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E-Book

Showdown

Der Kampf um Europa und unser Geld

AutorDirk Müller
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783426419892
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Dirk Müller - »Mr. Dax«, Bestsellerautor, Deutschlands populärster Wirtschaftserklärer - schildert den zweiten Akt des Währungs- und Wirtschaftsdramas, das seinen Schauplatz längst von den USA nach Europa verlagert hat. Er rekapituliert die fundamentalen Fehlentscheidungen bei der Konstruktion des Euro, zeigt auf, welche Triebkräfte am Werk waren, wer Profit daraus zog und wer heute ein massives Interesse am Zerfall eines starken europäischen Währungs- und Wirtschaftsraumes hat. Denn die aktuelle Krise ist nicht nur das Ergebnis maßloser Staatsschulden, sie ist auch Ausdruck eines amerikanisch-europäischen Wirtschaftskrieges, der hinter den Kulissen tobt. Müller zeigt, welche Möglichkeiten Europa und Deutschland offenstehen, er benennt Chancen und Gefahren. Für die Taschenbuchausgabe hat Dirk Müller seinen 'Spiegel'-Bestseller erweitert und aktualisiert um ein grundlegendes Kapitel zum Konflikt zwischen den USA, Europa und Russland um die Ukraine. Ein Buch, dessen Brisanz täglich neu bestätigt wird.

Dirk Müller wird oft als 'das Gesicht der Börse' bezeichnet. Nach dem Abitur und einer Bankausbildung begann 1992 seine Karriere an der Frankfurter Börse. Zunächst arbeitete er als Rentenhändler für verschiedene Unternehmen, bevor er 1998 amtlich vereidigter Kursmaklerstellvertreter und später Skontroführer wurde. Sein Wissen und seine Erfahrung werden allseits geschätzt; er ist ein gefragter Experte bei der Presse und im Fernsehen.

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Leseprobe

Der griechische Patient und die Wiege der Demokratie


Schwenken wir nun das Auge Saurons auf Griechenland. Die Währungsexperten erklären uns, dass, wenn Griechenland morgen aus dem Euro austreten und eine eigene Währung einführen würde, diese Neue Drachme sofort um etwa 50 Prozent abgewertet werden würde. Ist uns wirklich klar, was diese Aussage bedeutet? Sie besagt, dass die Griechen heute mit einer Währung operieren, die um etwa 100 Prozent über ihrer Leistungsfähigkeit liegt. 23 Prozent kurzfristige Überbewertung reichen aus, die wirtschaftlich starke Schweiz ins Trudeln zu bringen. Jetzt wird klar, was eine jahrelange Überbewertung von 100 Prozent mit der Wirtschaft eines ohnehin schwachbrüstigen Griechenland macht. Mit einer solchen viel zu hohen Währung kann kein Land dieser Erde, und sei es noch so gut aufgestellt, wirtschaftlich überleben. Und genau das ist in Griechenland geschehen. Wenn wir die wirtschaftlichen Entwicklungen Griechenlands und der Türkei übereinanderlegen, stellen wir fest, dass beide bis zur Euro-Einführung nahezu parallel verlaufen sind. Doch mit der Einführung des Euro in Griechenland geschieht etwas Faszinierendes. Die Wirtschaftsleistung der Türkei explodiert geradezu, die der Griechen hinkt dramatisch hinterher. Was war geschehen? Der für Griechenlands schwache Wirtschaftsleistung viel zu hohe Euro machte die griechischen Waren für das Ausland völlig unattraktiv. Es war viel zu teuer, in Griechenland Urlaub zu machen. Ein Espresso am Strand kostete 3 Euro, ein Fischgericht nicht unter 15 Euro. Der gleiche heiße Kaffee war in der Türkei für umgerechnet knapp 1 Euro zu haben, der Fischteller für 5 Euro. Die schwache türkische Lira machte es möglich.

In der Folge buchten viele Sonnenhungrige ihre nächsten Urlaube eben in der Türkei statt in Griechenland. Die gleiche Sonne, das gleiche Meer, der gleiche Strand, die gleichen Altertümer, leckeres Essen, anisbasierte Rachenputzer und gastfreundliche Menschen. Größter Unterschied für den Touristen: fürs gleiche Geld mehr auf dem Teller. Der industriellen Wirtschaft ging es nicht anders. Was in Griechenland über Nacht zu teuer war, hat man gerne in der Türkei eingekauft. Die griechische Währung wertete dramatisch auf, man konnte es ja nicht mehr beeinflussen, und die immer stärkere Produktivität der Deutschen zog den Euro weiter nach oben. Die türkische Lira wertete ab. Da die Türkei aber kein billiges Geld aufgrund niedriger Eurozinsen aufnehmen konnte, war die türkische Regierung weit stärker in der Pflicht, Wirtschaftsreformen voranzutreiben. Sie konnte kaum Wohltaten auf Kredit verschenken. So kam es, dass die türkische Wirtschaftsleistung in den Folgejahren explodierte, die griechische zunächst nur noch von der kreditfinanzierten Binnennachfrage getragen war und schließlich weitgehend zusammenbrach. Am Ende (2011) betrug der griechische Warenexport gerade noch 6,4 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt). Zum Vergleich: Der deutsche Warenexport trägt im selben Jahr 33,8 Prozent zum BIP bei. Die größten Unternehmen an der griechischen Börse waren ein Getränkeabfüller und ein Sportwetten-Anbieter. Der Getränkeabfüller hat sich 2012 aufgrund der verfahrenen und unklaren Situation verabschiedet und seinen Firmensitz in die Schweiz verlegt. Bleibt der Sportwetten-Anbieter. Wie nachhaltig ein solches Geschäftsmodell für einen Staat ist, entscheiden Sie bitte selbst.

Die griechischen Unternehmer verzweifelten an dem hohen Wechselkurs und strichen reihenweise die Segel. Der Staat sah keinerlei Veranlassung für Wirtschaftsreformen, um das Land möglicherweise wieder auf Kurs zu bringen. Das richtige Motto wäre gewesen: »Wenn wir schon eine zu schwache Produktivität für diese hohe Währung haben, dann lasst uns versuchen, diese Produktivität zu erhöhen. Wir machen die längst überfälligen Wirtschaftsreformen und flankieren diese mit Konjunkturpaketen, um sie wirksam werden zu lassen.« Das Geld dafür gab es ohnehin zu für griechische Verhältnisse sagenhaft günstigen Zinsbedingungen. Denn mit dem teuren Euro der Deutschen und Franzosen wurden auch deren niedrige Zinssätze ins Land gebracht. Während Griechenland früher völlig selbstverständlich mit Sätzen von 10 bis 15 Prozent leben musste, tauchte nun der Segen in Form von Vier-Prozent-Anleihen auf. Doch hier kommt wieder der – in Griechenland noch stärker ausgeprägte – politische Schlendrian ins Spiel. Statt sich mit unbequemen Reformen und Diskussionen den Tag zu versauen, hat man das billige Geld lieber dazu verwendet, politische Freunde, Verwandte, Bekannte und Wähler mit großzügigsten Wohltaten zu versehen. »Großzügige Wohltaten haben eine jahrtausendealte Tradition in Griechenland« (Running Gag im Radiosender SWR3).

Dass dieses Phänomen kein neues ist, zeigt eine Zustandsbeschreibung Griechenlands aus einer Zeit, in der die griechische Geschichte schon einmal aufs Engste mit der Deutschen verbunden war. So ist es doch faszinierend zu erfahren, dass die griechischen Nationalfarben Weiß-Blau aus Bayern stammen. Das ist kein Witz, sondern schlicht der Tatsache geschuldet, dass 1832 Prinz Otto von Bayern von der griechischen Nationalversammlung zum »König Otto I., von Gottes Gnaden, König von Griechenland« gewählt wurde. Und das war zu jener Zeit durchaus von anderer Bedeutung, als wenn heute Jürgen Drews zum König von Mallorca ernannt wird. Otto brachte seine Farben von der Isar mit, und den Griechen gefielen sie so gut, dass sie noch heute auf jeder Tsatsiki-befleckten Papierserviette zu finden sind.

Aus der Spätphase dieser deutsch-griechischen Liebesgeschichte stammt folgender Bericht, erschienen im »Schlei-Boten« vom 17. Mai 1897:

»Der griechische Staat ist arm, das ist nicht seine Schuld, aber schlimmer als seine Armut ist die schlechte Finanzwirtschaft, die im Land herrscht. Wie die Ministerien auch zusammengesetzt sein mochten, im Geldpunkt haperte es stets. Millionen und Abermillionen, die zur Verwirklichung von großen, dem ganzen Land nützenden Unternehmungen verwendet werden sollten, sind in ganz andere Taschen geflossen als in die von Ingenieuren und Arbeitern, welche die Arbeiten ausführen sollten; so sind beispielsweise bei dem Bau des berüchtigten Kanals von Korinth 80 Millionen spurlos verschwunden … Nach der Abtretung von Thessalien an Griechenland durch die Türkei zum Beginn des vorigen Jahrzehnts bis zur Vermählung des Kronprinzen Konstantin mit der Prinzessin Sophie von Preußen haben die griechischen Finanzminister es verstanden, eine 100-Millionen-Anleihe nach der anderen einzuheimsen; große Bankfirmen im Deutschen Reich, in Frankreich und in England übernahmen bereitwilligst die Vermittlung, und alle diese schönen Beträge, die heute schon zu zwei Dritteln entwertet sind, gehen nun vielleicht ganz und gar verloren, wenn kein ernster Machtanspruch erfolgt.

Das Geld ist in Griechenland direkt verwirtschaftet, denn irgendwelche nennenswerte Verwendung im Landesinteresse ist nicht erfolgt. Auch für militärische Zwecke ist nicht viel übrig geblieben. Man hat die geliehenen Summen in der Hauptsache zur Bestreitung der laufenden Staatsausgaben verwendet, die doch von den Steuerzahlern gedeckt werden müssen. Im modernen Hellas besteht aber der allerliebste Brauch, dass die Anhänger des jeweiligen Ministerpräsidenten und seiner Leute es als ein schönes Vorrecht betrachten, so wenig wie möglich oder, besser noch, gar keine Staatssteuern zu bezahlen. Da Griechenland so ziemlich zwei Ministerien pro Jahr hat, kann man sich nun ausrechnen, wie viel eigentlich von den Steuern, die gezahlt werden sollen, wirklich gezahlt werden. Welche zarte Besorgnis die Minister für ihre Wähler hegen, ergibt die Tatsache, dass jedes Ministerium ohne Besinnen für die Kürzung der Zinsen der ausländischen Besitzer griechischer Staatspapiere gestimmt hat; während sie den inländischen Inhabern weiter gezahlt werden.

Griechenland hat damit renommiert, es würde allen seinen Gläubigern gerecht werden, wenn es Kreta behalten dürfte. Das ist eine Redensart; in einem Griechenland, in welchem der Bazillus des Größenwahns wütet, wird erst recht gestohlen auf Staatskosten. Um der liederlichen Wirtschaft ein Ende zu machen, kann nur eine strenge Finanzkontrolle helfen, denn wenn auch der griechische Staat bettelarm ist, die Griechen sind es weit weniger. Aber auf solche Reformen wird man in Athen schwer, sehr schwer eingehen, denn nur ein starker Druck könnte da helfen. Und wenn auch Deutschland wollte – ob die zunächst meistbeteiligten Mächte England und Frankreich mitmachen würden, ist recht sehr die Frage. Jedenfalls muss aber ernstlich die Angelegenheit im Auge behalten werden, sonst ist alles Geld, welches Griechenland erhalten hat, total verloren. Schonung solchem Staat gegenüber üben zu wollen, ist freilich Torheit, aber die Langmut mehrerer Großmächte gegenüber Griechenland hat tief, unendlich tief blicken lassen.«

Nur die geschwurbelte Ausdrucksweise und das Datum von 1897 erinnern daran, dass diese Zeilen nicht aus der »Süddeutschen Zeitung« vom letzten Montag stammen. Wie sich Geschichte doch wiederholt.

Es fühlt sich natürlich wohlig an – damals wie heute –, sich aus deutscher Sicht entspannt zurückzulehnen und über den...

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