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E-Book

Ithaka, der Peloponnes und Troja

Vollständige Ausgabe

AutorHeinrich Schliemann
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl253 Seiten
ISBN9783849635404
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Schliemanns enthusiastischer Reisebericht, den er in dem Buch 'Ithaka, der Peloponnes und Troja' veröffentlichte forderte vielfach Spott heraus und wurde im Ganzen als antiquarische Halluzination abgetan ... bis sich Schliemann mit der Entdeckung von Troja direkt in die Geschichtsbücher beförderte ...

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Leseprobe

Elftes Kapitel


 


Nächtliche Entweichung. – Escorte. – Reise auf einem schlechten Pferde ohne Sattel, Steigbügel und Zaum. – Ein Σαγμάριον statt Sattel. – Ruinen von Kleonä. – Gefährliche Fieber. – Charvati. – Mykenä; seine Geschichte. – Die Citadelle des Agamemnon mit ihren ungeheuren cyklopischen Mauern und dem grossen Thor mit den beiden in Stein geschnittenen Löwen. – Schatzkammer des Agamemnon; ihre grosse Thür; ihre beiden Zimmer; die bronzenen Nägel in den Steinen, welche beweisen, dass alle Mauern mit Bronze-Platten bekleidet waren.

 

Da es in Neu-Korinth kein Hôtel giebt, so musste ich die Nacht auf einer hölzernen Bank in einem elenden Wirthshause zubringen. Obgleich ich von Anstrengung ermüdet war, so konnte ich doch kein Auge schliessen, weil die Mücken mich nicht einen Augenblick in Ruhe liessen. Vergebens suchte ich mich gegen sie zu schützen, indem ich das Gesicht mit einem Tuche bedeckte; sie stachen mich durch die Kleider hindurch. Voll Verzweiflung lief ich nach der Thür, aber sie war verschlossen. Der Wirth war ausgegangen und hatte die Schlüssel mitgenommen. Statt der Fenster hatte die Wohnung viereckige, durch eiserne Stangen verschlossene Oeffnungen. Nach langer und beschwerlicher Arbeit gelang es mir, zwei dieser Stangen herauszureissen, und auf die Gefahr hin, von den Nachtwächtern für einen Dieb gehalten zu werden, sprang ich auf die Strasse und bettete mich auf den Sand am Meeresufer, wo es glücklicher Weise keine Mücken gab. Ich schlief sofort ein und erfreute mich wenigstens drei Stunden lang der angenehmsten Ruhe.

 

Um vier Uhr Morgens stand ich auf, schwamm eine halbe Stunde im Meere und kehrte zur grossen Verwunderung des Wirthes in sein Haus zurück. Er war eben dabei, seine Sachen zu untersuchen; denn als er bemerkte, dass ich mich davon gemacht hatte, nahm er an, ich hätte ihn bestohlen. Alles klärte sich bald auf, und ich brauchte nicht, um meinen Wirth zu begütigen, ihm aus dem Homer vorzulesen. Er war zufrieden, als ich ihm ein Zwei-Frankenstück für den an den eisernen Stangen angerichteten Schaden gab.

 

Um 5 Uhr setzten wir unsere Reise fort, die beiden Soldaten und mein Führer zu Fuss, ich auf einem schlechten Pferde, einer wahren Rosinante. Trotz aller Bemühungen hatte ich weder Zügel, noch Sattel, noch Steigbügel bekommen können, denn dergleichen sind in Korinth als reine Luxusartikel gar nicht vorhanden. Der Zügel wurde durch einen um den Hals des Pferdes gebundenen Strick ersetzt, mit welchem ich nur mit grosser Mühe lenken konnte. In Ermangelung eines Sattels hatte man auf den Rücken des Thieres ein Σαγμάριον gelegt, eine Art viereckiges hölzernes Gerüst, welches an den vier Ecken mit Haken versehen ist. Diese Σαγμάρια sind für den Transport von Lasten sehr bequem; aber wegen der spitzen Ecken sind sie ein wahres Marterwerkzeug, wenn man sie als Sattel gebraucht. Wohl oder übel musste ich mich desselben bedienen, denn die Hitze war drückend, besonders in den Gebirgen, wo kein Lüftchen wehte. An einem Haken zur Linken hing mein Nachtsack, an einem andern zur Rechten ein Korb mit den sechs Vasen, die ich von den Bauern in Alt-Korinth gekauft hatte; am Haken hinter mir war auf der einen Seite eine grosse, vier Liter Wein enthaltende Flasche, auf der andern ein Sack mit zwei Broden für uns und Futter für das Pferd angebracht.

 

Der Weg, den man nur einen Fusssteig nennen kann, geht durch eine sehr gebirgige Gegend. Nachdem wir vier Stunden lang unaufhörlich bald bergan, bald bergab gestiegen waren, kamen wir an die Ruinen der alten Stadt Kleonä, und liessen uns an einer reichlich fliessenden Quelle nieder, um ein frugales Frühstück zu uns zu nehmen, welches aus trocknem Brod, Wasser und Wein bestand. Mein Führer und die Escorte ruhten eine Stunde lang aus, während ich die Ruinen von Kleonä durchforschte. Leider aber ist nichts zu sehen, als einige Säulen und Fundamente alter Gebäude. Neben diesen Ruinen ist ein Sumpf, dessen Ausdünstungen die Luft verpesten und gefährliche Fieber erzeugen, mit denen fast alle Einwohner der Umgegend behaftet waren.

 

Halb 1 Uhr kamen wir in dem schmutzigen und elenden Dorfe Charvati an, das auf einem Theile der Baustelle der alten Stadt Mykenä liegt, welche früher die Hauptstadt des Königs Agamemnon und wegen ihrer ungeheuren Reichthümer berühmt war. Mein Führer und die beiden Soldaten, welche den ganzen Weg von Korinth zu Fuss gemacht hatten, waren so ermüdet, dass sie mir nicht bis zu der Citadelle, welche sich 3 Kilometer von Charvati befindet, folgen konnten. Ich erlaubte ihnen, bis zu meiner Rückkehr im Dorfe auszuruhen, umsomehr als wir über die Gebirge hinaus waren und ich von Räubern nichts mehr zu fürchten hatte. Ausserdem kannten sie Mykenä nicht einmal dem Namen nach, wussten nichts von den Helden, denen diese Stadt ihren Ruhm verdankt, und hätten mir also auch nichts nützen können, weder um mir Monumente zu zeigen, noch um meine Begeisterung für die Archäologie anzuspornen. Ich nahm daher nur einen Bauerburschen mit mir, welcher die Citadelle unter dem Namen »Κάστρον Ἀγαμέμνονος« (Festung Agamemnons) und die Schatzkammer als »Τάφος Ἀγαμέμνονος« (Grabmal des Agamemnon) kannte.

 

Mykenä wird von Homer nur einmal »Μυϰήνη« (Il. IV, 52), sonst immer »Μυϰῆναι« genannt. Wenn man die weite Ausdehnung der Festung bedenkt, so gewinnt es an Wahrscheinlichkeit, dass in vorhomerischer Zeit die Stadt in der Festung eingeschlossen war und im Singular »Μυϰήνη«, später aber, als sie sich auf dem Plateau ausserhalb der Festungsmauern ausbreitete, im Plural »Μυϰῆναι« genannt wurde. Da Homer sie nur einmal im Singular »Μυϰήνη« nennt, so scheint es, dass die Vergrösserung der Stadt in der Zeit Homers, oder kurze Zeit vor ihm stattgefunden hat, sodass bei seinen Lebzeiten der Singular Μυϰήνη schon fast ausser Gebrauch gekommen war. Er nennt sie (Il. VII, 180 und XI, 46): »πολύχρυσος« (goldreich); (Il. IV, 52) »εὐρυάγυια« (mit breiten Strassen); (Il. II, 569) »ὐϰτίμενον πτολίεθρον« (die wohlgebaute Stadt).

 

Wegen ihrer einsamen Lage am Fusse der Gebirge, am Ende der argolischen Ebene, heisst es (Od. III, 263), sie habe gelegen: »μυχῷ Ἄργεος ἱπποβότοιο« (in einem Winkel des rosseernährenden Argos).

 

Mykenä's Berühmtheit gehört ausschliesslich dem heroischen Zeitalter an, denn die Stadt verlor ihre Bedeutung nach der Rückkehr der Herakliden und der Besitznahme von Argos durch die Dorier; aber sie behauptete ihre Unabhängigkeit und nahm an dem Nationalkriege gegen die Perser Theil. Achtzig Mykenier kämpften und fielen mit der kleinen Schaar Spartaner in den Thermopylen (Herodot VII, 202), und vierhundert Mykenier und Tirynthier betheiligten sich an der Schlacht bei Platää (Herodot IX, 28). Die Argiver, welche neutral geblieben waren, beneideten die Mykenier um die Ehre der Theilnahme an diesen Schlachten, und fürchteten ausserdem, die Mykenier möchten im Hinblick auf den alten Ruhm ihrer Stadt sich wieder der Hegemonie über Argolis bemächtigen. Aus diesen Gründen belagerten sie Mykenä, nahmen es ein und zerstörten es 466 v. Chr. (Diod. Sic. XI, 65; Strabo VIII, 6; Pausanias II, 16).

 

Als ein halbes Jahrhundert später Thucydides die Stadt besuchte, fand er sie in Trümmern. Strabo sagt: »Αἱ μὲν οὖν Μυϰῆναι νῦν οὐϰέτι εἰσίν« (Mykenä ist jetzt nicht mehr vorhanden); aber er scheint nicht dort gewesen zu sein, denn sonst würde er ihre Ruinen und die Citadelle erwähnt haben. Als fast fünf und ein halb Jahrhundert nach Thucydides, Pausanias Mykenä besuchte, sah er einen Theil der Citadelle, das Thor mit den beiden Löwen, die Schatzkammern des Atreus und seiner Söhne, die Gräber des Atreus, der von Aegisthus ermordeten Gefährten Agamemnons, der Kassandra, des Agamemnon, des Wagenlenkers Eurymedon, der Söhne der Kassandra, der Elektra, des Aegisthus und der Klytämnestra (Pausanias II, 16).

 

Da diese beiden letzteren Gräber »ὀλίγον ἀπωτέρω τοῦ τείχους« lagen, »ἐντὸς δὲ ἀπηξιώθησαν, ἔνθα Ἀγαμέμνων τε αὐτὸς ἔϰειτο ϰαὶ οἱ σὺν ἐϰείνῳ φονευθέντες« (ein wenig entfernt von der Mauer, denn sie [Aegisthus und Klytämnestra] wurden für unwürdig gehalten, im Innern begraben zu werden, wo Agamemnon und die mit ihm Ermordeten ruhten), so darf man daraus schliessen, dass Pausanias alle Mausoleen in der Festung selbst gesehen hat, und dass die des Aegisthus und der Klytämnestra ausserhalb der Umfangsmauern der Citadelle lagen.

 

Von allen diesen Grabdenkmälern ist jetzt keine Spur mehr vorhanden; aber man würde sie durch Nachgrabungen ohne Zweifel wieder auffinden können. Die Festung dagegen ist gut erhalten, und jedenfalls noch heute in einem weit bessern Zustande, als man nach der Aeusserung des Pausanias schliessen dürfte: » λείπεται δὲ ὅμως ἔτι ϰαὶ...

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