Das Bargaining Problem geht auf John Nash Jr. zurück: „A two-person bargaining situation involves two individuals who have the opportunity to collaborate for mutual benefit in more than one way. […] no action taken by one of the individuals without the consent of the other can affect the well-being of the other one. […] we idealize the bargaining problem by assuming the two individuals are highly rational” (Nash, 1950, S.155).
Ergo ist die Standardannahme der vollständigen Rationalität beider Akteure bereits hier verankert. Weiter hatte John Nash fünf Axiome der optimalen Verhandlung definiert, die wie folgt lauten: Pareto-Optimalität, Symmetrie, individuelle Rationalität, Unabhängigkeit gegenüber irrelevanten Alternativen und Unabhängigkeit gegenüber linearen Transformationen (vgl. Nash, 1950, Rubinstein, 1982, S.97f). Die Abbildung 3.1 verdeutlicht die optimale Nash-Verhandlungslösung, demnach maximal ein Tangentialpunkt auf der Möglichkeiten-Kurve realisiert werden kann:
Abbildung 3.1: Nash-Verhandlungslösung
Quelle: Nash Jr. (1950, S.161); Eigene Darstellung.
Kapitel drei wird die drei Varianten Diktator-, Ultimatum- und Rubinstein-Spiele des Verhandlungs-Spiels betrachten, wobei der Fokus eindeutig auf dem Ultimatum-Spiel liegt.
Das Diktator-Spiel (im Folgenden DG) ist populär und äußerst simpel (Dufwenberg, Muren, 2006, S.42). Demnach gibt es im DG einen „Diktator“ (oder auch Verteiler genannt) und einen „Rezipienten“ (oder Empfänger genannt). Der Diktator bestimmt, wie der Kuchen unter den beiden Spielern verteilt wird, wobei der Rezipient kein Veto-Recht hat, er ist machtlos und muss daher das Angebot des Diktators annehmen (vgl. Eckel, Grossman, 1996, S.182; Charness, Gneezy, 2008, S.32). Aufgrund der Machtlosigkeit des Empfängers hat der Verteiler eine dominante Strategie, derzufolge er dem Empfänger nichts abgibt (vgl. Bolton, 1998, S.261; Bohnet, Frey, 1999, S.44).
Ergo ist das DG eher auch als ein „one-person-decision-game“ bzw. ein „take-it-game“ bekannt (vgl. Bolton, 1998, S.261; Forsythe, Horowitz, Savin, Sefton, 1994, S.350).
Jedoch werden die theoretischen Voraussagen auch hier in den Experimenten nicht beobachtet. Es resultieren Angebote seitens der Diktatoren, die größer als 0€ sind (vgl. Rotemberg, 2008, S.458; Ockenfels, Raub, 2010, S.6). Die nachfolgende Tabelle stellt die Ergebnisse ausgewählter Experimente zum DG dar.
Hierbei ist zu erkennen, dass über alle Studien hinweg im Durchschnitt (lediglich) 36,5% das Gleichgewicht bzw. die dominante Strategie spielen.
Tabelle 3.1: Ergebnisse ausgewählter DG
[4] [5] [6] [7]
Quelle: Eigene Darstellung.
Viele Indizien deuten darauf hin, dass der Diktator im DG nicht allein durch sein eigenes, individuelles Pay-Off motiviert ist, sprich die Standardtheorie „mehr ist besser“ gilt (Bolton, Zwick, 1995, S.97).
Beispielsweise haben Eckel und Grossman ein DG gespielt, demnach die Abgabebereitschaft massiv steigt, wenn der Rezipient eine wohltätige Organisation, sprich eine Charité, ist (vgl. Tabelle 3.1) (Eckel, Grossman, 1996).
Dufwenberg und Muren haben gezeigt, dass:
a) Frauen grundsätzlich mehr bekommen als Männer, wenn sie die Rezipienten sind.
b) Im Falle, dass die Frauen Diktatoren sind, mehr geben als Männer (Dufwenberg, Muren, 2006, S.45).
In einer weiteren Studie haben Charness und Gneezy heraus gefunden, dass mit Abbau von sozialer Distanz der Abgabewille des Diktators ansteigt (Charness, Gneezy, 2008).
Der Fairness-Aspekt scheint eine große Rolle im DG zu spielen (vgl. Schotter, Weiss, Zapater, 1996, S.37; Hoffman, McCabe, Smith, 1996b, S.653), jedoch kann dieser die außerstandardmäßige Geldabgabe erklären? Dieser Frage wird im Kapitel 4.1 nachgegangen. Nachdem das DG abgehandelt wurden ist, „addieren“ wir eine Ablehnungsmöglichkeit für den Spieler2 hinzu, sodass das Ultimatum-Spiel resultiert (Bolton, 1998, S.259), welches im folgenden Abschnitt beschrieben wird.
Das Ultimatum-Spiel ist wohl das Verhandlungs-Spiel, worauf sich die experimentelle Wirtschaftsforschung am meisten konzentriert hat. Analog zum Diktator-Spiel stehen sich auch hier in der Regel zwei Akteure gegenüber. Spieler1 ist der Proposer (auch Sender genannt), welcher dem Spieler2 (Responder, in der Literatur auch Empfänger genannt) ein Angebot über die Verteilung des Kuchens macht. Anders formuliert unterbreitet er dem Spieler2 ein „Ultimatum“. Der Unterschied liegt nun darin, dass der Spieler2 ein Veto-Recht hat, sprich er kann das von Spieler1 unterbreitete Ultimatum annehmen oder ablehnen. Lehnt er ab, bekommen beide Akteure nichts, nimmt er an, wird gemäß des Vorschlags des Proposers aufgeteilt. Ergo handelt es sich beim UG um ein „take-it-or-leave-it-game“ (vgl. Forsythe et al., 1994, S.347; Harrison, McCabe, 1996, S.303; Halko, Seppälä, 2006, S.2). Das UG hat ein teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht inne, demnach der Proposer dem Responder das Minimum des Kuchens bietet, welches der Responder annimmt, da das Minimum größer als nichts ist, was bei einer Ablehnung resultieren würde.
Jedoch kann dieses vom Rational Choice Ansatz prophezeite Gleichgewicht selten, gar nie, beobachtet werden (vgl. Forsythe et al., 1994, S.348; Declerck, Kiyonari, Boone, 2009, S.336). Die nachfolgende Tabelle erfasst die Ergebnisse einiger Studien zum UG. Die Basis für diese Zusammenstellung bietet das Paper von Ernst Fehr und Klaus Schmidt, welche ich anhand diverser weiterer Studien aufbereitet habe (Fehr, Schmidt, 1999).
Tabelle 3.2: Ergebnisse ausgewählter UG
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Quelle: Fehr, Schmidt (1999, S.827); Eigene Darstellung.
Die Resultate der betrachteten Studien, welche in Tabelle 3.2 komprimiert zusammengefasst sind, sprechen entgegen der Rational Choice Theorie, da gerade einmal 6,21% Angebote unter 20% tätigen. Knapp 70% der Akteure bieten im Intervall zwischen 40% und 50%, wobei das Modalangebot der sog. equal split ist, welchen viele Akteure als einen Fokuspunkt nach Schelling ansehen (vgl. Güth et al., 1982, S383; Bohnet, Frey, 1999, S.45).
Diese Regelmäßigkeiten wurden unter sog. vier stilisierten Fakten von Fehr und Schmidt zusammengefasst, die wie folgt lauten:
a) Es gibt nahezu keine Angebote, die größer als 50% sind.
b) Im Intervall [40% ≤ Gebot ≤ 50%] liegen die meisten Gebote.
c) Es gibt nahezu keine Gebote, die kleiner als 20% sind.
d) Je höher das Gebot des Proposers, desto höher ist die Annahmewahrscheinlichkeit des Responders (Fehr, Schmidt, 1999, S.826).
Die Tabelle 3.2 illustriert genau zwei (Punkt b und c) der vier Punkte, wobei die anderen beiden Punkte intuitiv sind. Ist das Mehrbieten der Proposer bzw. die Ablehnung positiver Beträge seitens der Responder eine Art Anomalie (vgl. Camerer, Thaler, 1995, S.210; Pillutla, Murnighan, 1996, S.208)?
Diese Aussage ist bei Heranziehung jeglicher Studien schlichtweg zu verneinen. Was das Verhalten der Proposer angeht (40%-50% anzubieten), ist dies eine strategische Interaktion ihrerseits. Im UG haben die Proposer Angst, dass geringe Angebote als unfair aufgefasst und demzufolge abgelehnt werden (vgl. Eckel, Grossman, 1996, S.185; Charness, Gneezy, 2008, S.32).
Die Responder hingegen haben das Verlangen, unfaire[10] Gebote abzulehnen, um damit die Proposer zu bestrafen. Gegeben dieses Verlangen passen die Proposer ihre Angebote an, indem sie equal splits anbieten (Güth, Huck, Müller, 2001, S162).
Anders formuliert antizipieren die Proposer zukünftige Aktionen ihrer Gegenspieler, sodass sie ihre jetzigen Aktionen der zukünftigen ihrer Gegenspieler anpassen (Güth, Schmittberger, Schwarze, 1982, S.368).
Viele Autoren relativierten diese Ablehnungsneigung der Responder, indem sie argumentierten, dass der Verhandlungsgegenstand in Experimenten i.d.R. äußerst klein ist (meist 10$). Dem entgegen haben Hoffman et al. in ihrem „high stakes" UG gezeigt, dass zum Teil Beträge von 30$ seitens der Responder abgelehnt worden sind (Hoffmann et al., 1996a).
Als Quintessenz hat dieser Abschnitt aufgezeigt, dass die Spieler nicht ausschließlich durch die...