I.
Hofdamen
INTIME BEOBACHTERINNEN
Beim Begriff »Hofdame« denkt man zuerst an eine Person, deren alleinige Aufgabe es ist, Damen aus der Herrscherfamilie zu unterhalten, zu begleiten und bei Festen schön gekleidet zu repräsentieren. Somit wäre eine Hofdame nichts anderes als Aufputz, Gesellschafterin und Anstandsdame. Bei genauer Betrachtung trifft nichts dergleichen auf die Hofdamen der Habsburger zu, oder nur an der Oberfläche. Sehr wohl begleiteten die Hofdamen der Kaiserinnen diese auf ihren Reisen, lasen ihnen vor und leisteten ihnen Gesellschaft. Aber je nach Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit war die Bedeutung der Hofdamen ungleich größer und einige von ihnen machten erstaunliche Karrieren und brachten es zu enormem Einfluss.
Im Unterschied zur »Palastdame« – ein Ehrenamt mit einer rein zeremoniellen Funktion – war »Hofdame« ein richtiger Beruf. Erforderlich dafür waren mehrere Befähigungen und diese Stellung wurde auch bezahlt, inklusive einer Abfertigung und Rente nach dem Ausscheiden. Voraussetzungen waren eine tadellose Herkunft und Erziehung, weshalb die Hofdamen ausschließlich aus alten adeligen Familien stammten. Wie für andere Hofämter auch mussten sie eine sogenannte »Ahnenprobe« bestehen, also acht adelige Vorfahren väterlicher- sowie mütterlicherseits vorweisen können. Dafür gab es eigene »Ahnenproben-Examinatoren«, die dem Oberstkämmerer unterstanden. Die Ahnenprobe war Voraussetzung für die sogenannte »Hoffähigkeit«, damit man für den Verkehr bei Hofe überhaupt zugelassen war.
Weiters mussten Hofdamen unverheiratet sein, nur in Ausnahmefällen – etwa die Erzieherinnen der habsburgischen Kinder, die streng genommen ja keine Hofdamen waren – durften sie auch verheiratet oder verwitwet sein. Somit war der Hof auch eine Art Heiratsmarkt, denn bei der Menge an jungen unverheirateten Hofdamen auf der einen Seite und an Kämmerern, Offizieren und was sonst noch an jungen Männern bei Hofe ein und aus ging, musste es ja immer wieder »funken«. Mit der Heirat schieden die Hofdamen aus dem Hofdienst aus. Bei Kaiserin Elisabeth kam zu diesen Auswahlkriterien noch hinzu, dass die Hofdamen besonders hübsch, womöglich ungarischer Abstammung und gesundheitlich fit sein mussten, um die Kaiserin auf ihren berühmt-berüchtigten Wanderungen begleiten zu können. Sie wurden vor Dienstantritt sogar ärztlich untersucht, um ihre Fitness zu bestätigen.
Es gab auch immer wieder Fälle, in denen sich ein Mitglied des Erzhauses in eine junge Hofdame verliebte und sie entweder offiziell heiraten wollte oder in geheimer Liebschaft mit ihr verbunden war. Eines der prominentesten Beispiele dafür sind Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und Gräfin Sophie Chotek, Hofdame von Erzherzogin Isabella. Er verzichtete für diese Liebesheirat sogar auf die Thronfolgerechte für seine Kinder aus dieser nicht standesgemäßen, also morganatischen Ehe.
Wie dieses Beispiel zeigt, bestanden zwischen den Mitgliedern des Kaiserhauses und den Hofdamen keinesfalls jene Schranken wie gegenüber der Dienerschaft. Im Gegenteil, die Hofdamen wurden oft – formell durch Heirat oder informell durch persönliche Nähe – selbst Teil der kaiserlichen Familie. Sie blickten einerseits distanziert auf das Geschehen bei Hof, weil sie ja erst im Erwachsenenalter dazustießen, andererseits erlebten sie es aus nächster Nähe, weil sie dieses Leben ja teilten. Somit sind sie die idealen Berichterstatterinnen über das Privatleben der Habsburger.
Dem steht jedoch oft ihre ausgesprochene Diskretion entgegen, wie in ihren Briefen deutlich wird. Selten werden die allerhöchsten Herrschaften beim Namen genannt, meist bleibt es bei Andeutungen oder Abkürzungen und allzu Privates wird häufig gänzlich ausgespart. Denn Diskretion gehörte zu den wichtigsten Eigenschaften einer Hofdame, schließlich war sie ja Trägerin von Staatsgeheimnissen. Privates und Politik waren im Kaiserhaus eng verflochten. Denken wir nur an den Tod des Kronprinzen Rudolf, dessen wahre Umstände so lange wie möglich geheim gehalten wurden – was seine Geliebte Mary Vetsera betraf, sogar bis weit über das Ende der Monarchie hinaus! Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird diese Diskretion, vor allem in der Umgebung Kaiserin Elisabeths, zunehmend fallen gelassen und immer kritischer und offener beurteilt. Ob dies an der Person der Kaiserin liegt, die ja selbst recht direkt war, oder an den veränderten Zeitumständen, ist schwer zu beurteilen. Besonders direkt und offen sind die Hofdamen in ihren Tagebüchern, so sie welche geführt haben, denn diese waren ja an keinen Adressaten gerichtet und die Diskretion blieb somit gewahrt.
Zur Hofdame ernannt zu werden, bedeutete für die Betreffende und ihre Familie eine große Auszeichnung. Daher entbrannte oft ein regelrechter Wettkampf der ehrgeizigen Angehörigen darum, einer jungen Frau einen der begehrten Hofdamen-Posten zu sichern. Einblick geben etwa die Briefe von Baronin Sophie Scharnhorst an ihre Freundin Gräfin Evelina Antonia von Sickingen, die in Ischl lebte. Gräfin Sickingen führte ein großzügiges Haus, pflegte im Sommer engen Kontakt mit Erzherzogin Sophie und war allseits beliebt.
Scharnhorst1 war Hofdame der Prinzessin Amalie von Schweden, die mit dem Kaiserhaus vielfach verwandt war, in Hacking bei Wien lebte und bei der die Kaiserfamilie ein und aus ging. Sie war für viele eine enge, weil verschwiegene Vertraute und war zu vielen offiziellen und familiären Anlässen eingeladen. Dadurch bekam auch ihre Hofdame einen tiefen Einblick in das Hof- und Familienleben:
»Wien, 5. Januar 1858. Seitdem die Erzherzogin (Sophie, Anm.) Dir geschrieben hat, ist die Wahl (der neuen Hofdame, Anm.) kein Geheimnis mehr. Et je vous répond, qu’on en parle! Gestern machte ich einige Visiten nach meiner langen Einsperrung und wurde allenthalben damit empfangen. Die guten desappointierten (enttäuschten, Anm.) Mütter sind etwas verschnupft. Et pourquoi? Als ob Karoline (Gräfin Sickingen, die Tochter der Adressatin, Anm.) nicht ebensogut Anwartschaft zur Hofdame hätte wie die anderen Komtessen. Ich höre alles an, antworte sehr wenig und lasse sie schnattern, wenns sie freut. Ohne dem kommt keine Heirat und keine Hofdame zustande.«
Um das gleiche Thema dreht sich auch der nächste Brief an die Freundin:
»Wien, 17. Januar 1858. Du kannst Karolinens Zukunft mit Beruhigung entgegensehen. Wem die Erzherzogin die Hand reicht, der kann sie zuversichtlich ergreifen, denn sie leitet nur zum Guten. Ich bin nicht in Sorgen, denn bei Karolinens Tüchtigkeit, ihrem Pflichtgefühl und ihren Talenten wird sie ihren ehrenvollen Beruf sicher ganz erfüllen. Im Anfang gibt es Schwierigkeiten. Dem kann sie vorarbeiten, um sich leichter hineinzufügen. So möchte ich ihr z. B. raten, sich im Vorlesen zu üben und ihre Stimme zu kräftigen, welche sonst anfänglich durch Befangenheit leicht unsicher wird. Ich spreche aus Erfahrung.«
Und einige Wochen später berichtet sie:
»Die Gnade Gottes waltet über Dir. Die Ernennung Koras (Gräfin Karoline Sickingen, Anm.) zur Hofdame der Erzherzogin Sophie hat ein mächtiges Echo auf allen Seiten hervorgerufen. Viele möchten die schöne Alpenrose sehen und pflücken, die nun in den kaiserlichen Garten verpflanzt werden soll.«
DIE OBERSTHOFMEISTERIN – DIE HERRSCHERIN IM HINTERGRUND
Die Hofdamen nahmen nicht nur im Hinblick auf das Privatleben der Kaiserfamilie eine wichtige Stellung ein, da sie meist die engsten Vertrauten ihrer Herrinnen oder Schutzbefohlenen waren und ihnen somit näher standen als deren Familienangehörige. Sie spielten im Hintergrund auch eine wichtige politische Rolle: Sie brachten die ihrer Ansicht nach richtigen Männer aus Politik und Militär zusammen, knüpften geheime Beziehungen, gaben Beurteilungen über politische Ereignisse und wichtige Mitglieder der Politik ab und sogar der Kaiser fragte manch eine gerne um ihren Rat und ihre Einschätzung. Besonders hohe Bedeutung und Ansehen besaß die Stellung einer Obersthofmeisterin. Das Damen Conversations Lexikon von 1834 definiert diese Rolle so:
»Die Obersthofmeisterin ist die vornehmste Charge unter dem weiblichen Hofstaate einer Fürstin, mit dem Titel Excellenz. Sie führt die Oberaufsicht über das gesammte weibliche Dienstpersonale, sowohl in disciplinarischer als moralischer Hinsicht, ist das Organ der Befehle vom Hofmarschallamte und wacht über die Aufrechterhaltung der Etiquette. Der Fürstin, welcher sie dient, zunächst stehend, übt sie selbst auf diese, vermöge ihres Amtes, einen nicht unbedeutenden Einfluß, und die spanische Hofgeschichte zeigt oft genug, wie die Obersthofmeisterin, bei der Ausübung der strengen Formen ihres Amtes, den Königinnen dieses Landes eine sehr unbequeme Dienerin wurde.«2
Ein Beispiel für eine außerordentlich gewichtige Obersthofmeisterin mit einer bedeutenden politischen Rolle bei Hof ist Landgräfin Maria Theresia zu Fürstenberg3, die als Obersthofmeisterin von Kaiserin Maria Anna, Gemahlin Kaiser Ferdinands I., viele...