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E-Book

Tyrannenkinder

Plädoyer für mehr elterlichen Egoismus

AutorGabriele Flessenkemper
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783644426917
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Sie wollen mal wieder zusammen ins Kino, organisieren einen Babysitter, doch in dem Moment, als Sie in der Tür stehen, bricht im Kinderzimmer Heulen und Wehklagen aus. Die alleinerziehende Mutter will beim neuen Lover übernachten, während die Tochter - wie so oft - bei der Freundin aus der Kindergruppe bleiben möchte. Doch plötzlich bekommt sie Bauchweh und verlangt Mamas ungeteilte Aufmerksamkeit... Natürlich lieben wir unsere Kleinen abgöttisch, doch einfach machen sie uns das nicht immer. Manchmal erweisen sich Kinder als Minimonster und regelrechte Erotikkiller, sabotieren die wenigen individuellen Freiheiten, die ihren Eltern geblieben sind. Gabriele Flessenkemper berichtet von den alltäglichen Reibereien mit dem oft reichlich egozentrischen Nachwuchs und bietet insbesondere jungen Müttern und Vätern ein Plädoyer für mehr elterlichen Egoismus, der garantiert keinem Kind schaden wird. Unsichere Eltern werden darin bestärkt, dass es neben dem Leben als Vater und Mutter auch jenes als Mann und Frau gibt.

Gabriele Flessenkemper lebt und arbeitet in Köln und Italien als Buchautorin und Radiojournalistin. Neben zahlreichen Radiofeatures hat sie Sach- und Kinderbücher, Kurz- und Kriminalgeschichten veröffentlicht. www.gabriele-flessenkemper.de

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Leseprobe

VORWORT


Kinder sind geräuschvoll, unverständlich, schmutzig, frech, ungebildet, erpresserisch, parasitär und spielen gern die armen Opfer. Sie sind die unerwünschte Folge köstlicher heimlicher Liebschaften, ein mehr als zehn Jahre andauerndes Hindernis für den häuslichen Frieden. Ich kann daher nicht umhin, mich zu fragen, wieso man nie versucht hat, nach entsprechender Schwangerschaft gleich erwachsene menschliche Wesen mit Führerschein (…) zustande zu bringen; Männer und Frauen, die fähig wären, mit Krawatte und Doppelreiher oder einem schlichten Geburtskleid – natürlich ohne Strumpfhose – zur Welt zu kommen.

(Giorgio Manganelli, «Offener Brief des Königs Herodes zum Jahr des Kindes»)

 

 

Plötzlich sind sie überall: Kreischend bringen Kleinkinder Supermarkt-Regale zum Einsturz, sie toben im Kindergarten und beschimpfen Erzieher, Schulkinder flegeln sich in öffentlichen Verkehrsmitteln und tanzen ihren Eltern auf dem Kopf rum. Kinder außer Rand und Band.

Große Verunsicherung allenthalben. Super-Nannies demonstrieren im kommerziellen Fernsehen, wie Erziehung sein soll, und Dokusoaps führen die Vertreibung dreißigjähriger Nesthocker aus dem Hotel Mama vor.

Kinder- und Jugendlichenschelte allenthalben. Die Empörungswelle steigt mit jedem Medienauftritt von Pädagogen, Psychologen, Promis und selbsternannten Apokalyptikern, die mal wieder den Untergang des Abendlandes vorhersehen. Die Ratgeber- und Expertenliteratur, die sich des Phänomens annehmen will, türmt sich bergehoch.

Tyrannische Kinder? So viele? Immer mehr? Vielleicht. Statistiken, Beobachtungen, Empfindungen? Wer kennt die Hintergründe? Wie viele tyrannische Auftritte muss ein Kind hinlegen, damit es den Titel «Tyrannenkind» erhält?

Tyrannisches Verhalten, na klar. Das probiert doch jedes Kind mal aus, wie weit es gehen kann, wo die Grenzen sind. Wie Eltern reagieren. Oder die Kindergärtnerin. Haben wir doch auch gemacht. In diesem Buch gibt es auch jede Menge Beispiele heutiger Kinder. Es sei denn, sie sind diese Superkids, diese perfekten Kinder perfekter Eltern, diese angepasste Spezies, von denen wohl die Vertreter von Disziplin, Strafen, unnachgiebiger Konsequenz und harten Maßnahmen träumen.

Dabei weiß doch heute jede Welpenschule, dass Strafen das Lernen nicht fördern. Auch nicht das soziale Lernen kleiner Menschenkinder. Herumgesprochen hat sich vielleicht auch, dass Kinder nur Selbstvertrauen und Selbstachtung entwickeln, wenn sie in ihren Bedürfnissen und in ihrer Würde als kleine, junge Menschen wahrgenommen werden.

Hier geht es nicht primär um Erziehung, und deshalb ist dies auch kein Erziehungsratgeber. Es geht um die Frage, wie Eltern genügend gute Eltern sein und gleichzeitig ein «Liebespaar» bleiben und diese Liebe leben können.

Und es geht um Anregungen, Beispiele, Erfahrungen und Überlegungen, nicht um Rezepte.

Wie kann die Liebe vor den Kindern gerettet werden? Ist denn die Liebe überhaupt noch zu retten? Ist sie nicht längst dahin, ein romantischer Traum, den einige Unverbesserliche immer noch träumen – Naive oder Gefühlsriesen (wobei es sich da meist um Gefühlsriesinnen handelt)? Eine große Illusion, die uns immer wieder paarweise zusammentreibt? Hinter der sich aber erbitterte Machtkämpfe, unglückselige Abhängigkeiten oder wechselseitige Ego- und/​oder Neurosenpflege verbergen? Schrumpfen nicht angesichts all unserer kosmischen Katastrophen die privaten Belange auf Mickymausformat zusammen? Und ist Liebe und all das nicht sowieso ein Luxus weniger geworden?

Was wollen Männer und Frauen eigentlich voneinander im einundzwanzigsten Jahrhundert? Erstaunlich ist, dass sich über die Jahrtausendwende so wenig geändert hat, dass es immer noch um die alten Probleme und Themen geht.

Das kann doch nach über vierzig Jahren neuerer Frauenbewegung und Beziehungsdebatten nicht alles gewesen sein? Immer noch und immer wieder geht es um die Frage von Kindern und Karriere, von der Lust und der Last eines Paarlebens und wer welche Rolle spielt.

Dass die Frauen «die Männer in Ruhe» lassen oder weiterhin Therapeutin, Krankenschwester oder eben Mutter spielen. Dass die Männer sich in den ollen Rollen pudelwohl zu fühlen scheinen. Wo doch alles dafür spricht, dass die bürgerliche Kleinfamilie keinem gutgetan hat und sowieso nicht funktioniert, ebenso wenig wie das Auslaufmodell Ehe. Die romantische Liebe als Basis ist ein relativ neues Konzept vom Zusammenleben von Männern und Frauen. Auch die Kinderliebe ist nicht viel älter. Beide Vorstellungen gehen einher mit dem individualistischen Denken der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert.

Kinder heute sind oft letzte Sinngebung, als einzige, die die Turbulenzen überdauert. Kinder, die ihr Mütterlein nicht einsam und jenseits der Wechseljahre sitzenlassen, während Vater mit Fünfundzwanzigjährigen eine zweite oder dritte Liebes- und Kinderrunde dreht.

Wenn Kinder schon die Liebe nicht erhalten, so bleiben sie doch jedenfalls übrig, wenn die Liebe zu Ende geht.

«Kinderkriegen gehört zu den letzten noch eingehbaren subjektiven Risiken», meint Barbara Sichtermann.

In der Tat. Nur weniges verändert unser Leben so sehr wie ein Kind. Trotzdem gibt es da eine seltsame Gedankenleere: Paare, die jahrelang überlegt und skrupuliert haben, ob und wie sie denn nun zusammenziehen. Ist ein Kind unterwegs, scheint die Vorstellungskraft zu erlahmen. Was passiert, wenn es da ist, wobei das ganze verdammte erwachsene Leben ja auch weitergeht, mit Arbeit und Geselligkeit, mit Lust und Leidenschaft, mit all den unausgegorenen Träumen und Vorstellungen?

Natürlich lieben wir sie, unsere süßen Kleinen, und besonders leicht zu lieben sind sie ja, wenn sie nett und herzig sind. Aber zuweilen lieben wir sie auch gar nicht. Da finden wir sie lästig, anstrengend und manchmal geradezu hassenswert, wie sie so penetrant auf der sofortigen Befriedigung all ihrer Bedürfnisse beharren: wenn sie die Regeln verletzen, die wir fürs Zusammenleben solcher unterschiedlichen Spezies wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene aufgestellt haben. Wenn Kindermund höchst schonungslos Wahrheit kundtut und uns unschmeichelhafte Tatsachen vor den Kopf knallt. Wenn der Kinderkram in Form von Spiel- und Sportsachen, von Dreck und Durcheinander, mit Lärm und Laut mehr und mehr unsere Erwachsenenwelt überwuchert. Wenn die Anwesenheit von Kindern so wirksam ist wie ein mittelalterlicher Keuschheitsgürtel: Da, wo Kinder sind, ist sexfreie Zone.

Sicher bieten Kinder den Reiz des Unvorhersehbaren. Den kann man aber auch in anderen abenteuerlichen Lebensformen finden, wenn einem danach ist. Kinder, in ihrer besonderen Unvorhersehbarkeit, sind immer da. Kinder rauben uns damit über Jahre den Schlaf, wir kriegen Falten und graue Haare vor berechtigten und überflüssigen Sorgen, sie sind undankbar und enttäuschen uns.

Anja, berufstätige Frau, Mutter von zwei Kindern und mit einem beständigen Mann verheiratet. «Manchmal ist da wenig zu retten von der Liebe. Dann ertappe ich mich in letzter Zeit öfter dabei, dass ich neidisch auf ungebundene Paare bin. Solche ohne Kinder. Die so viel Zeit für die Liebe haben, wie sie wollen.»

Und Bernd, Ganztagspapi zweier Kleinkinder, grinst: «Ich wäre so gerne manchmal ein Mann ‹ohne Anhang›. Ganz wörtlich: Kleine Kinder sind ja wie Anhänger. Sie kleben an dir dran wie Kletten.»

«Da kann ich dir viel erzählen, wie die Liebe zerstört wird durch die ständige Anwesenheit von Kindern oder auch nur von dem Gefühl davon», seufzt Charles. «Oder wie wir unsere Kinder als Waffe im täglichen Ehekrieg gebraucht haben.»

Nur ein befreundeter Psychologe schreckt zurück: «Rettet die Liebe vor den Kindern. Das klingt so hart. Kinder sind doch die Opfer.» Nun, dies ist jetzt mal nicht das Thema.

Nein, das soll keiner erzählen (das tut aber auch niemand hier in diesem Buch), dass das Leben mit Kindern immer das pure Glück ist. Dass da nicht vor allem eines sehr schnell auf der Strecke bleiben kann, nämlich das Liebesleben der Eltern oder auch des allein erziehenden Elternteils.

Hier geht es um eine fröhliche Demontage von Sentimentalitäten, ums Kratzen am Zuckerguss, der rosa und hellblau die heilige Dreifaltigkeit Vater – Mutter – Kind verkleistert und den Blick auf das Trio Infernale verhindert.

Aber auch: weg von der Vorstellung vom perfekten Elternsein und vom perfekten Kind, diesem Kinder-Verherrlichungsprogramm einerseits und dem Kontrollwahn der Disziplin-Mafia andererseits.

Wie schon der gute Freud so oder so ähnlich sagte: «Egal, wie wir es machen, wir machen es sowieso nie ganz richtig.»

Hier geht’s um die Leute, die mit den kleinen «halslosen Monstern» zusammenleben, ständig oder gelegentlich.

 

Ist die Liebe noch zu retten, wenn man mit Kindern und mit einem geliebten Partner leben will? Das war meine Frage. In den vielen Gesprächen habe ich Geschichten gesammelt, keine Zahlen, keine Statistiken und also auch keine Belege oder gar Beweise in einem soziologischen oder psychologischen Sinn für welche Thesen auch immer.

Es sind beunruhigende, anregende, empörende, heilsame und unheilvolle Erfahrungen aus den Liebesgeschichten erwachsener Menschen, die mit Kindern zusammenleben, und – sozusagen im Gegenschnitt – einige Paargeschichten vom kinderfreien Liebesleben. Können diese Paare leben, wovon Elternpaare nur noch träumen können? Müssen wir nicht alle neue Liebesvorstellungen entwickeln?

Ich danke meinen Gesprächspartnerinnen und -partnern, die mir so freimütig von ihren Lieben, den großen und den kleinen, und ihrer...

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