1 Einleitung
Der deutsche TelemedizinMarkt ist eine Branche mit hohem Wachstumspotenzial. Laut einer Studie der DB Research gehen Marktbeobachter davon aus, dass in Europa der Umsatz für Telemedizin bis 2020 durchschnittlich um zehn Prozent pro Jahr, von derzeit fünf Milliarden auf neunzehn Milliarden Euro, wachsen wird (F.A.Z., 25.08.2010)[1]. Der Bereich ist dynamisch und innovativ. Telemedizin kann Möglichkeiten schaffen, den aktuellen Herausforderungen im Gesundheitssystem wie z.B. einem qualitativen und zeitnahen Austausch von Informationen, Kostensenkungen und die Verbesserung der Qualität in der Gesundheitsversorgung, besser gerecht zu werden.
Die Zunahme von chronischen Erkrankungen, die wachsende Zahl multimorbider Patienten, der demografische Wandel und die laufenden medizinischen Fortschritte verursachen erheblich steigende Kosten und gehören damit zu den größten Herausforderungen im deutschen Gesundheitsmarkt. Die entsprechenden technischen Voraussetzungen zur Anwendung von Telemedizin, wie z.B. die eGesundheitskarte, ePatientenakte, Telematikplattformen oder auch Virtual Private Networks, sowie Geräte zur Telekommunikation (Telefon, Fernseher, Mobiltelefon, Computer, Internetzugang etc.), sind bereits vorhanden. Für Telemonitoring bieten verschiedene Hersteller Geräte mit Bluetooth gestützten Sensoren zur Messung von Vitalwerten, wie Blutdruck, Puls, EKG, Temperatur, Blutzucker, Gewicht etc., an. Die Akzeptanz der Zielgruppe, insbesondere von Patienten, Ärzten und Krankenkassen, ist derzeit aber noch sehr gering. Für den Verbraucher muss ersichtlich sein, dass er durch den Einsatz von Telemonitoring profitieren kann. Es gilt Anreize zu schaffen, die die Akzeptanz bei der Zielgruppe erhöht und damit die Zusammenarbeit medizinischer Leistungserbringer unterstützen und optimieren. Eine Aufnahme der telemedizinischen Leistungen in die Regelversorgung wäre hier sicherlich von Vorteil. Darüber hinaus muss der medizinische und ökonomische Nutzen des Telemonitoring für den Anwender deutlich erkennbar sein. Im Vergleich zu den internationalen Märkten steckt die deutsche Telemedizin noch in den Kinderschuhen. Unsicherheit, Uninformiertheit und mangelnde politische Unterstützung führen zu verhaltenem Optimismus im TelemedizinMarkt. Der demografische Wandel und die damit einhergehende Versorgungslücke, besonders in ländlichen Gebieten, führen zu einem wachsenden Bedarf und einer verstärkten Entwicklung des Telemonitoring. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, welche Chancen Telemonitoring als Teilbereich der Telemedizin hat, sich im Gesundheitsmarkt zu etablieren.
Im ersten Kapitel dieser Arbeit werden dazu die begrifflichen Grundlagen erörtert, sowie bisherige Anwendungsbereiche der Telemedizin dargelegt. Im Weiteren wird der IstZustand des telemedizinischen Marktes in Deutschland aber auch der internationale Status beschrieben. Anschließend wird der Markt für Telemonitoring mit Hilfe des FünfKräfteModells nach Porter und einer SWOTAnalyse elaboriert. Außerdem werden die derzeitigen Möglichkeiten der Finanzierung von telemedizinischen Anwendungen und die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die weitere Entwicklung der Telemedizin dargestellt. Die Autorinnen berichten im dritten Kapitel ausführlich über die Zielgruppen des Telemonitoring und gehen dabei besonders auf die chronisch Kranken ein. Der Schwerpunkt wird hier auf die Gruppe der Patienten mit Lungenerkrankungen, Diabetes und Herzinsuffizienz gelegt. Weitere Bereiche, in denen Telemonitoring bereits sinnvoll einsetzbar ist, werden vorgestellt. Auf die steigende Bedeutung des neuen „dritten“ Gesundheitsstandortes im häuslichen Umfeld gehen die Autorinnen ebenfalls ein. Hier wird das Ambient Assisted Living erörtert, welches das Telemonitoring ideal ergänzen kann. Die Projekte „Renewing Health“ und „ Smart Senior“ werden als Praxisbeispiele im vierten Kapitel vorgestellt.
Im Rahmen der Studienarbeit wurden Experteninterviews durchgeführt, welche im darauf folgenden Kapitel niedergeschrieben wurden. Die Interviews wurden mündlich, schriftlich und telefonisch geführt. Anhand von elf Fragen konnten unterschiedliche Aspekte aus verschiedenen Fachbereichen gewonnen werden.
In den Kapiteln fünf und sechs werden Nutzen und Akzeptanz von Telemonitoring dargelegt. Im vorletzten Teil der Arbeit setzen sich die Verfasserinnen anhand einiger ausgewählter kommunikationspolitischer Instrumente mit der Vermarktung von telemedizinischen Anwendungen auseinander. Anschließend werden zudem Maßnahmen beschrieben, wie man den potenziellen Nutzer von morgen schon heute effektiv auf den Umgang mit Telemonitoring vorbereiten kann. Im Fazit werden die Ergebnisse nochmals kritisch überprüft und ein Ausblick auf die anzunehmenden Veränderungen im Telemonitoring Markt gegeben.
1.1 Begriffserklärung Telemedizin und Telemonitoring
Telemedizin
Die Telemedizin ist ein Teilbereich der Telematik (engl.: health telematics) im Gesundheitswesen. Telematik ist ein Kunstwort aus Telekommunikation und Informatik. Telemedizin ist eine noch junge Branche im Gesundheitswesen. Daher gibt es in der Literatur verschiedenste Definitionen dafür. Allgemein lässt sich sagen, dass unter dem Begriff „Telemedizin“ der Einsatz elektronischer Medien im Gesundheitswesen (Stichwort: elektronische Gesundheitskarte, elektronische Patientenakte u.a.), sowie weitere gesundheitsbezogene Aktivitäten zusammen gefasst werden.
Nach der Definition von Buffon et al. (2004, S. 3), werden unter Telemedizin im weiteren Sinn alle medizinischen Behandlungen verstanden, bei denen sich die Akteure nicht im unmittelbaren Kontakt miteinander befinden. Zur Überwindung der räumlichen Distanz zwischen Arzt und Patient werden technische Hilfsmittel der modernen Informations und Kommunikationstechnologie verwendet. Dies kann ein einfaches Festnetztelefon sein, aber auch Faxgeräte und Computer zählen dazu.[2]
Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Telematik ein Sammelbegriff für gesundheitsbezogene Aktivitäten, Dienste und Systeme, die über eine Entfernung hinweg mit Mitteln der Informations und Kommunikationstechnologie ausgeführt werden. Zweck der Telematik ist die globale Gesundheitsförderung, Krankheitskontrolle und Krankenversorgung, sowie Ausbildung, Management und Forschung für das Gesundheitswesen. Die WHO teilt dies in vier Funktionsbereiche ein, wie [3]
Telemedizin für die Patientenversorgung
Teleausbildung für die Lehre
Telematik für die medizinische Forschung und
Telematik für das Gesundheitsmanagement.
Die Definition für den Begriff Telemedizin hat die WHO im Jahr 1997 folgendermaßen herausgegeben: „Telemedizin ist die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen durch Berufstätige im Gesundheitswesen unter Verwendung von Informations und Kommunikationstechnologie zum Austausch gültiger Informationen für Diagnose, Therapie und Prävention von Krankheiten und Verletzungen, für Forschung und Bewertung sowie für kontinuierliche Ausbildung von Dienstleistern im Gesundheitswesen im Interesse der Förderung der Gesundheit von Individuen und ihren Gemeinwesen, wenn dabei die räumliche Entfernung einen kritischen Faktor darstellt..."[4] Nach der Definition von Ch. Dierks et al. „ Rechtsfragen der Telemedizin“, ist Telemedizin der Gebrauch von Informations und Telekommunikationstechnologien, um Gesundheitsleistungen zu erbringen oder zu unterstützen, wenn die Teilnehmer räumlich getrennt sind.[5]
Greiner / Schorr, „Systeme in der Telemedizin“ betrachten die Telemedizin als Schnittmenge der Bereiche Gesundheitswesen, Telekommunikation und Informationstechnik.[6] In der folgenden Abbildung wird dies dargestellt.
Des Weiteren erfolgt die Aufteilung der Telemedizin in zwei verschiedene Anwendungsbereiche. Im sogenannten „Doc2Doc“Bereich können zwei sich konsultierende Ärzte mittels Applikationen in der Telekonsultation, Teleausbildung oder Telechirurgie in Kontakt stehen und sich austauschen. In der Beziehung zwischen Arzt und Patient, dem sogenannten Doc2PatientBereich, gibt es hingegen die Anwendungen der Telediagnostik, Teletherapie, Telemonitoring und Telecare.[7]
Abb.1: eigene Darstellung, Schnittmenge der Bereiche Gesundheitswesen, Telekommunikation und Informationstechnik (Quelle: Roland Berger & Partner GmbH, 1997, S. 21)
Der Begriff Telemedizin fällt in der Literatur auch häufig unter dem weiten Oberbegriff eHealth. Die WHO definiert eHealth verhältnismäßig breit: „eHealth is the use, in the Health sector, of digital data transmitted, stored and retrieved electronically in support of health care, both at the local site and at a distance“...