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Ratgeber Sprech- und Sprachstörungen

Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher

AutorWaldemar von Suchodoletz
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl57 Seiten
ISBN9783844422313
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Sprache ist das wichtigste Kommunikationsmittel des Menschen: Wie lernen Kinder Sprache? Wann verläuft die Sprachentwicklung normal und wann auffällig? Welche Sprech- und Sprachstörungen gibt es? Der Ratgeber liefert Antworten auf diese Fragen und gibt Hinweise über Möglichkeiten zur Vorbeugung, Früherkennung und Frühförderung von Sprech- und Sprachstörungen. Der Ratgeber beschreibt, wie die normale Sprachentwicklung verläuft, wie diese durch ein sprachförderndes Verhalten unterstützt werden kann und was bei einer mehrsprachigen Erziehung zu beachten ist. Er geht auch auf die große Variationsbreite der Sprachentwicklung ein und zeigt auf, bei welchen Sprachbesonderheiten an eine Sprech- bzw. Sprachstörung gedacht werden muss. Der Ratgeber informiert über häufig auftretende Störungsbilder und erläutert das Vorgehen bei der diagnostischen Abklärung sowie bei der Förderung bzw. Therapie von Sprech- und Sprachstörungen. Bezugspersonen erhalten Hinweise zum konkreten Umgang mit sprachauffälligen Kindern, um eine Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls und der psychischen Stabilität der Kinder zu vermeiden.

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Leseprobe
1 Kennen Sie das?

Jonas ist 3 ½ Jahre alt. Er ist ein fröhlicher und lebhafter Junge mit großem Bewegungsdrang. Am liebsten ist er auf dem Spielplatz, um zu schaukeln, zu klettern und umherzulaufen. Zwischendurch kommt er immer wieder zur Mutter und erzählt ihr etwas. Diese kann aber nur, wenn sie den Zusammenhang kennt, erraten, was er meint. Jonas spricht sehr undeutlich, vertauscht Laute und lässt Silben aus. Viele seiner Wörter sind nicht zu verstehen. Zudem sind seine Sätze unvollständig und grammatisch äußerst fehlerhaft. So berichtet er über das Spiel anderer Kinder: „De läufen alleine weg und des aufsteh, denna auf den Kis, de klettet dahüber, auf de Bausda und data auf de Tis …“ Dabei gestikuliert er lebhaft, ohne dass dies zur Verständlichkeit wesentlich beiträgt. Wenn er zu etwas aufgefordert wird, reagiert er meistens richtig. Sein Sprachverständnis scheint somit unbeeinträchtigt zu sein. Ein gemeinsames Spiel gelingt dadurch unkompliziert.

Ines ist kürzlich 6 Jahre alt geworden und die Einschulung steht bevor. Ihre Sprache wirkt aber eher wie die einer Vierjährigen. Wenn sie erzählt, sind ihre Sätze kurz und unvollständig. Durch Auslassungen und zahlreiche grammatische Fehler ist sie nicht immer gleich zu verstehen. Auch ersetzt sie /sch/ durch ein gelispeltes /s/. Fällt ihr ein Wort nicht gleich ein, wiederholt sie Wörter oder Satzteile. Wenn sie ein Bild in einem Bilderbuch beschreibt, hört sich das so an: „Guck mal, psühhh, guck mal, noch was Lustiges. Eine, eine hat, die da hat, hat die Stange, wollte ein Handtuch drangemacht. Ein Rabe geht zu Hühner mit ein, mit ein. Da ist Wasser drin und da fährt ein Siff drin. Da ist eine Fisse drin. Guck mal, einer ist auch noch, noch ein Mädchen …“ Trotz ihrer Sprachprobleme kann sie sich anderen Kindern gut verständlich machen. In der Kindergartengruppe wird sie voll akzeptiert.

Maximilian ist 10 Jahre alt. Im Kindergartenalter hatte er erhebliche Sprachauffälligkeiten. Jetzt kann er alle Laute bis auf /s/ und /sch/ richtig aussprechen und grammatische Fehler unterlaufen ihm nur noch selten. Allerdings spricht er etwas undeutlich und verwaschen. Maximilian ist recht wortkarg und antwortet überwiegend mit einzelnen Wörtern oder sehr kurzen Sätzen. Fragen nach seinen Erlebnissen weicht er, wenn dies möglich ist, aus oder beantwortet diese mit Floskeln wie „War gut“, „Hat Spaß gemacht“, „Gab nichts Besonderes“. Beim Erzählen fällt es ihm schwer, Ereignisse folgerichtig zu schildern. Über seinen Handballsport erzählt er: „Wir machen Turniere. Das ist auch schon im Platz, im Fußballplatz. Das ist oft brutal. Wir spielen gegen viele. Aber nicht meine Klasse, mit anderen, mit paar Schulen. Unsere Schule hat ja auch, hm, unsere Klasse, die A-Klasse auch eine. Die können überall sein, wo sie sind. Die können auch in andere Schulen gehen. Wir haben schon viel gemacht …“ Derzeit besucht er die vierte Klasse. Obwohl seine Mutter intensiv mit ihm übt, hat er große Probleme beim Lesen und Rechtschreiben. Er liest sehr langsam und stockend und unbekannte Wörter erliest er Silbe für Silbe, ohne diese zu einem Wort zusammenzuziehen. Den Inhalt eines gelesenen Textes kann er kaum wiedergeben. Zudem unterlaufen ihm im Diktat zahlreiche Fehler, insbesondere durch Verwechslungen ähnlich klingender Laute. Inzwischen geht er sehr ungern in die Schule und zu Hause weigert er sich zunehmend, seine Schularbeiten zu erledigen.

Beim siebenjährigen Tobias fällt seit dem vierten Lebensjahr ein Stottern auf. Beim Erzählen stockt er nach wenigen Wörtern. Insbesondere bei Wortanfängen dehnt er einzelne Laute und wiederholt Silben. Über seinen Weihnachtswunsch berichtet er: „Iiich hab mir … zuuum Weihnachten ein Flugzeug ge-ge-ge-gewünscht. Das ist so ggggroß. Das muss man mmmmit Gummi zusammenbauen. Wwwwwwenn ich loooslasse … da-da-dann fliegt es von aaaalleine …“ Die Anstrengung beim Sprechen ist ihm anzusehen. Stockt er, so blickt er nach unten, runzelt die Stirn und bewegt die Schultern. Aus seinem Verhalten wird deutlich, dass er gerne über seinen Weihnachtswunsch berichten möchte, ihm aber seine Schwierigkeiten beim Erzählen bewusst und sehr unangenehm sind.
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