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E-Book

Zurück vor den Urknall

Die ganze Geschichte des Universums

AutorMartin Bojowald
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783104002729
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der spektakuläre Blick in das Universum vor dem »big bang«! Bislang blieb der »Urknall« die letzte Grenze, hinter die kein Physiker zurück konnte. Selbst für die Allgemeine Relativitätstheorie gilt dieser Zeitpunkt als »Singularität«, die sich nicht mehr mit ihren Gleichungen berechnen lässt und wo die physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht mehr definiert sind. Hier beginnt für uns das Universum. Doch was war vorher? Der junge Physiker Martin Bojowald hat in der Fachwelt Aufsehen erregt, weil es ihm mit einer Reihe von Gleichungen gelungen ist, näher als jemals bisher an den Urknall heranzukommen und sogar darüber hinaus. Plötzlich ist sind Einblicke in das möglich geworden, was vor dem Urknall war - mit verblüffenden Erkenntnissen über eine aufregend unbekannte Welt mit negativer Zeit, »umgestülpten Raumverhältnissen« und einem Kosmos, der sich zusammenzieht, um nach dem »Big Bang« zu expandieren. Alte kosmologische Modelle über den Zyklus des Werdens und Vergehens des Weltalls erhalten dadurch eine ganz neue Aktualität. Doch wie war es wirklich? Was war »vor dem Urknall«? In seinem Buch »Zurück vor den Urknall« erklärt Martin Bojowald anschaulich und ohne jede Formel die physikalischen Hintergründe seiner Theorie. Er nimmt seine Leser mit auf eine spannende Reise durch die heutige Kosmologie, zurück zum Ursprung des Universums - und in die Zeit davor.

Martin Bojowald, geboren 1973, hat nach dem Studium am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam gearbeitet und ist nun Associate Professor an der Penn State University in den Vereinigten Staaten. Über seine Forschungen auf dem Gebiet der Schleifen-Quantengravitation und der Kosmologie wurde in der internationalen Fachpresse wie New Scientist, Scientific American, Bild der Wissenschaft oder Nature berichtet.

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Leseprobe

Kapitel 1: Einleitung


Je abstrakter die Wahrheit ist, die Du lehren willst,
desto mehr musst Du noch die Sinne zu ihr verführen.
Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse

Im letzten Jahrhundert ist die physikalische Forschung weit fortgeschritten und hat ein überragendes Theoriengebäude entworfen: die Quantentheorie und die Allgemeine Relativitätstheorie. Dies erlaubt ein Verständnis der Natur im großen wie im kleinen Maßstab, vom ganzen Universum in der Kosmologie bis hin zu einzelnen Molekülen, Atomen oder gar Elementarteilchen mit Hilfe der Quantentheorie. Zusammengenommen ergibt sich so eine präzise Beschreibung und ein tiefgreifendes Verständnis von mannigfachen Phänomenen, die eine spektakuläre Bestätigung durch Beobachtungen erfahren haben. Gerade in den letzten Jahren ist dies vor allem in der Kosmologie des frühen Universums geglückt.

Neben der technologischen Relevanz in fast allen Bereichen des alltäglichen Lebens besteht ein unverkennbares Gütezeichen dieses wissenschaftlichen Fortschrittes darin, dass schon seit einiger Zeit Teile der Forschung an traditionell von der Philosophie beanspruchte Fragestellungen stoßen. (Mit dem Physiker und Philosophen Abner Shimony kann man hier zu Recht und mit absichtlichem inneren Widerspruch von »experimenteller Metaphysik« sprechen.) Seit Aristoteles ist das Ziel der Theoriebildung die Einsicht in allgemeine Sachverhalte und ein Verständnis von deren Gründen, im Gegensatz zum Sammeln von Einzelwissen. Philosophie hingegen fragt nach den tiefsten Gründen oder Prinzipien des Seienden. In diesem Sinne ist die Verschmelzung einiger physikalischer mit philosophischen Fragestellungen durchaus als Auszeichnung des wissenschaftlichen Fortschrittes zu verstehen. Wenn Physik zu diesen Fragen vordringt, gelangt sie auch in eine Position, mit der zu Diskussionen von weit allgemeinerem – und weiter reichendem – Interesse beigetragen werden kann. Für eine Kombination von Kosmologie und Quantentheorie ist die wichtigste Frage die nach der Entstehung und den ersten Stadien der Welt, was die Menschheit seit den Anfängen der Philosophie und auch schon davor bewegt hat.

Weitere Beispiele sind, sowohl in der Quantentheorie als auch in der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Rolle von Beobachtern in der Welt und die Frage nach dem, was man überhaupt beobachten kann und was möglicherweise nicht. In der Kosmologie bedeutet der Einzug von physikalischen Methoden die Entstehung empirisch überprüfbarer Weltbilder. Das Urknall-Modell des Universums beruht sowohl auf der Allgemeinen Relativitätstheorie in der Beschreibung von Raum, Zeit und der treibenden Gravitationskraft als auch auf der Quantentheorie, die für eine Kenntnis der Eigenschaften von Materie im frühen Universum wichtig ist. Insgesamt ergibt sich eine spektakuläre Erklärung für die sukzessive Entstehung von Atomkernen, Atomen und weiter zusammengesetzter Materie bis hin zu Galaxien aus einer extrem heißen Anfangsphase.

Gerade an dieser Stelle werden jedoch auch Grenzen des etablierten Weltbildes sichtbar. Trotz aller Erfolge ergibt die Allgemeine Relativitätstheorie zusammen mit der Quantentheorie, wie sie derzeit benutzt wird, keine vollständige Beschreibung des Universums. Löst man die mathematischen Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie, um ein Modell des zeitlichen Verlaufes des Universums zu erhalten, so erhält man immer einen Zeitpunkt, die sogenannte Urknall-Singularität, zu dem die Temperatur des Universums unendlich groß war. Dass das Universum in der Urknall-Phase sehr heiß war, ist keine Überraschung; schließlich war das expandierende Universum damals viel kleiner und komprimierter als heute, was einen enormen Temperaturanstieg bedeutet. Aber Unendlich als Resultat einer physikalischen Theorie bedeutet schlicht, dass die Theorie überstrapaziert wurde. Ihre Gleichungen verlieren an solch einem Punkt sämtlichen Sinn. Im Falle des Urknall-Modells sollte dies nicht als eine Vorhersage eines Anfangs der Welt missverstanden werden, obwohl es oftmals so dargestellt wird. Ein Zeitpunkt, an dem eine mathematische Gleichung Unendlich liefert, ist nicht der Anfang (oder das Ende) der Zeit. Es ist einfach ein Punkt, an dem die Theorie ihre Begrenztheit zeigt. Trotz aller Erfolge in anderen Bereichen muss die Theorie, die durch die Allgemeine Relativitätstheorie in Kombination mit der Quantentheorie der Materie geliefert wird, erweitert werden.

Das Problem hat seine Ursache in der Unvollständigkeit der Revolution, die in der physikalischen Forschung des letzten Jahrhunderts stattfand. Die Quantentheorie wird zwar für eine Beschreibung der Materie im Universum benutzt, nicht aber für die Gravitationskraft oder gar für Raum und Zeit selbst. Letzteres ist die Domäne der Allgemeinen Relativitätstheorie, die aber weitgehend unabhängig von der Quantentheorie ist. Eine erfolgreiche Kombination von Quantentheorie und Allgemeiner Relativitätstheorie auch in den Bereichen von Raum und Zeit würde die bisher bekannte Theorie signifikant erweitern. Eine solche Kombination, die Quantengravitation, ist insbesondere für eine Beschreibung der heißen Urknall-Phase des Universums wichtig und kann, so hofft man, erklären, was an dem Unendlichkeitspunkt der Urknall-Singularität passierte. War dies wirklich der Ursprung der Welt und der Zeit, oder gab es doch etwas davor? Und wenn es etwas vor dem Urknall gab, dann was?

Leider erweist sich die Quantengravitation als äußerst kompliziert. Für sich genommen sind Allgemeine Relativitätstheorie und Quantentheorie durch einen in der vorhergehenden Physik ungekannten mathematischen Aufwand ausgezeichnet. Außerdem sind die in diesen beiden Bereichen benutzten mathematischen Methoden voneinander sehr verschieden. Eine Kombination der physikalischen Theorien verlangt auch eine Vereinigung der zugrundeliegenden mathematischen Objekte, was zu einer Potenzierung des Schwierigkeitsgrades führt. Deshalb ist, trotz vieler Jahrzehnte Forschung und starker Anstrengungen zahlreicher Wissenschaftler, noch keine vollständig ausformulierte Quantengravitation verfügbar. Was wir aber vor allem in den letzten Jahren gesehen haben, sind zahlreiche vielversprechende Indizien für ihre Eigenschaften, die bereits analysiert werden können. Die Situation, wie so oft in der Forschung, gleicht dem Anfangsstadium eines Puzzle-Spiels, in dem man das endgültige Bild vielleicht teilweise erahnen kann, dennoch aber auch auf einem Irrweg sein könnte. Unser derzeitiges Bild deutet an, was eine Vervollständigung der physikalischen Theorie bewerkstelligen kann: Sie erlaubt uns zu sehen, was während und sogar vor dem Urknall geschehen sein könnte. Wir erhalten Einblick in die früheste Urzeit unseres Universums und können erstmals analysieren, wie es wohl entstand.

In diesem Buch werden sowohl jüngste Resultate der Theorie als auch für die nähere Zukunft geplante Beobachtungen im Weltraum erläutert, und es wird gezeigt, wie radikal sie unser Weltbild verändern können. Insbesondere mit der Schleifen-Quantengravitation, eine der Varianten, die derzeit für eine Kombination von Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantentheorie gehandelt werden, sind Ansätze für eine nichtsinguläre Beschreibung des Urknalls erzielt worden. In diesem Rahmen existierte das Universum schon vor dem Urknall, und es lässt sich grob abschätzen, wie es sich damals in seinen Eigenschaften von den jetzigen unterschieden haben könnte. Durch den Einfluss auf spätere Phasen der kosmischen Expansion, die empfindlichen Beobachtungen offenstehen, kann man diese Urgeschichte des Universums untersuchen. Aus erster Hand der Forschung wird dies im weiteren Verlauf dargestellt werden, gefolgt von einer Behandlung Schwarzer Löcher, die ebenfalls faszinierende Effekte zeigen. Die abschließenden Kapitel berühren dann weitergehende, ein allgemeines Verständnis der Welt betreffende Fragestellungen, darunter die Kosmogonie, das Rätsel der Zeit und ihrer Richtung und den Gral der »Weltformel«. Wie das wissenschaftliche Weltbild wird der menschliche Weg der Erkenntnis selbst durch Beispiele aus der modernen Forschung beleuchtet. Hierin wird etwas Einblick von einer persönlichen Perspektive aus gewährt.

Obwohl die Theorie hochmathematisch ist, sind viele Rechnungen mittlerweile intuitiv verstanden. Intuition ist nicht nur hilfreich für die Forschung in einem unbekannten Territorium, sondern erlaubt auch eine breitangelegte Erklärung. Dies soll, unter Verzicht auf mathematischen Formalismus (abgesehen von einer Illustration auf Seite 123), in diesem Buch realisiert werden, getreu dem am Anfang dieses Kapitels zitierten Nietzsche-Motto. Während man zum Entdecken und Einsehen solcher Sachverhalte nicht auf die Mathematik verzichten kann, ist ein anschauliches Verständnis ohne allzu viel Aufwand möglich. Man wird zwar nicht immer verstehen, warum die Dinge so und nicht anders sein sollen, aber mit etwas Vertrauen in den Reiseführer erkennt man doch einige der Zusammenhänge.

Dennoch ist eine Warnung vonnöten: Viele Bereiche der Quantengravitations-Forschung sind noch als spekulativ zu betrachten. Anders als in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in der die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantentheorie entwickelt wurden, existieren (noch) keine Beobachtungen, die als Richtlinie für die theoretische Ausformulierung der Quantengravitation dienen könnten. Was derzeit die Forschung antreibt, sind konzeptionelle Erwägungen der bisher erkannten Unvollständigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie sowie mathematische Konsistenzbedingungen in der Formulierung von Gleichungen. Es ist zum Beispiel keineswegs garantiert, dass die Kombination gewisser mathematischer Methoden, wie sie...

Blick ins Buch

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