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Beschreibung der Welt

Die Reise von Venedig nach China 1271-1295

AutorMarco Polo
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783843803465
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Marco Polo reiste im Jahr 1271 mit seinem Vater und Onkel In Richtung China zum Kublai Kahn. Mehr als zwanzig Jahre lang wird er ihm als Berater dienen und in seinem Auftrag ausgedehnte Reisen durch die Weiten des Chinesischen Reiches unternehmen. Riesige Städte, grandiose Paläste und unermessliche Schätze - was der junge Marco Polo im fernen China entdeckte, übertraf die kühnste Vorstellungskraft. Seine teilweise unglaublichen Beobachtungen lassen sich in diesem, vielleicht bedeutendsten Reisebericht überhaupt, nachlesen.

Marco Polo kam 1254 als Sohn des venezianischen Kaufmanns Niccoló Polo auf die Welt. Zusammen mit seinem Vater und seinem Onkel brach er 1260 zu seiner berühmt gewordenen Reise auf. 1298 gerät er in einer Seeschlacht in Genueser Gefangenschaft . In Haft verfasst er den hier vorliegenden Reisebericht. Der Herausgeber: Detlef Brennecke (geboren 1944) war in seiner Jugend Filmschauspieler in Berlin. Später lehrte er als Professor für Skandinavistik in Frankfurt am Main. Seine zahlreichen Bücher über Abenteurer und Entdecker wurden in etliche Sprachen übersetzt.

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Leseprobe

VORWORT DES HERAUSGEBERS

»Nicht den zwanzigsten Teil habe ich beschrieben«

Dennoch ist Marco Polos Bericht bis heute unerschöpflich

Zögernd noch und verschwommen lösten sich im Morgendämmern der Geschichte Europas aus Trugbildern und Gerüchten die Schemen eines Reiches im fernsten Osten. Geisterhaft waren Gestalten, die hinter dem Boreas wohnten, dem Wind, der von Norden her weht, schon im 8. Jahrhundert vor Christus in einem Fragment aus dem Frauenverzeichnis des griechischen Rhapsoden Hesiod vorübergehuscht. Als Vorboten gleichsam … Denn binnen Kurzem erschienen die »Hyperboreer« in einer Weltschau des Schamanen Aristeas von Prokonnesos bereits mit deutlichem Umriss: Sie seien eine Population, die anders als all ihre Nachbarn friedfertig auftritt. Mit diesen arglosen Menschen wurden von Stund an Gefilde verbunden, in denen die Seligen ebenso hausten wie Einäugige und Greifen, wo ewiges Leben herrschte und ein Funkeln und Leuchten erstrahlte vom Gold ringsumher: ein Zaubergarten am Rande der Oikumene, der besiedelten Breiten – zugänglich nurmehr den Göttern.

Danach, als sich im 6. Jahrhundert mit der Beschreibung der Erde des Hekataios von Milet verstörend und betörend Indien ins Blickfeld der Europäer schob, wurden die Mirakel des Orients dort angesiedelt, bis sie sich im Schatten des Fassbaren allmählich verloren. Denn hatte Skylax von Karyanda noch in seiner Umseglung der Säulen des Herakles an der Schwelle vom 6. zum 5. Jahrhundert von schaurigen Ausgeburten gefaselt, die ihre Plattfüße als Sonnenschirme benutzten, und von gigantischen Ameisen gefabelt, die im Sand nach Gold schürften, konnte Herodot in seinen Historien am Ausgang des 5. Jahrhunderts die Inder mittlerweile als Zeitgenossen bezeichnen, »die wir kennen und von denen wir genauere Zeugnisse haben«. Die Annahme freilich, dass ihre Gegend »der äußerste Landstrich im Osten« sei, wurde erst an jenem Tag des Spätsommers 326 zerstreut, als Alexander der Große auf seinem Marsch durch den Subkontinent am Hyphasis gen Süden schwenkte. »Vielleicht fließen ja noch viele andere größere Flüsse auf indischem Boden«, gab der Chronist der Kampagne, Arrian, um die Mitte des 2. Jahrhunderts nach Christus im Alexanderzug zu bedenken. »Aber ich kann nichts Sicheres über die Gebiete jenseits des Hyphasis behaupten, weil der Makedonenkönig nicht über den Hyphasis hinausgekommen ist.«

So gewissenhaft dies vorgetragen war, so aussagestark war es zugleich. Denn es bekräftigte, dass das Finis terrae nicht in Indien lag. Zumal es für diesen Befund seit ungefähr der Zeitenwende handfeste – oder sagen wir besser: hauchfeine – Beweise gab. In seinem Hexameter-Epos Über das Landleben (29 v. Chr.) lehrte der Römer Vergil, dass nicht jedwede Frucht in jeglichem Boden gedeiht, sondern zur rechten Entfaltung ihr ursprüngliches Umfeld benötigt. Schulmeisternd fragte er:

»Soll ich von alledem singen? Wie Balsam aus duftendem Holze träufelt, wie Beeren trägt der immergrüne Akanthus, wie Äthiopiens Waldung strahlt von schneeiger Wolle und die Chinesen von Blättern kämmen die seidigen Flocken?«

Allein den Volksnamen »Chinesen« kannten die Römer (und die Griechen) noch nicht. Sie sprachen von »Seres«, und das umschloss die Hersteller wie auch die Lieferanten von Seide.

Die Route, über die sie ihre Ware exportierten, begann an diversen Punkten in der Heimat der »Seres«. Daraufhin führte sie entweder auf einer nördlich der »Hemodischen Berge« sich verzweigenden Strecke um Wüsten herum oder verlief auf einer südlich des Himalaya sich verästelnden Straße durch Indien hindurch. Zuletzt erreichte sie die Ufer des Mittelmeers, wo sie sich nach Afrika und Europa, nach Byzanz und Alexandria abermals entfächerte. Ihr bevorzugtes Ziel indessen war Rom.

Kaum dass Vergil seine – den Nachgeborenen bare Unkenntnis verratende – Schilderung der Seidengewinnung gegeben hatte, pries Horaz in einer Epode (um 30 v. Chr.) die »seidnen Kissen« … besang eine Generation nach ihm Ovid in einem Liebesgedicht (um 2 n. Chr.) den Stoff, »den uns die Seres gewebt« … und rühmte Plinius der Ältere in seiner Naturkunde (77) – wie Aristeas von Prokonnesos einst die »Hyperboreer« – die »Seres« als Geschöpfe »von sanfter Gesittung«.

Schlossen die Römer aus dem Produkt der »Seres« womöglich auf deren Charakter? Sei’s drum! Seide wurde zum Inbegriff von schmachvoller Verweichlichung, sodass Tacitus in den Annalen (um 120) kolportieren konnte, wie der Senat anno 16 angeordnet hatte: »Die Männer dürfen sich nicht mehr durch das Tragen serischer Stoffe entehren.« Nur hielten sie sich nicht an die Kleiderordnung – am allerwenigsten die Kaiser! Zu groß war die Annehmlichkeit, die sie dem Volk am Saum von Asien verdankten. Denn dass es existierte, stand längst außer Frage. Und darum bekam es nun auch seinen ›richtigen‹ – weil auf die einheimische Ts’in-Dynastie aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert verweisenden – Namen.

Hatte doch der gräko-syrische Kaufmann Maes Titianos unlängst ein paar seiner Vertreter bis tief in den Osten geschickt. Und nachdem sie heimgekehrt waren, ließ er sie geflissentlich alle die von ihnen passierten Wege und Orte erfassen, die Gaue und Länder, die Gewässer und Höhen. Damit schuf er die Vorlage für das (verschollene) chorographische Register des Marinos von Tyros, Berichtigung der Karte der bekannten Erde (um 110), sowie für die Einführung in die Geographie (um 150) des Klaudios Ptolemaios. Und in der war jetzt ein Stamm namens »Sinai«1 vermerkt.

Seither konkurrierte in antiken Dokumenten die Benennung der »Chinesen« mit dem Begriff der »Seidenerzeuger«, standen die »Seres« neben den »Sinai« mit ihrer Kapitale »Thinai«. Darauf, dass diese Stadt in einem Land liegt, in »Thin«, woher Seide importiert wird, »sowohl in rohem Zustand als auch gesponnen und gewebt zu feinen Stoffen«, hatte um das Jahr 70 bereits ein anonym verfasster Leitfaden für die Handelsschifffahrt auf dem Indischen Ozean hingewiesen, der Periplus Maris Erythraei. Die geographischen Koordinaten für China wurden immer präziser markiert.

Dennoch geisterte durch das Gemunkel und Geraune über die »Sinai« oder »Seres« schablonenhaft eher eine Menagerie von Phantomen, Monstern und Schimären, als dass eine authentische Individualität den Hirngespinsten den Garaus machte.

Erst als Ammianus Marcellinus am Ende des 4. Jahrhunderts in seiner Römischen Geschichte erwähnte, dass Zinnen hoher Mauern, »die sich wie im Kreis zusammenfügen«, die Sitze der »Seres« umgeben, wurde ein verbürgter Stein ins Mosaik der Informationen gelegt. Und als Prokop um 550 in einem Abriss der Gotenkriege darauf zu sprechen kam, wie der Imperator Justinian zwei Mönche dazu gebracht hatte, Eier »einer gewissen Art von Würmern« nach Europa zu schmuggeln, war das Geheimnis um den Ursprung der Seide gelüftet und das Reich der Mitte symbolisch seiner Abschirmung beraubt.

Dass dies in einer Phase des Niedergangs der griechischen und römischen Traditionen und des Aufstiegs der islamischen Kultur geschah, hatte zur Folge, dass weiterführende Auskunft über China nächstens von arabischen Autoren zu erwarten war. Denn hatte nicht der Prophet in einem Hadith dazu aufgerufen: »Suchet Wissen und Wissenschaft, und wenn es in China wäre«?

Leider zeigten die Erträge aus jener Weisung, dass »China« bloß so verstanden wurde, als wenn ein Berliner heute »jottwede« sagt und damit etwas meint, das »janz weit draußen« liegt.

Eine Ausnahme bildete anfangs zwar die 851 festgehaltene Erinnerung des Kaufmanns Sulaimān von Basra an den Liebreiz der Landschaften Chinas und die Anlage seiner Städte, die Hofhaltung der Machthaber und Wieselei ihrer Schranzen, die Rechts- und Wirtschaftsordnung, die Ernährung der Leute und ihre Bestattungsfeiern – zudem an Anstößigkeiten wie jene, dass sich die Chinesen »nicht mit Wasser waschen«. Dann jedoch, nach diesem vielversprechenden Ansatz zu einer Völkerkunde, erzählte der Geograph Ibn Chordadhbeh um 900 in seinem Buch der Reisen und Königreiche lediglich wieder vom Güterverkehr zwischen dem Nahen Osten und China, »as-Sin«, und lieferte ansonsten keinerlei Neuigkeiten mehr – so wenig wie sein Kollege al-Istahri aus Persepolis ein Menschenalter nach ihm in einem Werk, das bezeichnenderweise denselben Titel trägt wie das Itinerar des Ibn Chordadhbeh, Buch der Reisen und Königreiche, irgendwelche Ergänzung machen konnte. Wie eh und je beeindruckte zuvörderst die...

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