DIE UMWELTPSYCHOLOGIN
Wann verhalten Menschen sich
umweltfreundlich?
Warum fahren Menschen trotz guter Anbindung nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, warum wehren sie sich gegen Windkraftanlagen in bestimmten Gegenden, und warum achten Mountainbiker so wenig auf die Natur? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die Psychologin Anke Blöbaum.
Frau Blöbaum, Sie sind Umweltpsychologin. Was ist das eigentlich?
In der Umweltpsychologie geht es um die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Umwelt. Dabei schauen wir uns beide Richtungen an. Zum einen: Wie verhalten wir Menschen uns gegenüber der Umwelt? Dazu gehören beispielsweise Studien, wie wir es schaffen können, uns umweltschonender zu verhalten. Aber wir gehen auch von der anderen Seite aus und untersuchen: Wie erleben Menschen ihre Umwelt, welche Umgebungen empfinden sie als angenehm, entspannend – welche Umwelt wirkt eher belastend, stressig oder beängstigend?
Wie sind Sie zu diesem Zweig der Psychologie gekommen?
Ich habe in Bochum studiert und wurde durch die Veranstaltungen von Rainer Guski, der dort den Lehrstuhl für Umweltpsychologie innehatte, auf das Fach aufmerksam. In seinen Seminaren ging es beispielsweise darum, wann Menschen Lärm als Belästigung empfinden, wie Menschen Architektur wahrnehmen und bewerten und wie man öffentliche Räume so gestalten könnte, dass Menschen sich darin möglichst wohlfühlen. Dieser Ansatz, auf die Gestaltung von Stadt und Umweltplanungen einen Einfluss auszuüben, die Umwelten möglichst menschengerecht zu machen, hat mir gefallen. Nach meinem Studienabschluss habe ich an einer Studie zum Schwerpunkt »Mensch und globale Umweltveränderung« mitgearbeitet und zu diesem Thema dann auch promoviert.
Was war das Thema dieser Forschungsarbeit?
Ich wollte herausfinden, unter welchen Bedingungen Menschen sich umweltschonend fortbewegen. Dabei interessierte mich einerseits, ob Normen eine Rolle spielen, wenn Menschen sich etwa entscheiden, Fahrrad zu fahren oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, statt ins Auto zu steigen. Andererseits wollte ich wissen, wie stark bei dieser Entscheidung die vorhandene Infrastruktur mit hineinspielt – also ob Busse, Bahnen verfügbar sind oder ob sich Geschäfte in der Nähe befinden.
Was haben Sie herausgefunden?
Die Studie ergab: Wenn die Umstände sehr ungünstig sind – beispielsweise weil der Bus nur sehr selten fährt oder die Haltestelle kilometerweit vom Zielort entfernt liegt –, dann haben unsere inneren Einstellungen, auch wenn wir umweltschonendes Verhalten sehr hoch hängen, kaum eine Chance, sich durchzusetzen. Erst wenn die Umstände günstiger sind, wenn beispielsweise eine Bahn mit guter Taktung in der Nähe hält, es am Zielort kaum Parkplätze gibt, kommen unsere Normen ins Spiel. Doch es gilt genauso: Wenn die Umstände sehr günstig sind – wenn die U-Bahn direkt vor der Tür hält und alle anderen Verkehrsmittel nur Nachteile haben –, dann benutzen fast alle die U-Bahn. Auch Menschen, die nicht unbedingt umweltbewusst sind.
Aber in einer Großstadt ist Bahn- oder Busfahren sehr einfach und praktisch – und trotzdem fahren viele mit dem Auto.
Es mag sein, dass der öffentliche Nahverkehr gut ausgebaut ist, aber einige Menschen nehmen es trotzdem anders wahr. Zunächst einmal wissen viele gar nicht, dass es für die Strecke von A nach B einen Bus gibt. Außerdem fällt ins Gewicht, dass unsere Wahrnehmung oft verzerrt ist. Wir haben mal in einer Studie untersucht, wie Menschen die »Kosten« für so einen Weg von A nach B bei verschiedenen Verkehrsmitteln berechnen. Dabei kam heraus, dass wir in der Regel den Weg zu einer Haltestelle für öffentliche Verkehrsmittel überschätzen. Und genau umgekehrt, den Weg zum Parkplatz des eigenen Pkw unterschätzen. Oft rechnen wir ihn überhaupt nicht mit ein, ebenso wenig die Parkplatzsuche, Staus oder andere mögliche Widrigkeiten. Dementsprechend wird der Aufwand für eine Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr als viel größer angesehen, als er tatsächlich ist. Das Gute ist, daran kann man etwas ändern. Nämlich Situationen so gestalten, dass es Menschen leichter fällt, sich umweltschonender zu verhalten.
Wie hilft man Menschen, sich umweltfreundlicher fortzubewegen?
Zum Beispiel indem man diese verzerrte Wahrnehmung korrigieren hilft. Wir haben in einem anderen Experiment Versuchspersonen Freitickets für den öffentlichen Personennahverkehr gegeben. Sie galten nur für bestimmte Fahrten und einen bestimmten Zeitraum. Die Fahrkarten mussten die Leute beim Benutzen abstempeln lassen – insofern wussten wir, wie oft sie auf dieser Strecke tatsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren waren. Die Auswertung zeigte, dass die Freitickets Menschen zum Umsteigen bewegen, wenn die Strecke gut ausgebaut ist. Und das wirklich Ermutigende: Nach ein paar Monaten, als die Freifahrtscheine längst nicht mehr galten, waren einige zwar in ihre alten Gewohnheiten zurückgefallen und wieder ins Auto gestiegen, aber nicht wenige sind bei den öffentlichen Verkehrsmitteln geblieben. Wir können sagen: Wenn die Taktung gut ist, wenn man nicht zu lange warten muss und wenn die nächste Haltestelle nur maximal 700 Meter weit entfernt liegt – dann gibt es gute Chancen, Menschen mit Schnupperangeboten zum Umsteigen auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel zu bewegen.
Zu welchen umweltpsychologischen Themen forschen Sie noch?
Ein anderer Forschungsschwerpunkt dreht sich um die Sicherheitswahrnehmung im öffentlichen Raum. Mir war aufgefallen, dass einige Menschen in den Interviews zur Verkehrsmittelwahl angegeben hatten, Umwege in Kauf zu nehmen, wenn ihnen der Weg sicherer erschien. Es betraf vorwiegend Frauen. Sie hatten beispielsweise zu Protokoll gegeben: »Haltestelle XY liegt zwar näher bei meiner Wohnung, aber ab 17 Uhr laufe ich lieber zur Haltestelle Z, da fühle ich mich sicherer.« Dass Frauen offenbar einen mehrere hundert Meter weiten Umweg in Kauf nehmen, nur um eine bestimmte Haltestelle zu vermeiden, ist sehr erheblich, wenn man in Kategorien von »Verhaltenskosten« denkt. Mich interessierten die genauen Gründe für diese Umwege. Denn Kriminalitätsstatistiken zeigen, dass Frauen viel eher von jemandem angegriffen werden, den sie kennen, als von einem Fremden. Das bedeutet, ihre Angst vor einem Weg oder einer dunklen Haltestelle ist wenig begründet. Trotzdem hält diese Furcht nicht wenige davon ab, abends im Dunkeln noch unterwegs zu sein. Ich möchte nun herausfinden, welche Umweltmerkmale eine Beängstigung bei Frauen auslösen. Und weil ich ja davon ausgehe, dass Frauen auf einem Bahnhof nicht wirklich in Gefahr sind, möchte ich in einem nächsten Schritt überlegen: Wie könnte man diese Umwelten so gestalten, dass Frauen sich sicherer fühlen?
Haben Sie schon Ergebnisse, wann Frauen einen öffentlichen Raum als besonders furchteinflößend empfinden?
Es sieht so aus, als seien folgende drei Faktoren ausschlaggebend: die Beleuchtung, der Überblick über die Umgebung und die wahrgenommenen Fluchtmöglichkeiten. Letzteres scheint dabei am wichtigsten zu sein für das Gefühl, sich sicher und wohlzufühlen. Das macht auch Sinn: Helligkeit und Überblick sorgen zwar dafür, dass ich einen möglichen Angreifer frühzeitig sehen kann – aber wenn mich tatsächlich jemand überfallen oder belästigen sollte, dann will ich vor allem aus dieser Situation fliehen. Diese neuen Erkenntnisse passen zu den Aussagen vieler Frauen aus unserer früheren Studie zur Verkehrsmittelwahl. Sie hatten angegeben, Bahnstationen mit nur einem Eingang zu vermeiden. Es war vor allem diese Vorstellung, aus der Situation nicht in entgegengesetzter Richtung fliehen zu können, die dramatisch beängstigend wirkte.
Gibt es noch weitere Forschungsprojekte?
Wir beschäftigen uns auch mit der Ästhetikwahrnehmung von Windkraftanlagen und Stromtrassen in verschiedenen Umgebungen. Wir möchten herausfinden, ob es Landschaftstypen gibt, die als stärker beeinträchtigt wahrgenommen werden, wenn man dort Windkrafträder aufstellt. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn die Stromanlagen in einer scheinbar unberührten Landschaft stehen. Ich sage scheinbar, denn wir haben ja gar keine unberührte Natur, sondern leben in Kulturlandschaften. Außerdem interessiert uns, ob die Anzahl der Stromanlagen eine Rolle spielt, ob es beispielsweise egal ist, wenn in einer Landschaft schon 20 Windräder stehen und dann noch zwei hinzukommen.
Unter »unberührter Landschaft« verstehen wir gemeinhin einen Deich mit Schafen?
Ja, beispielsweise, auf dem dann zwei Windanlagen aufgestellt werden. Oder eine bewaldete Hügellandschaft, aus der oben heraus die Rotoren ragen, sodass man sie schon von weitem sehen kann. All das verändert die Landschaftssilhouette. Wie das ästhetische Empfinden dazu ist, untersuchen wir im Labor mit unterschiedlichen Fotos, die wir Versuchspersonen vorlegen und sie beurteilen lassen. In Zukunft möchten wir bei diesen Experimenten mit Simulationen, also virtuellen Realitäten, die wir am PC herstellen, arbeiten. Dann könnten wir reale Landschaftsausschnitte gezielt verändern, indem wir Windkraftanlagen hineinmontieren. Oder den Landschaftstyp variieren und schauen, ob Versuchspersonen dieselbe Menge Windanlagen in einem Wald als störender empfinden als auf einer Wiese. Für diese computergestützten Experimente fehlen uns derzeit leider noch Forschungsgelder.
Sie lehren und forschen nicht nur an der Universität Magdeburg, sondern arbeiten...