Für die Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Alltagspraxis der Verwaltungen ist die Bereitstellung von personellen und materiellen Ressourcen vonnöten. Mit personellen Ressourcen können beispielsweise abteilungsübergreifende Arbeitsgruppen gemeint sein, um die Umsetzung von Gender Mainstreaming organisatorisch abzusichern. Von besonderer Bedeutung sind die materiellen Ressourcen für die Finanzierung externer Leistungen, die notwendig sind, um Organisationen unter dem Aspekt des Gender Mainstreaming umzustrukturieren. Dazu zählen beispielsweise Fortbildungsmaßnahmen und geschlechtergerechte Analysen wie die Aufbereitung von Daten, Expertinnen-Beratung und die Entwicklung entsprechender Instrumente und Arbeitshilfen. In dieser Form ist die Implementierung von Gender Mainstreaming vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend vorgesehen (vgl. www.bmfsfj.de).
Seit der Annahme des “Vierten Aktionsprogramms der Gemeinschaft für die Chancengleichheit von Frauen und Männern 1996-2000" durch den Europäischen Rat ist die Implementierung von Gender Mainstreaming in der Europäischen Union kontinuierlich fortentwickelt worden.
In den Zielformulierungen für Gender Mainstreaming auf europäischer Ebene geht es in erster Linie um die Herstellung von ausgewogenen Beziehungen zwischen Frauen und Männern sowie um die Gleichstellung der Geschlechter.
Ute Behning hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass mit beiden Ausdrücken sowohl der Gleichstellungsansatz der sozialen Differenz der Geschlechter als auch der der sozialen Gleichheit der Geschlechter vereint wird. Somit gebe es keine eindeutige gleichstellungspolitische Zielsetzung von Gender Mainstreaming auf europäischer Ebene (vgl. Behning 2004, S. 125).
Daraus ergeben sich unterschiedliche Umsetzungsprozesse des Gender Mainstreaming. Während die politisch zuständigen Akteure in den nordischen Wohlfahrtsstaaten versuchen, über bessere Betreuungsangebote für Kinder und pflegebedürftige Personen Männern und Frauen den selben Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt zu ermöglichen, scheint der Schwerpunkt in Deutschland, Österreich und Italien auf Maßnahmen zur finanziellen und sozialrechtlichen Förderung der Frauen im privaten Fürsorgebereich zu liegen (vgl. Behning 2004, S. 124).
1999 legte die Europäische Union in den “Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplänen” den ursprünglichen vier Pfeilern Beschäftigungsfähigkeit, Unternehmergeist, Anpassungsfähigkeit und Chancengleichheit das Prinzip des Gender Mainstreaming zugrunde. Im Anschluss entwickelten sich erste Implementierungsprozesse auf europäischer Ebene. Im Folgenden werden einige Umsetzungsprozesse näher erläutert (vgl. Schmidt 2003, S. 26).
In Schweden wird seit 1995 im Rahmen der Umsetzungsprozesse des Gender Mainstreaming in der Verwaltungspraxis die “3R-Methode” entwickelt. Die “3R” stehen für Repräsentation, Ressourcen und Realisierung (vgl. Stiegler 2002, S. 22).
Mit der 3R-Methode geht es zunächst um eine Status-quo-Bestandsaufnahme. Zeigen sich in der Analyse Gleichstellungsdefizite, treten entsprechende Maßnahmen in Kraft.
Bei dem Aspekt der Repräsentation geht es um die quantitative Verteilung von Männern und Frauen auf der zu untersuchenden Ebene. Zu der Analyse der Repräsentation gehören Fragen nach Verteilung von Männern und Frauen in der Hierarchie sowie die Überprüfung der quantitativen Verteilung in Gremien und externen Steuerungsgruppen einer Organisation.
Hinter dem Begriff Ressourcen verbirgt sich die Frage nach der Verfügbarkeit und Verteilung von Sachmitteln, Finanzmitteln, Zeit und Raum. Es erfolgt eine Analyse der geschlechtergerechten Verteilung vorhandener Mittel.
Der dritte Aspekt der Realisierung meint eine Analyse der Ursachen aus den gewonnenen Ergebnissen zur Repräsentation und der Ressourcenverteilung. Dieser Schritt beinhaltet die Einleitung entsprechender Maßnahmen, um eine gerechte Verteilung zwischen Männern und Frauen zu bewirken.
Die “3-R-Methode” hat sich in Schweden als wirksames Instrument zur Aufdeckung von ungerechter Verteilung erwiesen (vgl. Welpe 2005, S.96).
Zu den Projekten auf dem Weg der Umsetzung des Gender Mainstreaming Ansatzes in Europa gehört “EQUAL” als EU-Gemeinschaftsinitiative. Das Projekt als Maßnahme zur Bekämpfung von Diskriminierungen zielt auf die quantitative Verbesserung von Arbeitsplätzen und bessere Zugangsmöglichkeiten ab und wird aus den Europäischen Sozialfonds finanziert.
Zu den Themenbereichen der neuen Gemeinschaftsinitiative gehören: Beschäftigungsfähigkeit, Unternehmergeist, Anpassungsfähigkeit, Chancengleichheit von Frauen und Männern und Asylbewerbern. Das Thema Chancengleichheit bezieht sich als Querschnittsaufgabe auf alle anderen Themen.
Das Projekt setzt den Aufbau von Entwicklungspartnerschaften zur transnationalen Zusammenarbeit voraus.
Ziel ist ein europaweites Netz um Erfahrungen auszutauschen, gemeinsam an Problemen zu arbeiten und die Verbreitung vorbildlicher Lösungsansätze zur Umsetzung in Politik und Praxis (vgl. Schmidt 2003, S.94 f.).
In der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien wird EQUAL als Ansatz zur Förderung von Chancengleichheit positiv bewertet. Der Fokus liegt auf der Entwicklung flexiblerer Arbeitszeitmodelle in denen höherer Anteil von Männern vorgesehen ist, sowie die Aufrechterhaltung / Verbesserung von Kompetenzen während der Elternzeit (vgl. Schmidt 2003, S.98).
International hat die Bereitstellung von Ressourcen zu verschiedenen Maßnahmen der Umsetzung von Gender Mainstreaming beigetragen. In Schweden, Norwegen und den Niederlanden wurden Steuerungs- und Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, um die Umsetzung geschlechtergerechter Strukturen gewährleisten zu können. Die Gleichstellungsabteilung des zuständigen Ministeriums setzt in Schweden Expertinnen zur Beratung und Schulung ein. Auch in Belgien und den Niederlanden stehen Expertinnen für fachliche Fragen zur Verfügung.
In einzelnen Ländern werden die Implementierungsprozesse wissenschaftlich begleitet, beispielweise in Belgien und in den Niederlanden.
Unter Einbezug der Wissenschaft werden in Belgien, Kanada und Großbritannien Gutachten und Studien zu Umsetzungsprozessen des Gender Mainstreaming in Auftrag gegeben (vgl. www.bmfsfj.de).
Als entscheidender Schritt in der geschlechterpolitischen Geschichte der Bundesregierung gilt die Neufassung des Grundgesetzes Artikel 3, Abs. 2 von 1994:
“Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin” (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG).
1999 setzte die Bundesregierung Gender Mainstreaming mit der Gründung einer interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) “Gender Mainstreaming” unter der Leitung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erste Zeichen. Nachdem man sich über die Umsetzungsprozesse in anderen Ländern kundig gemacht hatte, legte die Arbeitsgruppe verbindlich mindestens ein Gender-Mainstreaming-Projekt für jedes Ressort sowie Einführungsfortbildungen und Fortbildungen zur praktischen Umsetzung fest.
2001 übernahm ein interdisziplinäres Expertinnenteam die wissenschaftliche Begleitung des Implementierungsprozesses. Die Bestandsaufnahme im Jahr 2001 ergab, dass jedes Ressort ein Gender-Mainstreaming-Projekt umsetzen konnte. Im selben Jahr errichtete die Bundesregierung eine Internetseite mit Informationen zu Gender Mainstreaming als neue gleichstellungspolitische Strategie.
2003 entstand das Gender Kompetenz Zentrum an der Humboldt Universität Berlin mit den Aufgaben, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Ministerien zu beraten, Forschung und Lehre aufzuarbeiten, sowie Materialien zur Verfügung zu stellen.
Die wissenschaftliche Begleitung wurde im Jahr 2003 abgeschlossen. Aus dem Pilotprojekt gingen drei Instrumente hervor, mit denen zukünftig gearbeitet werden sollte: Als erstes Instrument wird mit dem Leitfaden zur Forschungsförderung vorgesehen, bei der Vergabe und der Konzeption von Forschungsvorhaben die Beachtung geschlechtsspezifischer Aspekte zu sichern. Ein weiterer Leitfaden umfasst die Rechtsfolgenabschätzung, womit bei der Entwicklung von Rechtsvorschriften die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern beachtet werden sollen (vgl. Döge 2004, S. 137). Das dritte Instrument Gender Impact Assessment wurde im Bundesministerium für Umwelt erarbeitet. Maßnahmen aus verschiedenen thematischen Arbeitsbereichen, Programme und Strategien sollen mit diesem Instrument auf ihren Gender-Aspekt hin überprüft werden.
Mit Hilfe der entwickelten Instrumente soll Gender Mainstreaming Einzug in die Regelpraxis von Organisationen und Institutionen finden (vgl. Welpe 2005, S.91).
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