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E-Book

Visuelle Wahrnehmungsstörungen

AutorMichael Niedeggen, Silke Jörgens
VerlagHogrefe Verlag Göttingen
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl131 Seiten
ISBN9783840917363
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Visuelle Wahrnehmungsstörungen treten häufig als Folge einer neuropsychologischen Schädigung auf, werden jedoch oft nur ungenügend im diagnostischen und therapeutischen Prozess berücksichtigt. Der vorliegende Band richtet sich daher an Psychologen, Ärzte und Ergotherapeuten, die sich über Beeinträchtigungen visueller Fähigkeiten nach Hirnschädigung informieren wollen. In verständlicher Weise wird eine Übersicht über die verschiedenen Funktionsstörungen gegeben, die durch Fallbeispiele illustriert werden. Neben den basalen Beeinträchtigungen der Sehfunktionen und den Gesichtsfeldeinschränkungen werden vor allem die Einbußen in den höheren visuellen Wahrnehmungsleistungen behandelt, z. B. die Störungen der Objekt-, Raum- oder Bewegungsverarbeitung. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung des diagnostischen Prozesses.

Um diesen transparent zu machen, werden die Störungen in gängige kognitionspsychologische Theorien eingeordnet und auch vor dem Hintergrund der neurophysiologischen Verschaltungsprinzipien diskutiert. Dem Leser wird ein Leitfaden für die Differenzialdiagnose an die Hand gegeben, der durch Entscheidungsbäume unterstützt wird. Als weitere Hilfen enthält der Band Fragebögen zur Anamnese, Materialien zur Verlaufsdokumentation und Informationen zu computergestützten Programmen, die zur Überprüfung von visuellen Teilleistungen eingesetzt werden können. Für jedes Störungsbild werden des Weiteren die Möglichkeiten zur therapeutischen Intervention vorgestellt. Klinisch tätige Neuropsychologen erhalten eine Übersicht über die Wirksamkeit verschiedener Trainingsmaßnahmen und werden über die Bezugsmöglichkeiten informiert.

Die Autoren

Dr. Michael Niedeggen, geb. 1966. 1986-1992 Studium der Psychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 1996 Promotion. 2004 Habilitation. 1992-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physiologische Psychologie, Universität Düsseldorf. 1996-1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biologische Psychologie, Philipps-Universität Marburg. 1998-2002 Wissenschaftlicher Assistent, 2002- 2004 Juniorprofessor für Experimentelle Neuropsychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit 2004 Hochschuldozent an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Arbeitsschwerpunkte: Implizite visuelle Wahrnehmung, Interaktion zwischen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.

Dipl.-Psych. Silke Jörgens, geb. 1973. 1993-1999 Studium der Psychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit 1999 Tätigkeit als Neuropsychologin an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf in Praxis, Forschung und Lehre. Arbeitsschwerpunkte: Neuropsychologische Diagnostik in der Akut-Neurologie.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis und Einleitung
  2. 1 Beeinträchtigung visueller Basisleistungen
  3. 2 Gesichtsfeldausfälle
  4. 3 Störungen der Objektwahrnehmung (Objektagnosie)
  5. 4 Zentrale Farbwahrnehmungsstörung
  6. 5 Störung der Gesichterwahrnehmung (Prosopagnosie)
  7. 6 Störungen der visuell-räumlichen Wahrnehmung
  8. 7 Störung der Bewegungswahrnehmung (Akinetopsie)
  9. 8 Literatur und Anhang
Leseprobe
3 Störungen der Objektwahrnehmung (Objektagnosie) (S. 33-34)

3.1 Beschreibung der Störung

3.1.1 Bezeichnung und Definition

Unter einer visuellen Objektagnosie versteht man Einschränkungen im Erkennen und Identifizieren visuell präsentierter Gegenstände, die dem Betrachter eigentlich bekannt sein sollten. Agnosien können kombiniert in verschiedenen Sinnesmodalitäten auftreten (auditiv, taktil und visuell), sind aber zumeist auf eine Modalität beschränkt. Aus diesem Grund kann ein Patient mit der visuellen Objektagnosie Gegenstände erkennen, wenn er typische assoziierte Geräusche hört (Rascheln von Papier) oder er sie betasten darf.

In diesem Kapitel wird die Agnosie als Störung des visuellen Erkennens von modalitätsspezifischen Benennensstörungen abgegrenzt (optische Aphasie), da Letzteres nicht als „Wahrnehmungsstörung" im engeren Sinne zu definieren ist. Jedoch folgen wir aus pragmatischen Gründen der Trennung zwischen einer apperzeptiven und einer assoziativen Objektagnosie, die in den meisten Lehrbüchern zu finden ist.

Bei einer apperzeptiven Agnosie sind also die frühen visuellen Analyseprozesse defizitär, was vor allem in einer fehlerhaften visuellen Integration lokaler Merkmale deutlich wird. Der Eindruck eines Gesamtmusters muss daher oft mühsam konstruiert werden und wird nicht unmittelbar erfasst. Das Fallbeispiel des Patienten HL soll die Defizite verdeutlichen.

Fallbeispiel Patient HL (apperzeptive Agnosie)
Der Patient erlitt im Alter von 60 Jahren einen Posterior-Infarkt, der zuerst deutliche Gesichtsfeldeinbußen (homonyme Hemianopsie nach rechts) hervorrief. Trotz langsamer Rückbildung der kortikalen Blindheit blieben Probleme im Erkennen von Gesichtern, Farben und Objekten bestehen. Letztere konnten jedoch nach Betasten oder auf Grund eines typischen Geräusches ohne Probleme identifiziert werden. Besonders auffällig war sein Defizit, wenn der Patient künstliche Objekte (sinnlose Strichzeichnungen) und reale Objekte diskriminieren sollte. Das Abzeichnen von einfachen Objekten (Kreuz, Quader, Pfeife) gelang zwar zufrieden stellend, doch benötigte der Patient lange Zeit zum Anfertigen der Zeichnung, da er sie Strich-für-Strich kopierte. Aus diesem Grund wurden einzelne Elemente oft nur ungenügend in das Gesamtbild integriert. Das Defizit in der Identifikation von Objekten blieb auch nach Einsatz eines Computertrainings (Kategorisierung von Strichzeichnungen) über 3 Monate hinweg konsistent bestehen.

Bei einer assoziativen Agnosie wird das Abzeichnen eines Objektes ohne größere Probleme gelingen, was zuerst nicht auf ein inhaltliches Verkennen schließen lässt. Jedoch wird der Patient das Objekt nicht immer benennen oder seine Funktion erklären können, wie dies auch beim Patienten TH der Fall ist.

Im Gegensatz zu einer aphasischen Störung des Benennens ist das visuell präsentierte Objekt also von seiner semantischen Bedeutung entkoppelt. Der Patient wird nicht in der Lage sein, z. B. den Lebensraum eines visuell dargestellten Tieres anzugeben, kann aber seine Form, Farbe und Größe korrekt beschreiben.

Die Objekterkennung ist das Resultat einer Serie von Analyseprozessen, die an vielen Stellen unterbrochen werden können (siehe Störungsmodelle). Deshalb gibt es eine Reihe von Unterformen der Objektagnosie, die im Diagnoseprozess differenziert werden sollten.

3.1.2 Epidemiologische Daten

Da genaue Angaben zur Prävalenz fehlen, können wir zur Schätzung der Auftretenswahrscheinlichkeit nur eine Gruppenstudie heranziehen. Mulder et al. (1995) untersuchten eine Gruppe von 35 Patienten, die eine unilaterale Hirnschädigung auf Grund eines zerebrovaskulären Insults erworben hatten. In der Gruppe der Patienten mit einer linkshemisphärischen Läsion war die Wahrscheinlichkeit für Störungen der Objektwahrnehmung relativ häufiger (6 von 14 Patienten) als in der Gruppe rechtshemisphärischer Patienten (6 von 19). In der klinischen Praxis zeigen sich jedoch Objektagnosien sehr viel seltener als in der Studie angedeutet. Die Unterschiede gehen möglicherweise darauf zurück, dass assoziierte Defizite (z.B. Störungen der Kontrastsensitivität oder selektive Störungen der mentalen Rotation) nur ungenügend ausgeschlossen wurden.

Fallbeispiel Patient TH (assoziative Agnosie)
Der Patient hatte im Alter von 52 Jahren einen linksseitigen Thalamusinfarkt erlitten. Er berichtete selbst über keinerlei Veränderungen seiner kognitiven Fähigkeiten. Während der neuropsychologischen Untersuchung fiel jedoch auf, dass der Patient Gegenstände nicht benennen und auch nicht in ihrer Funktion beschreiben konnte. Dagegen bereitete ihm das Beschreiben der äußeren Gestalt oder das Abzeichnen einfacher schwarz-weißer Zeichnungen keine Probleme. Sowohl er als auch seine Ehefrau gaben an, dass er im Alltag die meisten Gegenstände korrekt benutzen würde und in seiner täglichen Funktionsfähigkeit daher nicht eingeschränkt sei.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Einleitung10
1 Beeinträchtigung visueller Basisleistungen12
1.1 Beschreibung der Störungen12
1.1.1 Bezeichnung und Definition12
1.1.2 Epidemiologische Daten17
1.1.3 Verlauf und Prognose17
1.2 Ätiologie18
1.3 Neuropsychologische und -biologische Störungstheorien19
1.4 Diagnostik19
1.4.1 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen19
1.4.2 Differenzialdiagnose23
1.5 Behandlung23
1.6 Weiterführende Literatur25
2 Gesichtsfeldausfälle25
2.1 Beschreibung der Störungen25
2.1.1 Bezeichnung und Definition25
2.1.2 Epidemiologische Daten29
2.1.3 Verlauf und Prognose29
2.2 Ätiologie30
2.3 Neuropsychologische und -biologische Störungstheorien31
2.4 Diagnostik32
2.4.1 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen32
2.4.2 Differenzialdiagnose35
2.5 Behandlung39
2.5.1 Kompensation durch Sakkadentraining39
2.5.2 Kompensation durch Explorationstraining ( Dia- Projektion)40
2.5.3 Kompensation durch Lesetraining40
2.5.4 Restitutionstraining41
2.5.5 Empfehlung für die Therapieplanung42
2.6 Weiterführende Literatur43
3 Störungen der Objektwahrnehmung (Objektagnosie)44
3.1 Beschreibung der Störung44
3.1.1 Bezeichnung und Definition44
3.1.2 Epidemiologische Daten45
3.1.3 Verlauf und Prognose46
3.2 Ätiologie46
3.3 Neuropsychologische und -biologische Störungstheorien47
3.3.1 Funktionelle Neuroanatomie der visuellen Objektverarbeitung47
3.3.2 Kognitionspsychologisches Modell der visuellen Objekterkennung49
3.4 Diagnostik51
3.4.1 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen51
3.4.2 Differenzialdiagnose57
3.5 Behandlung58
3.6 Weiterführende Literatur59
4 Zentrale Farbwahrnehmungsstörung59
4.1 Beschreibung der Störung59
4.1.1 Bezeichnung und Definition59
4.1.2 Epidemiologische Daten61
4.1.3 Verlauf und Prognose62
4.2 Ätiologie62
4.3 Neuropsychologische und -biologische Störungstheorien63
4.4 Diagnostik64
4.4.1 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen64
4.4.2 Differenzialdiagnose67
4.5 Behandlung69
4.6 Weiterf hrende Literatur70
5 Störung der Gesichterwahrnehmung (Prosopagnosie)70
5.1 Beschreibung der Störung70
5.1.1 Bezeichnung und Definition70
5.1.2 Epidemiologische Daten71
5.1.3 Verlauf und Prognose71
5.2 Ätiologie72
5.3 Neuropsychologische und -biologische Störungstheorien73
5.3.1 Funktionelle Neuroanatomie der Wahrnehmung von Gesichtern73
5.3.2 Kognitionspsychologisches Modell zur Wahrnehmung von Gesichtern74
5.4 Diagnostik76
5.4.1 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen76
5.4.2 Differenzialdiagnose79
5.5 Behandlung80
5.6 Weiterführende Literatur81
6 Störungen der visuell-räumlichen Wahrnehmung81
6.1 Beschreibung der Störungen81
6.1.1 Bezeichnung und Definition81
6.1.2 Epidemiologische Daten86
6.1.3 Verlauf und Prognose86
6.2 Ätiologie86
6.3 Neuropsychologische und - biologische Störungstheorien87
6.4 Diagnostik89
6.4.1 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen89
6.4.2 Differenzialdiagnose95
6.5 Behandlung95
6.5.1 Training visuell- perzeptiver Leistungen96
6.5.2 Kombinationstherapie räumlich- perzeptiver und visuokonstruktiver Aspekte96
6.5.3 Training räumlicher Orientierungsstörungen97
6.5.4 Computergestützte Verfahren97
6.6 Weiterführende Literatur99
7 Störung der Bewegungswahrnehmung (Akinetopsie)100
7.1 Beschreibung der Störung100
7.1.1 Bezeichnung und Definition100
7.1.2 Epidemiologische Daten101
7.1.3 Verlauf und Prognose102
7.2 Ätiologie102
7.3 Neuropsychologische und -biologische Störungstheorien103
7.4 Diagnostik104
7.4.1 Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen104
7.4.2 Differenzialdiagnose110
7.5 Behandlung110
7.6 Weiterf hrende Literatur111
8 Literatur111
9 Anhang119
Strukturierte Exploration visueller Störungen119
Anleitung zum Vorgehen119
Strukturierter Fragebogen120
Anleitung zur Benutzung des Computerprogramms Screening visueller Wahrnehmungsfunktionen ( SVW) Stand: beta-Version, Mai 2004120
Verzeichnis der Bezugsquellen für Test- und Trainingsverfahren124
Kapitel 1: Visuelle Basisleistungen124
Kapitel 2: Gesichtsfeldausfälle124
Kapitel 3: St‡rungen der Objektwahrnehmung125
Kapitel 4: Zentrale Farbwahrnehmungsstörungen125
Kapitel 5: Störungen der Gesichterwahrnehmung125
Kapitel 7: Störungen der Bewegungswahrnehmung126
Glossar126
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