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Fiese Kerle?

Unterwegs mit Aufreißern. Ein hautnahes Experiment.

AutorClarisse Thorn
VerlagEden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783944296234
Altersgruppe18 – 
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Sie sind sexy, sie sind wortgewandt und sie sind unwiderstehlich. Pick-up-Artists haben nur ein Ziel: Sie wollen so viele Frauen wie möglich ins Bett bekommen. Die Pick-up-Community dient ihnen als Plattform, um ihre Verführungskünste zu perfektionieren. Die junge Feministin Clarisse Thorn hat sich in die Aufreißerszene gewagt, um zu verstehen, wie Pick-up-Artists ticken, welche Motive sie antreiben und welche Strategien sie anwenden, um bei den Frauen anzukommen. Hautnah sind wir dabei, wenn Clarisse sich mit den Verführungskünstlern auf ihre nächtlichen Streifzüge durch die Clubs begibt - und dabei zu überraschenden Erkenntnissen über das Flirtverhalten von Männern und Frauen gelangt.

Clarisse Thorn ist eine feministische Autorin, die S&M praktiziert und bereits mehrere Bücher veröffentlicht hat. Auf ihrem Blog schreibt sie über Feminismus, BDSM und Polyamorie. Sie lebt in San Francisco.

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Leseprobe

Kapitel 1
Come Jump In, Bimbo Friend


In diesem Kapitel lernen wir die geheimnisvolle Clarisse Thorn kennen. Wir erleben ihre Metamorphose vom Strebermädchen zur Sexaktivistin, die sich Feminismus auf die Fahne geschrieben hat. Wir erfahren von ihrer pragmatische Liebe zu SM und von ihren irrationalen Beweggründen für die Fixierung auf Pick-up-Artists. Außerdem gibt es eine Einführung in die Geschichte des Feminismus und eine große Kategorisierung der Pick-up-Artists.

Der Titel dieses Kapitels stammt aus dem Lied Barbie Girl von Aqua.

Als »Pick-up-Artists« (PUAs) gelten Verführungskünstler und solche, die es werden wollen. Die »Pick-up-Community« ist eine riesige Subkultur, die sich der Aufgabe verschrieben hat, Männern beizubringen, wie man Frauen verführt. Seit der Veröffentlichung von Neil Strauss’ Bestseller Die perfekte Masche im Jahr 2005 ist diese Szene verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen. Die Mitglieder nutzen unzählige Onlineforen, um sich in ihrem umfangreichen Spezialjargon auszutauschen. (Laut der Webseite PUALingo.com gibt es inzwischen »mehr als 750 Begriffe, Tendenz steigend«.)

Überall auf der Welt gibt es PUA-Clubs, -Treffen und sogar Stars dieser Subkultur. Berühmte PUA-»Gurus« verdienen jährlich Beträge in Millionenhöhe. Sie verkaufen Bücher, geben Coachingsitzungen oder organisieren Seminare und Kongresse mit teuren Eintrittspreisen. Manche leiten auch Firmen, in denen sie in ihren Methoden ausgebildete Trainer beschäftigen. Die Szene generiert sogar eine Flut an gut durchdachten internen Kritiken.

Ich war ungefähr zwölf Jahre alt, als ich anfing, mich für die Kunst der Verführung zu interessieren. Ich hatte damals einen Ruf als Außenseiterin und Bücherwurm und war hauptsächlich für meine ungewöhnlichen Haustiere und meinen unverständlichen Humor bekannt.

Eines Tages saß ich mit meinen zwölfjährigen Freundinnen an einem Tisch in der Schulkantine, als sich ein gleichaltriger Junge zu uns gesellte. Ich guckte unter meinen dicken Brillengläsern hervor und kicherte ihn an. Wir unterhielten uns für einen Moment und er ging weiter.

Sofort bezichtigte mich eine meiner Freundinnen des »Flirtens«.

»Hab ich gar nicht«, protestierte ich. »Was meinst du damit? Was habe ich getan?«

»Gib’s zu!«, sagte sie. »Du hast geflirtet.«

Was sie mit Flirten genau meinte, konnte sie mir allerdings nicht erklären. Die Unterhaltung ließ mich nicht los und ich beschloss, die Definition des »Flirtens« durch eine Umfrage mit all meinen Freunden zu ermitteln. Die Antworten waren sehr unterschiedlich. Eine Person bestand auf »Kichern«. Für andere waren »intensive Blicke« oder »Herumalbern« essenzielle Bestandteile. Nachdem ich alle Definitionen zusammengetragen hatte, stellte ich zu meiner Belustigung fest, dass ich weder Muster noch Überschneidungen entdecken konnte. Keiner wusste wirklich, was »Flirten« bedeutete. Zumindest war keiner in der Lage, es als einheitliche Verhaltensweise zu beschreiben. Ich kam zu dem Schluss, dass sich Flirten nur anhand unsichtbarer zwischenmenschlicher Dynamik erklären ließ.

Ich frage mich manchmal, was passiert wäre, wenn es die PUA-Onlineforen damals schon gegeben und ich sie gefunden hätte. Ein wesentlicher Bestandteil der PUA-Subkultur besteht nämlich darin, die unterschiedliche Arten, sexuelles Interesse auszudrücken, so präzise wie möglich zu analysieren. Genau diese Analysen zogen mich in ihren Bann, als ich sie schließlich entdeckte. Endlich gab es Leute, die meine Verwirrung als Zwölfjährige verstehen konnten!

Eine weitere Lieblingsbeschäftigung von mir war damals ein Spiel, das ich selbst erfunden hatte: Ich ließ mir kurze, witzige Einzeiler einfallen, die ich an irgendwelchen Leuten auf der Straße ausprobierte, um zu sehen, wie sie reagieren würden. Meine beste Geschichte zu diesem Spiel passierte, als ich ungefähr 15 war. Ich befand mich in einem überfüllten U-Bahnhof und sprach einen älteren Mann an, der neben mir auf dem Bahnsteig stand:

»Marmoset.«

Er war irritiert. »Was?«

»Marmoset«, wiederholte ich.

»Was soll das heißen?«

Ich klärte ihn auf: »Das ist ein kleines südamerikanisches Säugetier.«

»Oh«, sagte er.

Pause.

»Du hast echt schöne Brüste«, sagte er. »Ich habe dich beobachtet, als du die Treppen runtergekommen bist.«

»Äh«, antwortete ich. Eine Welle von Unbehagen überflutete mich und ich ging so schnell wie möglich weg. Das war wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich dieses Spiel gespielt habe.

Damit wäre auch geklärt, warum Frauen normalerweise keine beiläufigen Gespräche mit wildfremden Männern anfangen.

15 war auch das Alter, in dem Männer anfingen, mir auf offener Straße anstößige Bemerkungen hinterherzurufen. Ein paar Jahre später begann ich, auf Partys und in Clubs zu gehen. Dort begegnete ich Typen, die mich anbaggerten und mich einfach nicht in Ruhe ließen, egal wie deutlich ich mein Desinteresse zeigte. Durch diese Erfahrungen entwickelte ich etwas, das von PUAs als »Bitch Shield« bezeichnet wird: meine instinktive Tendenz, mich bei unerwarteten Begegnungen mit fremden Männern abweisend und unfreundlich zu verhalten. Die meisten Frauen haben solche Schutzschilder, in unterschiedlichen Ausprägungen. Hätten wir sie nicht, müssten wir uns noch viel häufiger Kommentare wie »Ich habe dich und deine schönen Brüste beobachtet« anhören.

PUAs verwenden unfassbar viel geistige Energie darauf, herauszufinden, wie sie Frauen schnell davon überzeugen können, dass sie ungefährlich, freundlich und/oder unterhaltsam genug sind, um nicht am Bitch Shield abzuprallen.

PUAs haben auch eine Bezeichnung für mein Einzeilerexperiment. Die Einzeiler wären in ihrer Sprache »Opener« und meine Art, fremde Leute auf der Straße anzusprechen, würden sie als »Sarging« bezeichnen.

Viele PUAs ziehen am Anfang ihrer Karriere mit der Absicht los, Frauen einfach nur anzusprechen. Ihnen ist klar, dass sie besonders zu Beginn einige Abfuhren in Kauf nehmen müssen, um ihre Angst vor Ablehnung zu überwinden. Einige PUAs behaupten sogar, dass sie ausdrücklich hoffen, einige Male abzublitzen, um sich selbst gegen den Schmerz abzuhärten.

Ich kann das absolut nachvollziehen. Ablehnung tut weh. Manchmal sogar sehr. Es wäre schön, wenn Zurückweisung irgendwann einfach von mir abprallen würde und ich keine weichen Knie mehr bekomme, wenn ich fremde Leute anspreche.

Eine weitere Geschichte aus den Zeiten, in denen ich ein dürres Mädchen mit komischen Haustieren war, verlief folgendermaßen: Ich fragte einen Jungen, ob er mit mir tanzen gehen wollte. Er entgegnete, dass ich mir »eins dieser Haustiere nehmen und in den Arsch schieben« könnte. Ich weinte sehr und schwor mir, nie wieder einen Mann um ein Rendezvous zu bitten. Diesem Vorsatz blieb ich bis in meine Zwanziger treu, was nicht etwa daran lag, dass ich ein Mauerblümchen wäre. Ich konnte die Vorstellung, noch einmal einer solchen Reaktion ausgesetzt zu sein, einfach nicht verkraften.

Sozial ungeübte PUAs wissen genau, dass sie sich »ins Feld« stürzen müssen, um zu lernen, wie sie mit Leuten ins Gespräch kommen. Dazu ziehen sie häufig Nachtclubs und Bars vor. Schließlich ist ein Großteil der Frauen dort offen, neue Leute kennenzulernen. Aber einige PUAs gehen zum Sarging auch in Buchläden, Cafés oder Waschsalons.

Es ist gruselig, mich selbst als »Target« (»Zielscheibe«) bezeichnet zu wissen (und sehr viele PUAs beschreiben Frauen, die sie vögeln wollen, als Targets). Andererseits zeigt die Marmoset-geschichte, dass ich selbst auch bereits »gesargt« habe. Und wenn man die PUAs beim Flirten beobachtet, wird die Vorstellung davon viel weniger unheimlich. In Bars habe ich PUA-Anfänger dabei beobachtet, wie sie all ihren Mut zusammennahmen und versuchten, eine Frau anzusprechen. Ich habe mit angesehen, wie diese Jungs abgeblitzt sind oder ignoriert wurden. Das hat mich nicht dazu gebracht, sie zu hassen oder zu fürchten.

Genauso habe ich beobachtet, wie geübte PUAs Frauen ansprachen, freundlich mit ihnen plauderten und am Ende ihre Telefonnummern einsteckten. Auch das hat mich nicht dazu gebracht, sie zu hassen oder zu fürchten.

Einige PUAs benutzen nicht einfach nur Opener; sie haben komplette, auswendig gelernte »Routinen« in petto. Sie können eine komplette Unterhaltung führen, ohne ein Wort zu sagen, das sie sich nicht vorher schon zurechtgelegt haben. Als ich das erste Mal davon hörte, stieß es mir bitter auf, wie diese schüchternen Jungs es als PUAs faken. Viele Ratschläge dieser Subkultur schienen sich darauf zu konzentrieren, Text auswendig zu lernen und sich hinter einer falschen Fassade zu verstecken.

Als ich von den PUAs hörte, war ich Mitte zwanzig und hatte mir bereits einen Ruf als feministische Aufklärerin erarbeitet. Ich bin immer noch ein Nerd – und daran wird sich nie etwas ändern –, aber inzwischen bin ich begehrt. Ich bin mir selbst treu geblieben und irgendwann wurde mir schließlich auch romantische Aufmerksamkeit zuteil. Warum konnten PUAs das nicht auch tun? Ich kenne viele Nerds, die einen ähnlichen Werdegang hingelegt haben wie ich: In der Pubertät ungewollt, aber kaum dass sie der Highschool entflohen waren, heiß begehrt.

Ich vermutete, dass ein großer Teil des Problems darin lag, dass diese schüchternen Jungs der Annahme waren, dass sie ein Recht auf ein umwerfendes blondes Supermodel hätten, und Strebermädchen...

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