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DEM LEBEN TRAUEN – URBILDER
Abraham – Auszug aus Vertrautem
Das Urbild des Vertrauens auf Gott ist in der Bibel Abraham. Er zieht auf das Wort Gottes hin aus aus dem Vertrauten, in dem er sich bisher geborgen und getragen wusste. Vertrauen ist für Abraham also nicht rückwärts orientiert, sondern eröffnet einen Raum in die Zukunft. Abraham weint nicht seiner Heimat nach, sondern er macht sich auf, eine neue Heimat zu suchen. Schon der Hebräerbrief hat das Vertrauen des Abrahams als Urbild des Glaubens gepriesen: „Er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde.“ (Hebr 11,8) Und er spricht von der Heimat, die Abraham und die Seinen suchten: „Hätten sie dabei an die Heimat gedacht, aus der sie weggezogen waren, so wäre ihnen Zeit geblieben zurückzukehren: nun aber streben sie nach einer besseren Heimat, nämlich der himmlischen.“ (Hebr 11,15 f)
Glauben und Vertrauen gehören für die Bibel zusammen. Wer auf Gott vertraut, der ist bereit, das zu lassen, woran er seine bisherige Existenz festgemacht hat, seinen Besitz zu lassen, seine Heimat zu verlassen, um nach einer inneren Heimat zu suchen. Allerdings malt uns die Bibel kein idealistisches Bild von Abraham. Auf seinem Weg in die Heimat, die Gott ihm angewiesen hat, wird er immer wieder auch von Misstrauen geprägt. Als er in Ägypten weilt, hat er Angst, der Pharao könnte ihn umbringen, weil er eine so schöne Frau habe. Also gab er sie als seine Schwester aus. Unser Weg zu Gott wird immer auch von Misstrauen begleitet sein. Wir machen uns auf den Weg. Aber wir möchten uns doch wieder absichern. Wir trauen dem Gott, der uns gerufen hat, doch nicht genügend. Wir treffen eigene Vorkehrungen, dass uns nichts Unvorhergesehenes widerfährt.
Vertrauen bedeutet, immer wieder Vertrautes zu lassen und sich auf Neues einzulassen. Das Vertraute schafft Vertrauen. Aber es kann auch festhalten. Das Vertrauen, zu dem Gott uns ermutigt, hilft uns auch, das, was uns bisher Heimat schenkte, loszulassen. Es lädt uns ein, uns auf Neues einzulassen. Weil wir in Gott unseren Halt haben, können wir das lassen, was uns hier Halt gibt: die Gewohnheiten der Vergangenheit, den Besitz, das Haus, in dem wir zuhause sind, die Beziehungen, die wir in unserer Heimat geknüpft haben. So ist das Vertrauen die Bedingung, das Leben in die Hand zu nehmen und es im Vertrauen auf Gott selbst zu gestalten.
Moses – Ermutigung eines Schwachen
Gott hat Mose zu Großem berufen. Doch der traut es sich selbst nicht zu, vor sein Volk hinzutreten und zu sagen: „Im Auftrag Gottes soll ich euch aus Ägypten in das Gelobte Land führen.“ Gott stärkt ihn, indem er ihn zwei Zauberstücke lehrt: Er soll seinen Stab auf die Erde werfen und er wird zur Schlange werden. Und er soll seine Hand in den Gewandbausch stecken. Dann wird sie aussätzig werden. Doch selbst diese beiden Fähigkeiten befreien Mose nicht von seinen Hemmungen. Er wirft ein, dass seine Zunge schwerfällig ist und er nicht gut reden kann. Gott wird zunächst zornig. Doch dann verweist er ihn auf seinen Bruder Aaron. Der soll für ihn und an seiner Statt zum Volk sprechen.
Mose ist der große und starke Führer. Doch die Kraft, in die er hinein gewachsen ist, um sich durchzusetzen: gegen den Widerstand des Pharao, gegen das ständige Murren seines Volkes, diese Kraft war nicht von Anfang an in ihm. Gott musste ihn erst ermutigen. Das ist auch für uns Ermutigung: Wir müssen nicht alles gleich können, wozu uns Gott beruft. Er wird uns die Fähigkeiten geben, die wir brauchen, um den Auftrag und die Sendung zu erfüllen, zu der wir uns von den leisen Impulsen unserer Seele berufen fühlen. Wir haben nicht aus uns heraus alles, was wir brauchen. Aber in dem Augenblick, in dem wir uns einlassen auf eine Aufgabe, die uns zugetraut wird, werden wir auch die Kraft in uns spüren, um die Aufgabe zu erfüllen.
Maria – In aller Ungewissheit vertrauen
Dass Angst und Vertrauen in besonderer Weise aufeinander bezogen sind, zeigt sich an vielen Geschichten des Neuen Testaments. Lukas legt in seiner Erzählung von der Geburt Jesu besonderen Wert auf das Vertrauen und den Glauben Marias. Maria wird zum Vorbild eines vertrauenden und glaubenden Menschen. Während Zacharias auf die Erscheinung des Engels mit Angst reagiert, lässt sich Maria voller Vertrauen ein auf die Begegnung mit dem Engel. Als der Engel bei ihr eintritt und sie begrüßt, erschrickt auch Maria. Aber sie reagiert nicht mit Furcht, sondern überlegt stattdessen, was der Gruß zu bedeuten hat. Der Mann, der doch sonst eher als rational und überlegt eingeschätzt wird, reagiert mit Panik auf die Verheißung des Neuen, während die Frau die Fassung bewahrt und nachdenkt. Im Griechischen steht: „dielogizeto = die Worte in sich bewegen, nachdenken, überlegen, mit dem Verstand bedenken“. In diese Überlegung hinein spricht ihr der Engel Vertrauen zu: „Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben.“ (Lk 1,30 f). Maria antwortet auf das Neue, das Gott ihr zutraut, mit der Bereitschaft, sich darauf einzulassen, auch wenn sie nicht vorhersehen kann, was es für sie bedeuten wird. Ihre Antwort: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38) offenbart ihren Mut. Sie lässt sich auf das Abenteuer ein, auf das Gott sie einlädt.
Vertrauen spielt im Evangelium eine zentrale Rolle. Lukas schildert uns Maria als Urbild des Vertrauens. Jesus ist im Evangelium der, der uns Vertrauen schenkt. Maria wird uns als die vertrauende Frau vor Augen geführt. Doch was können wir von Maria lernen? Wenn wir voller Angst sind, dann hilft uns das Vertrauen Marias auch nicht weiter. Vielleicht bekommen wir sogar noch Schuldgefühle, weil wir nicht so vertrauen können wie Maria. Lukas lädt uns in seinem Evangelium ein, Marias Reaktion auf das Geschehen zu meditieren. Und indem wir das Vertrauen Marias anschauen, kann es in uns eindringen. In der Meditation verinnerlichen wir ihr Vertrauen. Und auf einmal werden wir fähig, wie Maria zu vertrauen. Wir verstummen dann nicht aus Angst vor dem Neuen wie Zacharias, sondern wir bekommen Mut, wie Maria über unsere Gefühle zu sprechen und uns auf das Unaussprechliche und Unsagbare einzulassen, das uns erwartet.
Das „Fiat“ der Maria wurde für viele im Glauben verankerte Menschen zum Modell einer Antwort auf ihre eigene Angst vor dem Neuen. Auf das Neue, das in der Geburt eines Kindes auf uns zukommt, und auf das Neue, das uns im Sterben erwartet, können wir nur mit Maria antworten: „Ja, Herr.“ Wir haben keine Gewissheit, was auf uns zukommen wird. Sicherheit hatte Maria auch nicht. Sie musste schon bald erfahren, dass dieses Neue für sie auch Leid bringen werde. Der greise Simeon wird ihr nach der Geburt ihres Kindes sagen: „Dir selbst wird ein Schwert durch die Seele dringen.“ (Lk 2,35). Das Neue ist wie ein Schwert, das unser Herz durchdringt, das uns verletzt und Altes von Neuem scheidet. Das Neue kann das Alte verwandeln. Aber manchmal wird es das Alte auch abschneiden, weil dies das Neue sonst hindern würde. Da brauchen wir wie Maria den Engel, der uns Vertrauen zuspricht. Und wir brauchen Maria als Vorbild des Vertrauens. In der Geschichte christlicher Spiritualität haben viele Menschen im Blick auf sie das Vertrauen gefunden, mitten in ihrer Angst vor dem Ungewissen die Worte der jungen Frau aus Nazaret nachzusprechen: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Josef – Wenn Neues ins Leben einbricht
Matthäus und Lukas beginnen ihr Evangelium jeweils mit der Geschichte der Kindheit Jesu. Doch sie beschreiben weniger die Angst des Kindes als vielmehr die Angst der Erwachsenen vor dem Neuen, das in Gestalt des Kindes in ihr Leben einbricht. Matthäus schildert drei verschiedene Reaktionen auf den Einbruch des Neuen. Josef ist verwirrt durch die Schwangerschaft seiner Verlobten. Er möchte sie heimlich entlassen, sie also ohne rechtliche Sanktionen wieder freigeben. Normalerweise sollte eine Frau, die vor der Ehe schwanger war, gesteinigt werden. Josef wollte nicht dem Buchstaben des Gesetzes gerecht werden, sondern dem Menschen Maria. In seine Überlegungen hinein erscheint ihm im Traum ein Engel des Herrn und spricht ihn an: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.“ (Mt 1,20) Mit dem Kind, das Maria gebiert, bricht in der Tat etwas Neues und Unvorhergesehenes in das Leben des Josef ein. Bisher hat er immer getan, was richtig ist. Er hat sich in seinem Leben eingerichtet und nach Gottes Geboten gelebt. Das hat ihm Sicherheit verliehen und zugleich Vertrauen, dass sein Leben gelingen wird. Jetzt handelt Gott an ihm auf eine Weise, die er sich nicht erklären kann. So braucht er die Ermutigung des Engels, sich nicht zu fürchten und sich auf das Neue einzulassen.
Die zweite Reaktion auf den Einbruch des Neuen zeigen uns die Magier aus dem Osten. Sie haben den Stern aufgehen sehen, der den neugeborenen König verkündet. Sie sind fasziniert und machen sich auf den Weg, um den neugeborenen König anzubeten. Ihre Antwort ist also: Sie überwinden die Angst vor dem Neuen, indem sie es in ihr Leben integrieren.
Die dritte Reaktion auf die Angst vor dem Neuen schildert uns Matthäus in der Reaktion des Königs Herodes. Herodes hat Angst vor dem Kind, das die Magier aus dem Orient als den neugeborenen König...