Die Sozialpädagogische Familienhilfe ist Teil eines großen Kanons von Hilfeleistungsangeboten. Dementsprechend vielfältig sind die entsprechenden Methoden und Rahmenbedingungen in den verschiedenen Handlungsfeldern. In diesem Kapitel soll ein Überblick über die verschiedenen Jugendhilfeleistungen gegeben werden, auch unter dem Einbezug von rechtlichen Aspekten. Hierauf folgend werden die grundlegenden Inhalte der Sozialpädagogischen Familienhilfe näher behandelt.
Sozialpädagogische Jugendhilfeleistung, vor dem gesetzlichen Hintergrund des Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) – Kinder und Jugendhilfe, werden zusammenfassend als Hilfen zur Erziehung (§27) bezeichnet.
Die in den Jahren 1990/91 in Ost und Westdeutschland in Kraft getretene Gesetzgebung des Kinder-und Jugendhilfegesetzes (KJHG) zielt dabei inhaltlich auf Verbesserungen gegenüber den bisher geltenden Bestimmungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG) von 1960 ab. Insbesondere der Heimunterbringung und die mit ihr lange Zeit verbundene institutionell fremdbestimmende Realität, die sehr stark bis in die 1970er Jahre hinein im Vordergrund stand, stellt das heutige KJHG ambulante Hilfen gegenüber und räumt diesen eine gesetzlich verankerte Vorrangstellung ein.
Zudem bestimmt der §36 des SGB VIII die Mitwirkung und Partizipation der betroffenen Personen im entsprechenden, bei einer sozialpädagogischen Jugendhilfeleistung aufzustellenden Hilfeplan und wirkt damit Fremdbestimmung entgegen (vgl. Seithe 2007: 568ff.). Mechthild Seithe (2007) bemerkt hierzu:
»Die Jugendhilfegesetzgebung hat mit dem KJHG eine Wandlung vollzogen von einem repressionsorientierten Eingriffs- zu einem hilfegewährenden Leistungsgesetz, das den Betroffenen Sozialleistungen im Sinne pädagogischer Unterstützung zur Verfügung stellt« (569).
Ferner soll mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz – im Sinne einer optimierten Hilfeplanung und Vernetzung– der Trennung zwischen Jugendhilfemaßnahmen und bisher hiervon relativ losgelöst agierenden therapeutischen, psychiatrischen und medizinischen Behandlungen entgegengewirkt werden. So schließt der §35a des SGB VIII auch Hilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendlich mit ein (vgl. Seithe 2007, S. 568ff.). Hierzu muss allerdings festgestellt werden, dass gerade die psychologische Behandlung eine Sonderstellung einnimmt, denn
»die hier gefragte psychotherapeutische Kompetenz wird in der Praxis nach wie vor nicht kollegial in die Hilfeplanung einbezogen […]« (Seithe 2007: 570).
Eine weitere Veränderung der heutigen Rechtslage besteht darin, dass das KJHG den Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung zu weiten Teilen bei den Erziehungsberechtigten einordnet, wobei im JWG meist die Kinder und Jugendlichen Anspruchsinhaber waren. Diese im Vorfeld der Verabschiedung des SGB VIII kontrovers diskutierte Grundsatzregelung wurde mit der im Kindschaftsrecht, welches zum 1. Juli 1998 in veränderter Form in Kraft trat, geschaffenen Option ausbalanciert, einen Verfahrenspfleger (vgl. §276 FamFG) durch das Familiengericht zu bestimmen, der im Sinne der Interessen der Kinder und Jugendlichen agiert (vgl. Seithe 2007: 570f.).
Allerdings bleibt trotz vieler und auch vorgeschriebener (vgl. §8 SGB VIII) Bemühungen zur Partizipation der Minderjährigen, nach Wolfgang Trede (2005),
»eine […] Erziehungshilfe, die […] insgesamt jedoch bemüht ist, anvertraute Kinder und Jugendliche ernster zu nehmen, mehr auf sie zu hören, sie mehr zu respektieren, und ihnen mehr den Rücken stärkt, […] eine große professionelle Herausforderung« (79).
Die generellen Zugangsvoraussetzungen für Hilfen zur Erziehung bestehen nach dem §27 des SGB VIII dann, wenn eine dem Wohle des Minderjährigen nicht gewährleistete entsprechende Erziehung gegeben ist. Diese allgemeine Beschreibung einer bestimmten Lebenssituation impliziert die hohe Verantwortlichkeit der entsprechenden Fachkraft, etwa auch sozialisatorische Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen kompetent zu beurteilen.
Dies trifft in erhöhtem Maße ebenfalls auf den Umstand zu, dass zwischen der Ausdifferenzierung einer dem Wohl des Minderjährigen nicht gewährleisteten Erziehung und dem nach §1666 des Bundesgesetzbuch (BGB) Tatbestand der Kindeswohlgefährdung eine Grauzone liegen kann, die eine fachgerechte Beurteilung erschwert. Diese Beurteilung ist jedoch unumgänglich, um grundlegende Ziele sozialpädagogischer Jugendhilfeleistung zu erfüllen. Die Zielgebung konzentriert sich dabei auf die Lebens- und Entwicklungsrealität der Kinder und Jugendlichen und den hieran geknüpften gesamtheitlichen Lebensbedingungen (vgl. Seithe 2007: 573ff.).
Konkrete konzeptionelle Hilfeformen werden im SGB VIII mit den Paragraphen 28 bis 35a benannt und sollen im Folgenden aufgeführt werden.
§28 Erziehungsberatung
Im Kern findet die Hilfeleistung der Erziehungsberatung in den Beratungsstellen selbst statt, wobei die Dauer dieser Hilfeform im Durchschnitt kurz- bis mittelfristig ausgelegt ist. Zudem suchen die Familien meist aus eigenem Antrieb die Erziehungsberatungsstellen auf und werden nur zu einem geringen Anteil, etwa über Jugendämter, vermittelt.
Inhaltlich, bezogen auf die aktuelle Situation der die Beratungsstelle aufsuchenden Familien, herrschen zum weitaus größten Anteil Beziehungs- und Erziehungsschwierigkeiten in Kombination vor, wobei wenige Familien der Form einer sogenannten Familie in gravierender Unterversorgungslage entsprechen, also einer Familie mit einer Mehrzahl von unterschiedlichen, zum Beispiel materiellen, sozialen und pädagogischen Problemen (vgl. BMFSF 2004: 38 ff; vgl. Hofgesang 2005: 530).
§29 Soziale Gruppenarbeit
Soziale Gruppenarbeit ist von einer weiten Breite im Hinblick auf ihre relativ flexibel verwendeten Ansätze und Konzepte gekennzeichnet und richtet sich konkret an die meist älteren Kinder oder Jugendlichen. Die Dauer und die Intensität der Gruppenarbeit können aufgrund unterschiedlicher Ansätze stark variieren. Inhaltlich werden häufig bestimmte Probleme, etwa Schulverweigerung, Straftaten, Kontaktdefizite etc., thematisiert (vgl. Seithe 2007: 577).
§30 Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer
Bei dieser Form der Hilfeleistung findet die Arbeit in dem entsprechenden Lebensfeld des Minderjährigen statt und ist in ihrer Dauer meist auf mindestens zwölf Monate konzipiert. Entscheidend hierbei ist allerdings, dass es keinen vorzeitigen Abbruch bei der Arbeit mit dem Jugendlichen durch diesen selbst gibt. Eine freiwillige Partizipation und Annahme der Hilfe ist bezüglich der Resultate stark ausschlaggebend (vgl. Seithe 2007: 577f.).
§31 Sozialpädagogische Familienhilfe
Die Sozialpädagogische Familienhilfe, die im weiteren Verlauf der Arbeit intensiver untersucht wird, ist eine Form der sozialpädagogischen ambulanten Hilfeleistung, die oft Familien mit häufig überdurchschnittlichem Kinderreichtum in »gravierenden Unterversorgungslagen« betreut. Sie ist systemisch und alltagsorientiert. Außerdem ist die Dauer der Hilfeleistung häufig langfristig angelegt, wobei die Arbeit überwiegend in der Familie selber stattfindet und in ihrem Stundenumfang intensiv sein kann (Hofgesang 2005: 530; vgl. BMFSF 2004: 6, 223; vgl. Seithe 2007: 578f.).
§32 Erziehung in einer Tagesgruppe
Das Setting beziehungsweise die Rahmenbedingungen dieser Form der teilstationären sozialpädagogischen Jugendhilfeleistung sind überwiegend auf jüngere Minderjährige ausgerichtet. Es findet sowohl eine intensive Arbeit mit den Kindern in der Gruppe sowie in Form einer individuellen Förderung statt, als auch Elternarbeit. Teilstationär bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der tägliche Kontakt mit dem Elternhaus bestehen bleibt (vgl. Seithe 2007: 579).
§33 Vollzeitpflege
Die Vollzeitpflege als stationäre Hilfeform beinhaltet eine zeitlich vollständige Aufnahme in eine Pflegefamilie, wobei die Dauer der Pflege von einigen Jahren bis hin zur Volljährigkeit oder hierüber hinaus bis zur Selbstständigkeit der Kinder und Jugendlichen möglich ist. Diese Form der Hilfe ist für alle Beteiligten mit hohen Anforderungen verbunden, da etwa während der Pflegephase weiterhin der Kontakt zu den leiblichen Eltern gefördert wird und eine Rückführung der Kinder- und Jugendlichen zu diesen möglich ist und prinzipiell angestrebt wird (vgl. Seithe 2007: 580).
§34 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform
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