1959
Lugano
Romy Schneider hat ihren offiziellen Wohnsitz ab 1959 im schweizerischen Lugano, ein Grund dafür war, wie aus Korrespondenzen von Blatzheim hervorgeht, damit man ihre Gewinnbeteiligung von zwanzig Prozent ohne Abzug auf das Bankkonto in Zürich überweisen konnte. Als einziges Problem fürchtete man, dass das Finanzamt herausfinden könnte, die Beteiligung stehe im Honorarvertrag und könnte so für eine Gage gehalten werden. Um dem zu entgehen, erwägt man die Möglichkeit, dass Romy ihre Beteiligung an eine Schweizer Gesellschaft verkauft, von wo sie direkt an Blatzheim ausbezahlt werden kann.
Die Schneiders sind freilich nur eine Familie von vielen, die sich, nicht zuletzt aus Steuergründen, eine Wohnung im luxuriösen Exil suchen. Zu den »Starflüchtigen« gehören auch Karlheinz Böhm mit Gattin Gudula Blau, Hardy Krüger, Sabine Bethmann, Sonja Ziemann, Nadja Tiller und Walter Giller, von denen einige gern gesehene Gäste in Blatzheims neuem Domizil werden.
Der neue Wohnsitz in der Schweiz ist äußerst luxuriös. Die weiße Villa »Maro« liegt im tessinischen Dorf Vico Morcote am Luganer See, ihr von Hausherr Blatzheim gewählter Name bildet sich aus den Abkürzungen für Magda und Romy. Es ist ein großes, prächtiges, sonnendurchflutetes Anwesen, ein kleiner moderner Palazzo mit Rundbogenfenster, dem es vielleicht an Heimeligkeit fehlte, der jedoch jeglichen Repräsentationszwecken genügen konnte. Erbauen lassen hatte es der als »Reißverschlusskönig« bekannt gewordene Schweizer Großindustrielle Martin Othmar Wintherhalter; Blatzheim beauftragte den Frankfurter Architekten Hans Kramer, den Palazzo nach seinen Vorstellungen umzubauen. Auch Magda Schneiders Ideen werden berücksichtigt. Es gibt eine lichtblaue Bar mit blankgeputztem Schachbrettboden, einen »roten Salon« mit Terrakottafliesen. Von der breiten Fensterfont des »gelben Salons« überblickt man die Parkanlage und dahinter den See. Illustriertenberichte verlieren sich in der Wiedergabe der Interieurs, beschreiben die elegante lichtgelbe Sitzecke, eine moosgrüne, mit farbigen Blumenbuketts bedruckte Polstergarnitur. Der Salon ist Teil des zur Villa gehörigen, in Rot und Weiß gehaltenen Restaurants »Frascati al Lago«. Der Besitzer denkt auch an seinem privaten Domizil merkantil, schließlich gehört ihm auch das in Melige gelegene »Park-Palace-Hotel«.
Rund 150 Meter Seefront weist das Anwesen der Villa Maro auf, von der mit Koniferen, Rosen, Palmen und Zypressen bewachsenen Uferpromenade genießen Gäste den Blick auf den Luganer See. Mehrere Berichte in Illustrierten werden von Hausherr Blatzheim initiiert, die über das neue repräsentative Domizil ausführlich berichten sollen. In der obersten Etage, kann man dort lesen, die man Romy vorbehielt, leuchten goldgelbe Vorhänge, in den beiden darunterliegenden weiße. In der mittleren Ebene logiert das Ehepaar Blatzheim, eine grüne Markise spannt sich als Sonnenschutz über die Terrasse. Die Familiengemächer sind dunkel gehalten, Massivmöbel mit Intarsiendetails symbolisieren Wohlstand und Geschmack. Das Arbeitszimmer des Hausherrn ist mit Eichenholz getäfelt, Fotos von Romy und Magda lächeln dem Besucher vom Schreibtisch aus entgegen. In der Vase daneben stehen, so wird betont, stets frische Schnittblumen, auf der anderen Seite des Tisches türmt sich Post auf. Romys Etage ist heller und farbenfroher dekoriert, die Zeitungsleser dürfen in ihren gut gefüllten Kleiderschrank blicken und erfahren, er sei mit einem in Paris angefertigten veilchenstraußbedruckten Chintz bezogen.
Alain Delon wohnt offiziell in einem Gästezimmer, das sich schlicht und stilvoll ausnimmt und wohl kaum seinem Geschmack entsprochen hätte. Nicht ohne schmunzeln zu müssen, liest man von einer in gedämpften Farben gehaltenen Rokokositzgruppe darin, über der ein Porträt seiner zukünftigen Schwiegermutter thront. Delons Bemerkungen darüber haben sich uns leider nicht erhalten ... Immerhin unterschreibt er die Briefe Romys an Magda in gewisser Regelmäßigkeit artig mit »Kisses for Maaaaaamie«.
Auf der großzügig angelegten Terrasse können Familie und Gäste ungestört essen oder sonnenbaden. Romy und Alain posieren vor den steinernen Engeln für die Fotografen. Lange, so lautet der Text unter den Bildern, lasse sie die Arbeit jedoch nie zusammenbleiben. Während Blatzheim verkündet, seinen und Magdas Hauptwohnsitz hierher zu verlegen, darf bei Romy darüber noch spekuliert werden, ob sie nach einer Hochzeit – und der Zeitungsbericht fügt an, die Eheschließung sei durchaus noch unsicher – auf Dauer hier residieren wolle.
Es wird nicht lange dauern, bis Tourismusunternehmer ihre Gäste zumindest in einiger Entfernung an dem Anwesen vorbeifahren und lautstark darauf hinweisen, wo die »deutsche Filmprinzessin« standesgemäß residiere. Viel zu sehen gibt es allerdings nicht, vom See aus garantiert der üppige Pflanzenwuchs Privatsphäre. Die Villa Maro bietet genug Platz für Gäste aus der Tourismus-, aber auch der Schauspielbranche, die gern nach Lugano kommen, um bei Blatzheims zu logieren. Sind dagegen keine Gäste angekündigt, wirkt das große Anwesen schnell leer, degradiert deren Bewohner zu Statisten in einer nicht stattfindenden Inszenierung, und Magda Schneider vermisst ihr vergleichsweise kleines, aber gemütliches Haus in Mariengrund. Den römischen Grundstein mit der Inschrift »Hic habitat felicitas – hier wohnt das Glück«, den es in Morcote angeblich gibt, darf man jedenfalls für etwas übertrieben halten.
Anfang der 1960er Jahre bittet H. H. B. seine Frau, mit dem Filmen aufzuhören und sich stattdessen nur mehr repräsentativen Zwecken an seiner Seite zu widmen. Schweren Herzens sagt Magda zu und spielt fortan zu Hause eine Mischung aus Königin und Hoteldirektorin. An Gelegenheiten dazu fehlt es nicht, denn Blatzheim liebt Geselligkeit, Repräsentation und Partys mit bis zu hundert Gästen, darunter zahlreiche Filmstars, die sich ebenfalls in der Steueroase niedergelassen haben.
22. März 1959
Im März 1959 organisiert Hans Herbert Blatzheim in Lugano eine Verlobungsfeier zwischen Romy und Alain. Nicht unbedingt, weil er von der Sache überzeugt war, er wollte vielmehr »nur dem unsäglichen Gerede in der Presse ein Ende machen, ich wollte verhindern, daß Romy beim Publikum ihrer Filme ›verteufelt‹ wurde«.126 Das war, wie sich herausstellen sollte, keine unberechtigte Sorge. Im Grunde forcierte Blatzheim sogar eine Legalisierung der Beziehung auf dem Standesamt – mit der Option, dass die Ehe entweder halten oder nach einem Jahr scheitern würde, wodurch Romy weniger Kraft verlöre als nach einigen Jahren Verlobungszeit. Diese Einschätzung publizierte Blatzheim allerdings erst 1966, drei Jahre nachdem die Verbindung bereits offiziell aufgelöst war.
Nach Romy Schneiders Angaben erfuhr sie erst bei ihrem Besuch in Lugano von der geplanten Verlobung, als Blatzheim ihr gegenüber verkündete: »Morgen findet eure Verlobung statt. Ich habe die Presse schon informiert. Alain wird herkommen.«127 Zu Romys Überraschung folgt der Franzose tatsächlich der Einladung für den 22. März. Beide beugen sich der Konvention, wobei Delons Verbeugung nicht besonders elegant ausfallen wird.
Auf den Fotos merkt man davon wenig. Als Kommentar zu einem der vielen Bilder kann man lesen, dass Daddy Blatzheim nicht nur in Geschäftsangelegenheiten der Manager seiner Stieftochter sei. »Am Tag nach Romys Ankunft streute er das Verlobungsgerücht aus und am Sonntag, als sich hunderte Journalisten eingefunden hatten, verkündete er stolz: Romy und Alain haben sich verlobt. Nicht lange waren die beiden Verlobten – nein, damals noch Verliebten – getrennt. Am Sonntag, vier Tage nach Romys Abflug, fuhr Alain hinaus nach Orly und bestieg eine Maschine in Richtung Schweiz. Er kam gerade noch zur Verlobung zurecht, schließlich spielte er ja eine Titelrolle. So gerne die beiden auch öffentlich von ihrem Glück reden, der Hochzeitstermin ist noch ›Geheime Kommandosache‹.«128
Zwischen Mutter und Tochter zeigt Delon allerdings ein etwas schiefes Lächeln, seine rechte Hand liegt auf Romys Schulter, die rechte kost Magdas Nerzstola. Zumindest für diese Bilder hat er sich mit wenig Mühe eine Krawatte umgebunden, die sich über seinen Oberkörper schlängelt. Romy spricht mit Mund, Augen und Händen, Magdas Lächeln ist eingefrorene konziliante Höflichkeit. Auf einem anderen Bild trinkt das Paar aus einem riesigen, mannigfaltig verzierten Bleikristallpokal. »Liebe war die Fortsetzung von Liebelei«, lautet die beziehungsreiche Zeile auf der Rückseite eines Pressefotos, auf dem die beiden »ihren Verlobungskuss für die Photographen wiederholen«.
Vor den bestellten Kameras bemühte man sich in Vico Morcote um fotogene Einigkeit, hinter den Kulissen freilich hatte sich nichts verändert. Blatzheims Einstellung zu Delon änderte sich auch bei näherer Bekanntschaft nicht: »Uns verband nichts, aber auch gar nichts.«129 Wie immer bei solchen Anlässen sorgte der Franzose durch bewusste Etikettenbrüche für Irritation bei seinem gutbürgerlichen Gastgeber. Im Restaurant erscheint er am Vorabend des Ereignisses im Mantel, unter dem er nicht den vereinbarten dunklen Anzug trägt, sondern eine Jacke und einen abgenutzten kragenlosen Pullover ohne Hemd. Zur damaligen Zeit eine ungebührliche Garderobe für ein seriöses Lokal. Blatzheim fühlt sich provoziert: »Während des Essens nahm er seine übliche Haltung ein: der rechte Ellenbogen fest am Tisch eingeklemmt, der Kopf tief über den Teller geneigt.«130 Die Strategie des Bürgerschrecks geht auf: Nach etwa zwanzig Minuten verlässt das Ehepaar...