Bürgerschaftliches Engagement
1. Bedeutung
Bürgerschaftliches Engagement nimmt in Deutschland einen breiten und bedeutenden Raum ein:
„Die Engagementquote beträgt (…) über ein Drittel (34,4%) der Bevölkerung, eine aktive Bürgergesellschaft ist damit in weiten Teilen bereits Wirklichkeit. Gleichzeitig weist die Engagementquote im Vergleich zu den Ergebnissen der Freiwilligensurveys aus den Jahren 1999 und 2004 daraufhin, dass das Engagement auf gleichem Niveau geblieben ist. (…) Insgesamt engagieren sich 28% der Männer und 32% der Frauen bürgerschaftlich.“
(Engagement Atlas 2009 der Prognos AG und AMB Generali Holding AG, S. 9.)
Der Umfang des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements entspricht der zitierten Studie zufolge einer Arbeitskraft von 3,2 Millionen Vollzeit-Beschäftigten.
Um das bestehende Engagement zu schützen und neues Engagement anzuregen, hat der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen, denen die Freiwilligen bei ihrer Tätigkeit unterliegen, durch zahlreiche gesetzliche Änderungen zunehmend verbessert. Die grundlegende Kenntnis dieses rechtlichen Umfelds ist sowohl für den bürgerschaftlich Engagierten selbst als auch für die Trägerorganisation von zentraler Bedeutung:
• Die bürgerschaftlich Engagierten sind zwar bereit, ihre Freizeit für das Gemeinwesen einzusetzen. Sie möchten aber zunächst wissen, in welchem Umfang sie einer Haftung ausgesetzt sind und zu ihren Gunsten Versicherungen eingreifen, sollten sie selbst oder ein Dritter im Zusammenhang mit dem Engagement geschädigt werden. Sie wollen selbst abgesichert sein und von der Trägerorganisation oder außen stehenden Dritten nach Möglichkeit nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können.
• Steuerliche Vorteile werden regelmäßig nicht der Anlass sein, um sich für das Gemeinwesen einzusetzen. Gleichwohl werden die bürgerschaftlich Engagierten sich darüber freuen, wenn sie im Zusammenhang mit ihrem Einsatz Steuervorteile für sich in Anspruch nehmen können. Ebenso kann die rentenversicherungsrechtliche Anerkennung von Zeiten des bürgerschaftlichen Engagements für den Bürger ein Anreiz sein, um sich einzubringen.
• Die Organisationen, die um bürgerschaftliches Engagement werben (im Folgenden als Trägerorganisationen bezeichnet), haben ihrerseits ein starkes Interesse daran, den Engagierten einen klaren und sicheren Rahmen für das Engagement zu bieten. Gegebenenfalls müssen sie die entsprechenden Voraussetzungen zunächst schaffen.
2. Begrifflichkeit
Neben den klassischen Formen des Ehrenamts (z.B. der Schöffe als ehrenamtlicher Richter, der kommunale Ehrenbeamte) haben sich zahlreiche neue Formen des Engagements herausgebildet, die sich insbesondere im informellen sozialen Bereich abspielen. Eine einheitliche gesetzliche Definition hierfür gibt es bislang nicht. Die Begriffe, die verwendet werden, um dieses gesellschaftliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern zu umschreiben, sind vielfältig: Bürgerschaftliches Engagement, freiwilliges Engagement, Ehrenamt, freiwillige Tätigkeit, ziviles Engagement, Volunteering. Es ist daher nach der jeweils betreffenden Materie zu prüfen, ob das Engagement der Akteure auch gesetzlichen Schutz genießt.
Unabhängig davon sind es drei Charakteristika, anhand derer sich das bürgerschaftliche Engagement grundsätzlich beschreiben lässt:
• Freiwilligkeit,
• Gemeinwohlorientierung,
• Unentgeltlichkeit.
Die Schlagwörter bieten nur eine allgemeine Verortung, welche Tätigkeiten in den Bereich des bürgerschaftlichen Engagements fallen. Sie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es stets Felder gibt, die als bürgerschaftliches Engagement anzusehen sind, obwohl eines der Charakteristika gerade nicht erfüllt ist:
• Einige Ehrenämter werden im Einzelfall gerade nicht freiwillig übernommen. So kann etwa die Übertragung des Schöffenamtes nur unter besonderen Voraussetzungen abgelehnt werden.
• Die Frage der Gemeinwohlorientierung wird insbesondere im Bereich der Pflegeversicherung thematisiert, die in der Konzeption der häuslichen Pflege auf der familiären, nachbarschaftlichen und ehrenamtlichen Pflege und Betreuung aufbaut. Zudem ist anerkannt, dass das bürgerschaftliche Engagement nicht nur von gemeinwohlorientierten, sondern durchaus auch von persönlichen Interessen und Ambitionen geprägt sein kann (z.B. durch das Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung).
• Bürgerschaftliches Engagement erfolgt grundsätzlich unentgeltlich. Gleichwohl wird vielfach darüber diskutiert, ob von bürgerschaftlichem Engagement auch dann noch gesprochen werden kann, wenn für den Einsatz eine Entschädigung geleistet wird, die über den Ausgleich dessen, was der Einzelne finanziell oder an Sachleistungen in die Organisation eingebracht hat, hinausgeht.
Hilfreich für die Begriffsbestimmung ist die Abgabenordnung, die eine differenzierte Liste von Zwecken enthält, die als gemeinnützig anerkannt sind (vgl. § 52 AO). Im Rahmen dieser Zwecke findet bürgerschaftliches Engagement typischerweise statt. Zu den aufgeführten Bereichen zählen z.B. die Religion, die Jugend- und Altenhilfe, Kunst und Kultur, der Naturschutz, das Wohlfahrtswesen, die Förderung der Rettung aus Lebensgefahr, der Feuer-, Arbeits-, Katastrophen- und Zivilschutz sowie die Unfallverhütung, die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens, der Tierschutz, die Entwicklungszusammenarbeit, die Förderung des Schutzes von Ehe und Familie, der Sport, die Heimatpflege und Heimatkunde sowie die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens.
3. Bürgerschaftliches Engagement und Freiwilligkeit
Bürgerschaftliches Engagement zeichnet sich – wie bereits dargestellt – typischerweise durch die Freiwilligkeit der Übernahme der Tätigkeit aus. Gleichwohl gibt es einige Fälle, in denen der Bürger dazu verpflichtet werden kann, ein Ehrenamt zu übernehmen:
• So kann etwa zum Ehrenamt des Schöffen – zum ehrenamtlichen Richteramt – grundsätzlich jeder Deutsche berufen werden (vgl. § 31 GVG). Nicht berufen werden sollen Personen, die das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht oder das siebzigste Lebensjahr bereits vollendet haben. Gleiches gilt für Personen, die nicht in der Gemeinde wohnen oder die aus gesundheitlichen Gründen zu dem Amt nicht geeignet sind (vgl. § 33 GVG). Eine Ablehnung der Berufung zum Schöffen ist dem Betroffenen hingegen nur unter engen Voraussetzungen möglich. So haben zunächst bestimmte Berufsgruppen die Möglichkeit, das Amt abzulehnen (z.B. Mitglieder des Bundestages oder eines Landtages, Ärzte und Zahnärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Hebammen und Apothekenleiter, die keinen weiteren Apotheker beschäftigen). Daneben kann ein Ablehnungsgrund insbesondere die Beeinträchtigung der unmittelbaren persönlichen Fürsorge für die Familie oder die erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage sein (vgl. § 35 GVG). Der Betroffene hat in jedem Fall den Ablehnungsgrund darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
• Die Freiwillige Feuerwehr baut, wie es der Name bereits zum Ausdruck bringt, grundsätzlich auf der freiwilligen Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger auf. Kommt eine Freiwillige Feuerwehr nicht zustande oder kann die bestehende öffentliche Feuerwehr einen ausreichenden Feuerschutz nicht gewährleisten, so besteht in den Bundesländern regelmäßig eine Pflicht der Gemeinden, eine sog. Pflichtfeuerwehr einzurichten. Zu dieser Pflichtfeuerwehr kann regelmäßig jeder Einwohner (männlich und weiblich) zwischen dem 18. und 60. (oder 65.) Lebensjahr herangezogen werden, falls er nicht aus einem wichtigen Grund die Heranziehung ablehnen kann. Der Betroffene hat das Vorliegen dieser engen Voraussetzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Lediglich bestimmte Berufsgruppen (Polizeivollzugsbeamte, Angehörige der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Förster) können – je nach Ausgestaltung der landesrechtlichen Regelungen – nicht zur Pflichtfeuerwehr herangezogen werden.
4. Trägerorganisationen
Bürgerschaftliches Engagement kann sowohl für öffentlich-rechtliche Institutionen (z.B. Gemeinde, Gericht und die als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Kirchen) als auch für privatrechtliche Organisationen (insbesondere...