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Kinder mit Blutungsneigung in Krippe, Kindergarten und Schule

AutorCarmen Escuriola-Ettingshausen, Cornelia Wermes, Wolfgang Eberl, Wolfhart Kreuz
VerlagTrias
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783830468073
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Gut betreut - trotz Hämophilie Kein Kind mit Hämophilie muss in Watte gepackt werden, und doch sind die Ängste von Erziehern und Lehrern meist groß: Dürfen Kinder mit Blutungsneigung genauso spielen und toben wie andere? Wie verhalte ich mich im Notfall? Kann ich bei Unfällen haftbar gemacht werden? Von den Autoren erfahren Sie, dass Blutgerinnungsstörungen heute gut behandelbar sind und kein Hindernis für eine sichere und kompetente Betreuung darstellen. Wie Sie mit typischen Alltagssituationen in Krippe, Kindergarten und Schule umgehen können, lesen Sie in diesem Ratgeber: - Notfallplan: Was tun, wenn sich das Kind verletzt? Hier erfahren Sie alles zur Ersten Hilfe. - Kleine Menschen werden groß: Systematisch gegliedert nach Alter und Betreuungsart lesen Sie alles über typische Gefahrenquellen und Verletzungen. - Das ist Ihr gutes Recht: Informieren Sie sich über den Schwerbehindertenausweis, den Anspruch auf einen Betreuungsplatz und viele weitere rechtliche Themen. Drs. med. Wolfgang Eberl, Carmen Escuriola, Wolfhart Kreuz und Cornelia Wermes sind Fachärzte für Kinder- (und Jugend-)Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie.

Drs. med. Wolfgang Eberl, Carmen Escuriola, Wolfhart Kreuz und Cornelia Wermes sind Fachärzte für Kinder- (und Jugend-)Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie.

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Leseprobe

Hämophilie – »von-Willebrand-Syndrom« – seltene Blutungserkrankungen


Wer den Begriff »Bluterkrankheit« zum ersten Mal hört, bei dem werden vielleicht Erinnerungen an den früheren Geschichtsunterricht wach. Die Krankheit, medizinisch korrekt als »Hämophilie« bezeichnet, war unter anderem in europäischen Fürstenhäusern nicht ungewöhnlich und trat im 19. und 20. Jahrhundert gehäuft auf. Der Ursprung für das erbliche Leiden reicht vermutlich weit zurück. Schon vor 200 Jahren wurde die Hämophilie im Talmud beschrieben. Bekannter wurde sie Anfang des 20. Jahrhunderts. Der damalige Herzog von Kent und seine Frau, Prinzessin Marie Luise Victoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld, bekamen eine Tochter, die sich später als Überträgerin der Hämophilie entpuppte. Von der späteren englischen Königin Viktoria ausgehend, verbreitete sich die Erbanlage durch die weit verzweigten Fürstenhäuser bis nach Russland. Damals bedeutete die Diagnose Hämophilie eine deutlich reduzierte Lebenserwartung. Noch 1938 lag die durchschnittliche Lebensdauer solcher Patienten bei gerade einmal acht Jahren. Im Jahr 2001 betrug sie etwa 60 Jahre. Dank des wissenschaftlichen Fortschritts, ausgeklügelter pharmazeutischer Wirkstoffe und optimaler ärztlicher Versorgung stellen sich das Krankheitsbild und der Krankheitsverlauf heute glücklicherweise ganz anders dar als noch vor wenigen Jahrzehnten: Kinder können inzwischen ein weitgehend normales Leben führen, wenn sie medikamentös gut eingestellt sind und eine regelmäßige Prophylaxe erhalten. Sie können ohne große Probleme die Krippe, die Kita, den Kiga und die Schule besuchen, mit ihren Freunden spielen und Sport treiben. Ihre Lebenserwartung entspricht jener der Durchschnittsbevölkerung. Und die kleinen Patienten müssen (und sollen) beileibe nicht mehr »in Watte gepackt« werden.

Wie entstehen Blutungsneigungen?


Hämophilie A und B sowie das von-Willebrand-Syndrom, das an späterer Stelle behandelt werden wird, sind angeborene Gerinnungsstörungen des Blutes. Sie haben einige Gemeinsamkeiten, unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten. Beiden gemeinsam ist: Es fehlt im Blut an einem Eiweiß, das für die Blutgerinnung notwendig ist und das der Körper aufgrund einer geschädigten Erbanlage nicht oder nicht ausreichend produzieren kann.

Fall a: Der Vater ist hämophil, die Mutter gesund. Alle Söhne dieser Familie sind gesund, da sie eines der gesunden Gene der Mutter erhalten. Alle Töchter sind Konduktorinnen, da alle von ihrem Vater das veränderte Gen erben. Fall b: Der Vater ist gesund, die Mutter ist Konduktorin. Die Söhne haben ein 50-prozentiges Risiko, an Hämophilie zu erkranken, da sie mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit das defekte Gen der Mutter erben. Aus dem gleichen Grund wird die Hälfte der Töchter zu Konduktorinnen. Fall c: Beide Elternteile sind gesund. Durch eine Spontanmutation entwickelt dennoch ein Sohn eine Hämophilie. Fall d: Der Vater ist hämophil, die Mutter Konduktorin. Die Töchter erkranken an Hämophilie oder werden Überträgerinnen. Die Söhne haben ein 50-prozentiges Risiko. Dieser Fall tritt äußerst selten auf.

Bei der Hämophilie ist dies der Gerinnungsfaktor VIII (Hämophilie A), seltener der Faktor IX (Hämophilie B). Die Konsequenz: Wunden heilen nur sehr langsam ab oder brechen immer wieder auf. Und es kann ohne richtige Behandlung zu spontanen inneren Blutungen der Organe sowie zu Blutungen der Muskeln und der Gelenke kommen. Die Erbkrankheit Hämophilie trifft in der Regel aufgrund ihres Vererbungsweges fast ausschließlich Männer. Nur in extrem seltenen Fällen sind Frauen betroffen. Die meisten Menschen mit einer Hämophilie erhalten in der westlichen Hemisphäre eine regelmäßige Prophylaxe, die den ihnen fehlenden Faktor ersetzt.

Beim zweiten Komplex der Blutungsstörungen handelt es sich um das von-Willebrand-Syndrom (vWS). Betroffene Patienten haben von Geburt an keinen oder nicht ausreichend von-Willebrand-Faktor, der für einen fehlerfreien Ablauf der Blutgerinnung benötigt wird. Die Auswirkungen des fehlenden Faktors sind ähnlich wie bei der Hämophilie: Die Blutungsneigung ist erhöht. Allerdings kommt es nur bei wenigen Erkrankten zu schweren Gelenk- oder Schleimhautblutungen. Im Gegensatz zur Hämophilie können am von-Willebrand-Syndrom Männer und Frauen gleichermaßen erkranken. Die Mehrzahl der von-Willebrand-Patienten benötigt allerdings keine dauerhafte Therapie.

Symptome und Verlauf des von-Willebrand-Syndroms


Etwa 0,2 Prozent der Bevölkerung ist vom von-Willebrand-Syndrom betroffen. Verursacht wird die Blutungsneigung durch eine Verminderung des von-Willebrand-Faktors im Blut (quantitativer Defekt) oder durch die Tatsache, dass der Faktor nicht voll funktionsfähig ist (qualitativer Defekt). Das Syndrom wird folgendermaßen unterschieden:

  • Beim von-Willebrand-Syndrom Typ 1 hat man es mit einer meist milden Verlaufsform zu tun. Der von-Willebrand-Faktor im Blut ist vermindert (quantitativer Defekt). Manche Symptome der milden Verlaufsform sind zwar unangenehm, aber nicht gefährlich. So leiden betroffene Frauen etwa unter einer stärkeren Menstruationsblutung. Andere Patienten haben schnell und oft Nasenbluten. Die meisten Betroffenen, nämlich 80 Prozent, haben diese milde Verlaufsform, die oft gar nicht behandelt werden muss.
  • Beim Typ 2 ist der von-Willebrand-Faktor nicht voll funktionsfähig (qualitativer Defekt). Ärzte sprechen von einer leichten bis mittelschweren Form. Meist werden die Patienten schon in der Kindheit wegen häufigerer Blutungen diagnostiziert. Sie neigen beispielsweise nach Operationen zu verstärkten Blutungen und sollten deshalb vor solchen Eingriffen behandelt werden. Diese Verlaufsform betrifft etwa 15 bis 20 Prozent der von-Willebrand-Patienten.
  • Typ 3, die schwere Verlaufsform, ist sehr selten und tritt in weniger als einem Prozent der von-Willebrand-Fälle auf. Ihnen fehlt der Faktor vollständig. Das zeigt sich etwa in typischen Schleimhautblutungen, aber auch in Blutungen in Gelenke oder im Magen-Darm-Bereich. Patienten müssen vor operativen Eingriffen unbedingt behandelt werden. Sehr selten muss der Faktor regelmäßig ersetzt werden.

Wer nur eine leichte Form des von-Willebrand-Syndroms hat, benötigt oftmals gar keine Medikamente. Bei leichten Blutungen genügt ein Druckverband für mindestens zehn Minuten an der betroffenen Stelle. Patienten mit von-Willebrand-Syndrom werden je nach Typ und Schweregrad ihrer Erkrankung und nach Art der Verletzung entweder mit dem Wirkstoff Desmopressin oder mit Antifibrinolytika (Tranexamsäure) oder mit von-Willebrand-Faktor-haltigen Blutplasmakonzentraten behandelt. Letztere müssen, wie Faktorkonzentrate bei der Hämophilie auch, in die Vene gespritzt werden.

WISSEN

Nasenbluten und blaue Flecken sind häufig

Kinder mit von-Willebrand-Syndrom haben häufig verstärkte Schleimhautblutungen, Nasenbluten oder Blutungen in der Mundhöhle. Diese können z. B. auftreten, wenn der Zahnwechsel ansteht. Manchmal kommt es aber auch zu Blutungen ohne erkennbaren Grund. Betroffene Kinder entwickeln auch schneller blaue Flecken, wenn sie sich anstoßen. Gelenk- und Muskelblutungen sind aber sehr selten und treten nur beim Typ 3 auf.

Nur Patienten mit einer starken Blutungsneigung benötigen eine regelmäßige prophylaktische Behandlung. Aufpassen müssen Patienten mit von-Willebrand-Syndrom beim Thema Medikamente. Sie dürfen, wie andere Hämophile auch, etwa keine Medikamente einnehmen, die Acetylsalicylsäure enthalten. Auch andere Medikamente, die plättchenhemmend wirken, sind nicht erlaubt. Nähere Hintergrundinformationen erhalten Interessierte im Hämophiliezentrum.

Symptome und Verlauf der Hämophilie


Sowohl bei der Hämophilie A wie der Hämophilie B gibt es im Erbgang, den Krankheitserscheinungen und der Art der Behandlung keine wesentlichen Unterschiede. Sie werden deshalb im Folgenden gemeinsam behandelt.

Unterschiedliche Schweregrade


Hämophilie A und B können unterschiedlich schwer ausgebildet sein. Das hat natürlich Konsequenzen für die daraus resultierenden Beschwerden und Risiken. Allerdings haben die meisten betroffenen Männer eine schwere Hämophilie. Der Schweregrad hängt davon ab, wie viel wirksamen Faktor die Leber noch produzieren kann. Es kommt also darauf an, wie hoch die sogenannte Restaktivität des Gerinnungsfaktors noch ist. Das bedeutet konkret für die Hämophilie:

  • Bei einer milden Verlaufsform treten häufiger blaue Flecken auf. Kommt es zu schweren Verletzungen oder großen Schnitten, beispielsweise bei einem Autounfall oder nach Operationen, ist die Gefahr von Nachblutungen größer als bei Menschen ohne Hämophilie. Der Körper produziert bei einer milden Hämophilie A noch eine gewisse Restmenge an Faktor VIII, nämlich etwa fünf bis 25 Prozent. Die meisten Betroffenen erhalten Faktor nach Bedarf.
  • Bei einer mittelschweren Hämophilie ist die Blutungsneigung nach Verletzungen und Operationen bereits deutlich erhöht. Zu starken Blutungen kann es auch bei Zahnbehandlungen kommen. Allerdings sind Blutungen ohne äußere Einwirkung, sogenannte »spontane Blutungen«, eher selten. Bei Betroffenen kann es aber auch zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen. Die Restaktivität des Faktors VIII/IX bei der Hämophilie beträgt ein bis fünf Prozent. Nicht alle Betroffenen erhalten eine dauerhafte Prophylaxe, viele erhalten Faktorpräparate nach Bedarf.
  • Bei der schweren Hämophilie, der häufigsten Hämophilieform, zeigt sich das typische Erscheinungsbild der Krankheit mit starken Blutungen...
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