„Obwohl die meisten Jugendlichen wissen, dass Videos von realen Gewalt- oder Tötungshandlungen, von Vergewaltigungs- und Sodomieszenen und dergleichen verboten sind, scheinen sie dies jedoch nicht notwendig auf ihr eigenes Handeln zu projizieren. Insbesondere der Umstand, dass solche Inhalte über das Internet relativ frei zugänglich und verfügbar sind, führt augenscheinlich dazu, dass Jugendliche im Hinblick auf ihren persönlichen Umgang mit solchen Inhalten kein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein entwickeln“ (Grimm & Rhein, 2007, S. 53).
Das Strafgesetzbuch beinhaltet gleich eine ganze Reihe von Bestimmungen, wonach o.g. Inhalte in jeglicher Verbreitungsform, d.h. auch über den individuellen privaten Datenaustausch über das Handy, unzulässig sind. Jugendliche ab einem Alter von 14 Jahren können strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden (vgl. Grimm & Rhein, 2007).
Die sog. Strafmündigkeit ist im § 19 StGB Schuldunfähigkeit des Kindes geregelt und besagt, dass schuldunfähig ist, wer bei Tatbegehung noch nicht vierzehn Jahre alt ist. Der Begriff „Schuldunfähigkeit“ bezeichnet im Gesetz die „Strafunmündigkeit“.
„Aber auch (Straf-)Taten von Kindern bleiben in der Regel nicht folgenlos. Erfahren Polizei oder Staatsanwaltschaft von Straftaten von Kindern, wird dort regelmäßig geprüft, ob eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Sorgeberechtigten mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für diese vorliegt. Zudem werden die Erkenntnisse an den zuständigen Jugendhilfeträger weitergeleitet, damit dort entschieden werden kann, ob und ggf. in welchem Umfang Hilfen zur Erziehung als Maßnahmen der Jugendhilfe (§§ 27 ff. SGB VIII), zu ergreifen sind“ (Rat für Kriminalitätsbekämpfung in Schleswig-Holstein, 2009, S. 14).
Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) definiert in § 1 Persönlicher und Sachlicher Anwendungsbereich die Begriffe „Jugendlicher“ und „Heranwachsender“. Demnach ist ein „Jugendlicher“, wer zur Tatzeit vierzehn, aber noch keine achtzehn ist, ein „Heranwachsender“, wer zur Tatzeit achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
Nach § 3 JGG Verantwortlichkeit muss der Jugendliche aber auch strafrechtlich verantwortlich sein. Als verantwortlich gilt er dann, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Nach § 12 StGB Verbrechen und Vergehen sind Verbrechen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber vergolten werden. Als Vergehen werden rechtswidrige Taten angesehen, die im Mindestmaß eine geringere Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zur Folge haben.
In den weiteren Ausführungen zu den jeweiligen Straftatbeständen wird auf das Strafmaß nicht näher eingegangen. Es erfolgt lediglich die Differenzierung nach einem Verbrechen oder einem Vergehen, darüber hinaus werden, wenn notwendig, die Tatbestandsmerkmale teilweise ausgeführt. Die Gesetzestexte sind im Original im Anhang nachzulesen.
§ 131 StGB Gewaltdarstellung (Auszug)
„(1) Wer Schriften (§11 Abs.3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
1. verbreitet,
2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder
4. herstellt, bezieht, (…) um sie (…) i.S.d. Nr. 1-3 zu verwenden (…)
wird…bestraft.“[5]
Die Tat wird als Vergehen klassifiziert. Als gewaltdarstellende Schriften sind in den Fällen von Abs. 1 Schriften und sonstige verkörperte Darstellungen, darunter sind auch Ton- oder Bildträger mit einem gewaltbezogenen Inhalt gemeint. Die Schriften müssen Gewalttätigkeiten schildern, die sich entweder gegen Menschen oder gegen menschenähnliche Wesen[6] richten. Die geschilderte Gewalttätigkeit als solche muss grausam oder unmenschlich sein. Das ist der Fall, wenn in ihr eine menschenverachtende und rücksichtslose Tendenz zum Ausdruck kommt. Der Abs. 1 enthält drei Varianten inhaltlicher Darstellungsweise. Die erste Variante setzt voraus, dass die Schilderung eine Verherrlichung „solcher Gewalttätigkeiten“ ausdrückt, also deren Berühmung als etwas Großartiges, Imponierendes oder Heldenhaftes vermittelt.
In der zweiten Variante wird auf das Kriterium der Verharmlosung eingegangen, d.h. auf die Bagatellisierung als eine sozial übliche oder akzeptable Form des Verhaltens oder mindestens als „nicht verwerfliche Möglichkeit zu Lösung von Konflikten“. Die dritte Variante setzt sich mit der Art der Schilderung auseinander, die das Grausame oder Unmenschliche des „Vorgangs“ in einer Weise präsentiert, welche die Menschenwürde verletzt.
Die in Absatz 1 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Tathandlungen stellen die Schriftenverbreitungstatbestände dar (vgl. Fischer, 2009). Diese Strafvorschrift bezieht sich also in erster Linie auf den Filmer, den Besitzer und den Verbreiter des Clips. Gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist das bloße Versenden eines Videos mit den beschriebenen Inhalten von einem Handy auf das Nächste bereits strafbar. Voraussetzung ist, dass der Empfänger minderjährig ist. Bei der Tatvariante des Abs. 1 Nr. 1 und 2 muss der Empfänger nicht minderjährig sein, allerdings ist hier die Individualkommunikation zwischen Handys nicht ausreichend. Denkbar ist z.B., dass ein selbst gefilmtes „Happy Slapping“-Video über das Internet verbreitet wird. Ist bei einer selbst gefilmten Videosequenz die Strafbarkeitsschwelle noch nicht erreicht, kann jedoch die dem Videofilm zugrunde liegende Körperverletzungshandlung strafrechtlich geahndet werden, wobei sich auch die (jugendliche) Person, die die Tathandlung gefilmt hat, nach denselben Strafvorschriften strafbar machen kann (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, 2006).
§ 176 StGB Sexueller Missbrauch von Kindern (Auszug)
„(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird (…) bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt (…).“
Eine Tat nach Abs. 1 oder 2 stellt ein Vergehen dar. Diese Bestimmung schützt Jungen und Mädchen unter 14 Jahren. Dem liegen die entwicklungspsychologischen Annahmen zugrunde, dass sich die „sexuelle Identität“ einer Person und damit ihre Fähigkeit, über ihr Sexualverhalten zu bestimmen, als Teil der Gesamtpersönlichkeit entwickeln. Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind jedoch in besonderer Weise dazu geeignet, diese Entwicklung zu stören (vgl. Fischer, 2009).
§ 176 a Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (Auszug)
„(…)
(2): Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird (…) bestraft, wenn
1. eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind des Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind,
2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird oder
3. der Täter das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.
(3) Mit Freiheitsstrafe (…) wird bestraft, wer in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3, 4 Nr. 1 oder Nr. 2 oder des § 176 Abs. 6 als Täter oder anderer Beteiligter in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift (§ 11 Abs. 3) zu machen, die nach § 184 b Abs. 1 bis 3 verbreitet werden soll.“
Die Taten nach den oben genannten Absätzen stellen Verbrechenstatbestände dar. Bei einer Tat nach Abs. 2 Nr. 1 kann nur eine Person über 18 Jahren Täter sein, jugendliche Täter des Abs. 2 Nr. 1 sind nur wegen sexuellen Missbrauchs zu verurteilen. Der Begriff Beischlaf ist auf heterosexuellen Verkehr beschränkt. Ähnliche sexuelle Handlungen sind nur solche, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Das Eindringen in den Körper umfasst nicht nur die Einführung des Geschlechtsgliedes, insbesondere bei Oral- oder Analverkehr, sondern auch die anderer Körperglieder sowie von Gegenständen. Ein vollständiges Eindringen oder Einführen ist nicht erforderlich. Ein Eindringen liegt auch dann vor, wenn das Opfer selbst auf Veranlassung des Täters Gegenstände in eigene Körperöffnungen einführt. Dem Beischlaf gleichgestellt ist ein Eindringen in die Scheide, sowie in Mund oder Anus. Ob es sich hier um hetero- oder...