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Bindungsstörungen und Störungen der emotionalen und sozialen Entwicklung: Zusammenhänge

AutorKristin Alte
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl81 Seiten
ISBN9783656443827
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,7, Universität Leipzig (Institut für Förderpädagogik), Veranstaltung: Verhaltensgestörtenpädagogik, Sprache: Deutsch, Abstract: Thematik dieser wissenschaftliche Arbeit ist die Frage, in wieweit sich Bindungsstörungen auf die emotionale und soziale Entwicklung eines Kindes auswirken. Neben diesem Arbeitsschwerpunkt wird analysiert, in welcher Art und Weise bestimmte Bindungsmuster Schutz- oder Risikofaktoren für die emotionale und soziale Entwicklung des Kindes darstellen. Dieser Fragestellung widmet sich jedoch erst der zweite Teil der Arbeit, da zunächst die Bindungstheorie ausführlich und unter Bezugnahme auf verschiedene Aspekte elaboriert werden muss, da die Auswirkungen einer Bindungsstörung auf die emotionale und soziale Entwicklung eines Kindes nur dann nachvollziehbar sind, wenn vorher ergründet wurde, was genau unter einer Bindung und deren Konzept zu verstehen ist und wie spezifische Bindungsmuster die kindliche Entwicklung beeinflussen. Die Bindungstheorie beantwortet stark zusammengefasst die Frage, wie ein Kind zu einem ausgeglichen und selbstsicheren Menschen heranwächst.Sie besagt, dass eine sichere Bindung zu einer Bezugsperson die Basis für das Kind repräsentiert, von der aus es die Welt erkunden und sich entwickeln kann. Dieser Umstand macht deutlich, wie wichtig es für die emotionale und soziale Entwicklung eines Kindes ist, eine vollständige (sichere) Bindung zu mindestens einer Bezugsperson entwickeln zu können. Aus Sicht der Verfasserin dieser Arbeit ist es demnach essenziell, sich als angehende Lehrperson, welche Kinder mit Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung unterrichten wird, mit dem Konzept der Bindung, spezifischen Bindungsmustern und deren Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung zu befassen und auseinanderzusetzen - auch die Lehrperson selbst kann eine Bindungsperson für das Kind darstellen. Diese Arbeit unternimmt den Versuch herausstellen, wie stark Bindung und spezifische Bindungsmuster die kindliche Entwicklung beeinflussen.

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Leseprobe

2 Innere Arbeitsmodelle von Bindung


 

2.1 Innere Arbeitsmodelle aus entwicklungspsychologischer und bindungstheoretischer Sicht – eine Einführung


 

„Verinnerlichte oder innere Repräsentationen der eigenen Person, der Umwelt, in der man fühlt, denkt und handelt, und individuelle Erfahrungen haben in der Psychologie eine lange Tradition.“ (Grossmann/Grossmann 2004, S.414) Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget nannte diese inneren Repräsentationen Schemata, welche die Informationen , auf deren Grundlage man handelt, ordnen, organisieren und regeln. (vgl. Piaget 2003, S.89f.) Bowlby bevorzugt für seine Bindungstheorie jedoch den Begriff „Internale Arbeitsmodelle“ anstelle von „inneren Repräsentation“ bzw. „Schemata“. (vgl. Bowlby 1969, zit. n. Grossmann/Grossmann 2004, S.414) „Er wollte damit verdeutlichen, dass es sich um Modelle handelt, die dazu gemacht sind, einen ständigen Abgleich mit äußeren Gegebenheiten zu vollziehen, und die sich ändern müssen, wenn sie einer Überprüfung an der Realität wiederholt nicht standhalten.“ (Bowlby 1969, zit. n. Grossmann/Grossmann 2004, S.414)

 

Diese begriffliche Darstellung spiegelt das Wesen internaler Arbeitsmodelle wider: es sind mentale Repräsentationen der eigenen Persönlichkeit, sowie der Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt, welche sich den aktuellen Gegebenheiten und Umständen immer wieder neu anpassen. Internale bzw. innerer Arbeitsmodelle sind demnach keine festen Schemata, sondern sich den äußeren und inneren Gegebenheiten angleichende mentale Repräsentationen. Durch diesen fortlaufenden Abgleich mit den äußeren Gegebenheiten entstehen mentale Regelsysteme , auf welchen wiederum Verhaltensmuster und Handlungsabläufe des Individuums basieren. (vgl. Grossmann/Grossmann 2004, S.414) Kurz gesagt, ein „Arbeitsmodell ist die Vorstellung, die ein Kind sich aufgrund seiner praktischen Erfahrungen von seiner Bezugsperson macht.“ (Minde 2009, S.361)

 

Auf diesen inneren Arbeitsmodellen von Bindung basieren laut Bowlby alle Erwartungen des Kindes „und daher auch all seine Verhaltenspläne für den Rest des Lebens.“ (Bowlby 1976, S.420) Das individuelle Denken, Fühlen und Handeln wird von der mentalen Repräsentation der Umwelt eines Menschen beeinflusst – von inneren Arbeitsmodellen. Die Entwicklung dieser wird dadurch gesteuert, wie erfahrene Ereignisse vernommen, gestaltet und strukturiert werden. „Die zentrale Aufgabe einer Person während ihrer Entwicklung ist die nie endende, stets aktive Wechselbeziehung zwischen Innen und Außen, und die Weise, wie diese sich beständig gegenseitig beeinflussen, nicht nur in der Kindheit, sondern auch im Leben von Jugendlichen und Erwachsenen.“ (Bowlby 1988, zit. n. Grossmann/Grossmann 2004, S.417)

 

Innere Arbeitsmodelle von Bindung als theoretische Konstrukte können nicht direkt beobachten werden, vielmehr können sie sich „aus der Qualität des Umgangs mit den Bindungs- oder anderen Personen bei subjektiver Belastung, vor allem aber aus der Art der sprachlichen Darstellungen bindungsrelevanter Ereignisse [erschließen lassen, A.K.].“ (Grossmann/Grossmann 2004, S.417)

 

Nach der Hinführung auf die Thematik der inneren Arbeitsmodelle sollen nun weiterer Attribute innerer Arbeitsmodelle betrachtet werden.

 

2.2 Entwicklung innerer Arbeitsmodelle


 

„Bindungstheoretisch wird angenommen, dass regelmäßig sich wiederholende frühkindliche Bindungserfahrungen als Erwartungen verinnerlicht werden.“ (Grossmann/Grossmann 2004, S.418) In Anlegung auf Bowlbys Sicht bezüglich der Entwicklung von Bindung, ist ein Kind von Geburt an mit einem Verhaltensrepertoire ausgestattet, welches die Aufrechterhaltung der Nähe und Fürsorge der Bezugsperson zur Funktion hat. Die Bindungsqualitäten eines Säuglings bzw. eines Kleinkindes (d.h. die ersten beiden Lebensjahre) lassen sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht an einem spezifischen inneren Arbeitsmodell ausmachen, vielmehr haben kleinkindliche Bindungsqualitäten den Charakter „einer bestimmten Eltern-Kind-Dyade [...] als eine generelle Bindungsverhaltens-Organisation, weil sie gegenüber unterschiedlichen Personen verschieden ausfallen können.“ (Grossmann/Grossmann 2004, S.418)

 

In den ersten Lebensmonaten ist das Weinen zunächst das einzige Mittel, um die Nähe zur Pflegeperson aufrechtzuerhalten bzw. herzustellen, bevor das Kleinkind durch Anklammern, Nachfolgen, Rufen, Lächeln und Dialogen vorsprachlicher Laute Kontakt zur Bezugsperson aufnehmen kann. „Das Pflegeverhalten [der Bezugsperson, A.K.] ist das Komplement zum Bindungsverhalten des Kindes.“ (Fremmer-Bombik 2009, S.109) Beide Bindungssysteme – das des Kindes und seiner Bezugsperson - sind aufeinander abgestimmt und entwickeln sich zeitgleich mit dem Aufbau der Beziehung zwischen diesen beiden Personen. Die Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehung und des Bindungssystems verläuft dabei nach einer bestimmten Abfolge:

 

In einem Alter von ca. sechs Monaten beginnt das Kind, sich ein Bild von seiner primären Bezugsperson zu formen – das Kind „hat die Fähigkeit entwickelt, auch dann nach der Pflegeperson zu suchen, wenn diese nicht anwesend ist.“ (Fremmer-Bombik 2009, S.109) Diese Errungenschaft hat zeitgleich zur Folge, dass bei einer räumlichen und zeitlichen Trennung zur Pflegeperson Kummer und Ängste seitens des Säuglings auftreten können. An diesem Punkt der Entwicklung ist das Kind in der Lage, eine feste Bindung einzugehen. „Wird das Kind im Laufe seines Erkundens der Umwelt verunsichert, etwa durch zu große Entfernung von der Bindungsfigur oder durch fremde Reize, so sorgt die Aktivierung des Bindungssystems und des damit verbundenen Verhaltens für Nähe und Schutz durch die Bindungsfigur.“ (Fremmer-Bombik 2009, S.109)

 

„Über das Bindungsverhalten und die Reaktionen der Bindungsfiguren entwickelt das Kind eine innere Repräsentation von Bindung, das sogenannte innere Arbeitsmodell von Bindung.“ (Fremmer-Bombik 2009, S.109) Laut Bowlbys Bindungstheorie bauen Kinder innere Arbeitsmodelle nicht nur von sich selbst, sondern gleichermaßen von ihren Bezugspersonen auf. (vgl. Bowlby 1969, zit. n. Fremmer-Bombik 2009, S.109) „Die wichtigste Funktion dieser Arbeitsmodelle ist [...], Ereignisse der realen Welt zu simulieren bzw. vorwegzunehmen, um so das Individuum in die Lage zu versetzen, sein Verhalten mit Einsicht vorausschauend zu planen.“ (Fremmer-Bombik 2009, S.109) Dies impliziert folgendes: Je präziser die Simulation der realen Welt den tatsächlichen Umständen entspricht, desto besser ist jenes, auf dieser Simulation basierende Verhalten der jeweiligen Situation angepasst. „Unterschiedliche Bindungsfiguren erfordern eine unterschiedliche Anpassung. Unterschiedliche Erfahrungen müssen in ein Gesamtmodell, wie die Umwelt und die Bindungsfiguren funktionieren, integriert werden.“ (Fremmer-Bombik 2009, S.109f.) In diesem Zusammenhang geht es vor allem darum, dass das Kind die eigenen Gefühle (an dieser Stelle spielen vor allem negative Gefühle eine große Rolle) mit Hilfe der Bindungsperson in dieses Gesamtmodell integrieren kann, um diesem Modell einen entsprechenden Bedeutungszusammengang verleihen zu können.

 

„Die Integration negativer Gefühle in eine kommunikative Strategie beginnt bereits im ersten Jahr durch die Reaktionen der Bindungsperson und die negativen Gefühlsäußerungen des Säuglings.“ (Grossmann/Grossmann 2004, S.418) Reagiert die Bezugsperson auf das Weinen des Kindes, „z.B. durch Trösten oder durch Anbieten von Alternativen, steht die Äußerung von Ärger und Traurigkeit beim Säugling klar im Dienste von Nähe und psychischer Sicherheit.“ (Grossmann/Grossmann 2004, S.418) Versteht die Bezugsperson das Weinen des Kleinkindes jedoch als Ablehnung gegen ihre eigene Person, könnte sie dazu tendiert, das Weinen des Kindes zu ignorieren oder schlimmstenfalls sogar zu bestrafen. Das Kind wird durch diese ablehnende Reaktion der Bindungsperson verunsichert, erlangt keine stabile psychische Sicherheit und kann seine „negativen Gefühle nicht in das positive Ziel des Trostes durch Nähe und der Beruhigung des inneren Aufruhrs integrieren.“ (Grossmann/Grossmann 2004, S.419) Folge davon ist die Entwicklung einer unsicheren Bindung, basierend auf einem unsicherem inneren Arbeitsmodell von Bindung. Lediglich die Aktivierung eines sicheren Bindungssystems kann zuverlässig Nähe und Schutz durch die Bindungsfigur auslösen. Unterschiedliche innere Arbeitsmodelle führen folglich zu unterschiedlichen Verhaltensweisen des Kindes und der Bindungsperson in bindungsrelevanten Situationen. Die differentielle Beschreibung der verschiedenen Arbeitsmodelle von Bindung erfolgt in Punkt 2.5. .

 

Durch die Integration der individuellen Gefühle des Kindes bezüglich der Interaktion mit der Bezugsperson entsteht eine adaptive Abbildung der realen Gegebenheiten. Dieses Modell dient Kleinkindern dazu, ihre Erwartungen und damit verbundenen Emotionen zu organisieren und diese auf andere Situationen zu übertragen. „Auch wenn sich das Verhalten des Kindes in den verschiedenen Situationen unterscheidet, so bleibt doch diese innere...

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