der Semi-Professionalität gekämpft, besonders im Grundschullehramt, denn Professionalität schließt ein spezifisches Expertenwissen und –können ein und ist mit den umfänglichen Zuständigkeiten des Lehrberufs schwer vereinbar. Semi-Professionisten sind außerdem nicht klienten- oder organisationsautonom. Dies trifft auch für Lehrkräfte zu, die auf jeden Fall nicht organisationsautonom sind, denn durch den Beamten- oder Angestelltenstatus, durch die strukturellen Bedingungen des Schulsystems, durch die Weisungsabhängigkeit bei der Ausübung der Tätigkeit oder aber auch einfach durch die fehlende Anerkennung des Berufs durch die Gesellschaft ist die Autonomie der Lehrkräfte eingeschränkt.[109] Fraglich ist auch die Klientenautonomie, da in dieser Hinsicht ebenfalls vielfache Einschränkungen für Lehrkräfte gelten und die Lehrkräfte somit in Bezug auf die Schülerinnen und Schüler nicht autonom handeln können.
Die Aus- und Fortbildung sollte sich nun an das professionelle Selbst der Lehrkräfte wenden, da ein schwaches professionelles Selbst schnell zu beruflicher Unzufriedenheit führen kann. Neben einer individuellen Professionalisierung, die die Lehrkräfte dazu befähigt, ihren Unterricht angemessen zu organisieren, durchzuführen und zu evaluieren, muss auch die Arbeitsorganisation innerhalb des Schulsystems verändert werden, damit eine vollentwickelte Professionalität verwirklicht werden kann. Von Bedeutung sind hier beispielsweise Konzepte der Schulentwicklung, Elemente der Organisationsentwicklung und die Förderung der Kompetenzen kooperativen Handelns.
Altrichter formuliert vier neue Bereiche, die durch Schulentwicklungsprojekte auf Lehrerinnen und Lehrer zukommen.
1. Wissen und Kompetenzen für Prozesse des „Schul-Betriebs“, wobei er mit „Schul-Betrieb“ z.B. Schulprogramm und-evaluation, Elternarbeit, Öffentlichkeitsarbeit meint.
2. Pädagogische und (fach)-didaktische Kompetenzen.
3. Bereitschaft, Fähigkeit und Möglichkeit gemeinsamer Arbeit, Koordination und Kooperation.
4. Reflexivität, für die die Fähigkeit und Bereitschaft zur selbstkritischen Distanz...